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Angebot, Nachfrage – Ausbau?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Jugendticket in Baden-Württemberg

Von März an wird in Baden-Württemberg das Jugendticket angeboten. Für 365 Euro können Schüler, Azubis und Studierende landesweit Busse und Bahnen im Nahverkehr nutzen. Klingt prima, aber Kritik und Fragen gibt es dennoch.

Vom 1. März an können Schüler, Studierende und Auszubildende mit dem Jugendticket landesweit den Nahverkehr nutzen.
Vom 1. März an können Schüler, Studierende und Auszubildende mit dem Jugendticket landesweit den Nahverkehr nutzen. Foto: Uwe Anspach/dpa

Einsteigen, Mitfahren, ein Jahr lang und immer mit demselben Ticket in ganz Baden-Württemberg. So stellen sich Kommunen und Land das Angebot eines 365-Euro-Tickets für junge Menschen in Bussen und Bahnen vor.

Vom 1. März an soll das neue Angebot landesweit gültig sein. Kommunalverbände, Verkehrsverbünde und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) versprechen sich einen Schub für den Nahverkehr, wenn vor allem junge Menschen das Auto stehen lassen und umsteigen.

Für wen kommt das Jugendticket in Frage? Und verspricht das Deutschlandticket nicht viel mehr? Martin Oversohl hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.

Wer kann das Jugendticket benutzen?

365-Euro-Ticket, Baden-Württemberg-Ticket, Jugendticket – das neue Angebot hat viele Namen und alle sind Programm. Mit umgerechnet einem Euro am Tag sollen junge Menschen unter 21 Jahren und Auszubildende oder Studierende unter 27 Jahren mit dem Ticket durchs ganze Land fahren können.

Wo ist es gültig?

Das Jugendticket gilt in allen Bussen und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs in Baden-Württemberg, hierzu gehören alle IRE, RE, RB, MEX, S-Bahnen, Straßen- und Stadtbahnen sowie Busse. Es sind alle 19 Verkehrsverbünde im Land beteiligt – ausgenommen ist nur der Fernverkehr, also eine Fahrt mit dem ICE oder IC. Geplant ist das Jugendticket bislang nur als Jahreskarte.

Und wie ist das über die Landesgrenzen hinweg?

Wer in dem einem Bundesland wohnt und im benachbarten anderen zur Schule oder zur Uni geht, der kann das Ticket unter einer Bedingung nutzen: Auch wenn es über die Landesgrenze geht, wie zum Beispiel beim Karlsruher Verkehrsverbund (KVV), ist es innerhalb des Verbundes gültig. Das heißt: Man kann auch in den rheinland-pfälzischen Teil des KVV fahren. In Neu-Ulm ist dieser Kompromiss für bayerische Schüler, Studierende und Auszubildende allerdings nicht gelungen, bedauert Hermann.

Bald soll das bundesweite Deutschlandticket kommen. Ist das keine Konkurrenz?

Kommt drauf an, wen man fragt. Die Landesregierung gibt dem neuen Jugendticket gute Chancen. Die Fahrt sei für junge Menschen günstiger als das noch nicht gültige Deutschlandticket, das 49 Euro im Monat kosten soll. „Das Baden-Württemberg-Ticket ist für die allermeisten das Ticket, das sie am stärksten benötigen. Es ist sozusagen ihr Deutschlandticket“, sagt Hermann.

Er rechnet damit, dass 90 Prozent der neuen Nutzer kein Interesse am bundesweiten Ticket haben. Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags, erwartet dennoch von Land und Bund, dass Fragen zum Verhältnis der beiden Tickets „zeitnah geklärt werden“.

Und die Kritiker des Angebots?

Sie fürchten vor allem ein Überangebot für Bus und Bahn. Mit der Einführung des auch vom Bund geförderten Deutschlandtickets werde das Jugendticket überflüssig, kritisiert die FDP. „Es gibt keinen Grund mehr, mit 100 Millionen Euro Steuergeldern jährlich junge Menschen einkommensunabhängig für gerade einmal einen Euro am Tag von Wertheim bis Konstanz fahren zu lassen“, sagt Hans Dieter Scheerer, ÖPNV-Sprecher der Liberalen. Dem Haushalt würden durch einen Symbolpreis langfristig erhebliche Mittel entzogen. Auch die SPD hat ihre Zweifel. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Hans-Peter Storz fordert, das Jugendticket müsse deutschlandweit gültig sein.

Soll das Jugendticket später integriert werden in das bundesweite Angebot?

Das ist zumindest geplant. „Aber wir werben da für Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, bremst der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Alexis von Komorowski. „Wir wissen ja bis heute nicht, was die abschließenden Konditionen für das Deutschlandticket sind.“

Was kostet das Jugendticket das Land?

Das Land übernimmt bis Ende 2025 etwa 327 Millionen Euro, rund 70 Prozent der Gesamtkosten. Die Kommunen kommen für die restlichen Mittel auf. Während Verkehrsminister Hermann betont, es handele sich um eine dauerhafte Lösung, sind die Landkreise vorsichtig: Zum einen müsse bei einer Evaluation im ersten Halbjahr des kommenden Jahres die Wirtschaftlichkeit ebenso geprüft werden wie die Zahl der verkauften Tickets, sagte Komorowski. Zum anderen finanzierten die Kreise das Ticket nicht dauerhaft. „Das war eine einmalige Geschichte“, sagt er. Die Kreise seien eigentlich für die Finanzierung nicht zuständig.

Gehen die Investitionen auf Kosten des Nahverkehrsausbaus?

Davor warnen Kreise und Kommunen. „Die Millionen, die jetzt in die Tarifabsenkung fließen, können nicht gleichzeitig an anderer Stelle für den Ausbau des ÖPNV ausgegeben werden“, sagt Nusser. Wichtig seien auch ein ausgebautes Netz und ein verlässlicher Takt. Ähnlich sieht das Komorowski: „Was bringt mir ein Jugendticket, wenn ich vor Ort gar nicht die Möglichkeit habe, es zu benutzen, weil es nicht die entsprechenden Angebote gibt?“

Das neue Tarifangebot ändere nichts an den erheblichen Finanzierungsproblemen im ÖPNV. Hermann hofft, dass die Nachfrage nach dem Ticket den Ausbau beschleunigt: „Wir heizen die Nutzung des öffentlichen Verkehrs mit sehr günstigen Preisen an“, erklärt er. Es werde dann klar, dass wegen der Nachfrage auch ausgebaut werden müsse. „Man hat sozusagen das sichtbare Argument.“

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