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Kritik an Regierung

Im nächsten Schuljahr droht wegen Lehrermangels mehr Unterrichtsausfall in Baden-Württemberg

Krisenbewältigung scheint das neue Hauptfach an den Schulen in Baden-Württemberg zu sein: erst Corona, dann die Aufnahme von über 20.000 geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. Doch die eigentliche Krise ist hausgemacht: der Lehrermangel.

Eine Lehrerin schreibt auf ein  Whiteboard in einer Grundschule das Wort Lehrermangel. Trotz gewachsener Ausgaben für die Schulen und zusätzlicher Lehrerjobs ist die Lücke zwischen bereitstehenden Lehrerstellen und der tatsächlichen Besetzung größer geworden.
Der Lehrermangel in Baden-Württemberg wird sich im nächsten Schuljahr aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW und der SPD-Opposition noch weiter verschärfen. Foto: Caroline Seidel-Dißmannel/dpa

Hiobsbotschaft vor dem letzten Schultag: Der Lehrermangel in Baden-Württemberg wird sich im nächsten Schuljahr aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW und der SPD-Opposition noch weiter verschärfen. Die Einstellungszahlen des Kultusministeriums zeigten, dass voraussichtlich mehrere hundert Stellen unbesetzt blieben, sagte GEW-Landeschefin Monika Stein in Stuttgart.

Besonders an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) und bei der Inklusion fehlten immer mehr Lehrkräfte. Auch viele Berufliche Schulen, Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe 1 würden absehbar mit zu wenig Personal ins Schuljahr starten. Das bedeute, dass sich Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern auf mehr Unterrichtsausfall einstellen müssten.

Stein sagte dazu: „Es ist für die 130.000 Lehrkräfte an den 4.500 Schulen frustrierend, dass sie auch im nächsten Schuljahr jonglieren müssen, um den Pflichtunterricht einigermaßen sicherzustellen.“ Das sei besonders ärgerlich, weil die Situation im Unterschied zur Corona-Krise oder dem Ukraine-Krieg vorhersehbar gewesen sei.

Hätte die grün-geführte Landesregierung 2012 die vorliegenden Zahlen des Statischen Landesamtes ernst genommen und ausreichend Studienplätze geschaffen, könnten jetzt alle Stellen besetzt werden, so die Kritik. „Wir erwarten, dass die grün-schwarze Landesregierung endlich den Ernst der Lage in Kitas und Schulen begreift und mit den notwendigen Investitionen im nächsten Landeshaushalt reagiert.“

SPD-Bildungsexperte fordert Konzepte für Bekämpfung des Lehrermangels

Auch der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei sagte: „Es wird Zeit, dass die Landesregierung endlich konkrete Konzepte zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels vorlegt.“ Bei den vergangenen Etatverhandlungen habe man der „eigenen Kultusministerin nicht einmal den dringend erforderlichen Ausbau der Krankheitsvertretungsreserve gewährt“.

Die Folgen seien eine Überlastung der Lehrkräfte und Unterrichtsausfall über alle Schularten hinweg. „Grün-Schwarz muss sich endlich an die eigene Nase fassen und die Studienplätze im Lehramt ausbauen, die Krankheitsvertretungsreserve aufstocken, mehr multiprofessionelle Teams an unseren Schulen aufbauen und befristete Lehrkräfte über die Sommerferien weiter beschäftigen.“

Gymnasien stehen in Baden-Württemberg im Vergleich gut da

Stein erklärte, die Gymnasien seien die einzige Schulart, in der fast alle Stellen besetzt werden konnten – bis auf bestimmte Mangelfächer. Stein beklagte, dass die ständige Vertretungsreserve mit 1945 Stellen viel zu klein sei, denn es gebe 5.000 bis 7.000 dauerhaften Ausfälle.

Schon am ersten Schultag seien alle Vertretungskräfte eingeplant. „Da kaum weitere Personen auf dem Arbeitsmarkt sind, die kurzfristig für Vertretungen gewonnen werden können, bedeutet jeder weitere Ausfall, dass Klassen zusammengelegt werden müssen oder Unterricht ausfällt.“

In den SBBZ gab es demnach auf etwa 591 Stellen für Sonderpädagoginnen und -Pädagogen nur 401 Bewerbungen. Auch bei den sonderpädagogischen Fachlehrkräften kamen auf 137 freie Stellen nur 13 Bewerbungen. Schon in diesem Schuljahr seien hier zwölf Prozent der Stellen nicht besetzt gewesen, die Quote werde sich noch erhöhen.

Bei der Grundschulen gab es demnach 1.205 Bewerbungen für 1.267 Stellen. Für Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen bewarben sich 1.030 Personen für 1.099 freie Stellen. An den beruflichen Schulen seien zwar einige Gymnasiallehrkräfte eingestellt worden, das Unterrichtsdefizit sei aber seit Jahren groß.

Stein zeigte kein Verständnis für die Herangehensweise der Landesregierung. „Wenn ein Autohersteller ein neues Modell einführt, baut er neue Fabriken und stellt Tausende Menschen ein.“

Obwohl die Schülerzahlen stiegen und neue Projekte wie der Ganztagsausbau in der Grundschule anstünden, „will die Landesregierung immer wieder vorhandene Ressourcen umlenken statt mutig zu investieren“. Das werde nicht funktionieren. „Wer an der Bildung spart, bekommt auch keine Zinsen“, warnte die Gewerkschafterin.

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