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Regeln für heiße Tage

Mythos „hitzefrei“: Was ist tatsächlich erlaubt?

Selbst an extremen Hitzetagen wie diesen dürfen Arbeitnehmer und meist auch die Schüler nicht einfach daheim bleiben, obwohl es vielleicht gesünder wäre. Wann es zu heiß ist, um zu arbeiten und den Unterricht zu besuchen, ist in Deutschland klar geregelt.

Zu heiß für die Arbeit: Das ist in Deutschland nur selten möglich. Die Arbeitgeber müssen sich allerdings im Freien um Sonnenschutz kümmern.
Zu heiß für die Arbeit: Das ist in Deutschland nur selten möglich. Die Arbeitgeber müssen sich allerdings im Freien um Sonnenschutz kümmern. Foto: Rainer Droese / imago images

Es gibt wieder einmal Rekordtemperaturen in Westeuropa: Ein Sommerhoch verwandelt derzeit vor allem die Großstädte in Glutnester.

Die Ärzte raten besonders älteren und chronisch kranken Menschen, sich nicht nach draußen zu begeben und mehr zu trinken. Doch auch den Jüngeren und Gesünderen macht die Hitze zu schaffen.

Vom medizinischen Standpunkt her wäre es wohl besser, bei deutlich über 30 Grad im Schatten nicht ins Büro oder in die Schule zu gehen. Doch in der Praxis ist das meist nicht möglich. Wie ist das Thema „hitzefrei“ in Deutschland geregelt?

Unser Redakteur Alexei Makartsev hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.

Darf man an sehr heißen Tagen das Büro meiden und stattdessen zuhause arbeiten?

Generell gesagt: nein. Arbeitnehmer in Deutschland haben keinen direkten Anspruch auf hitzefrei, auf klimatisierte Räume oder auf Shorts und T-Shirt statt Anzug, wenn der Schweiß von der Stirn tropft. Die gültige Arbeitsstättenverordnung von 2004 definiert keine Maximaltemperatur im Büro, ab der man die Arbeit einstellen dürfte.

Eine Regel gibt es trotzdem: Die Lufttemperatur in Arbeits- und Sozialräumen (also Kantinen, Sanitär- und Pausenräumen) soll grundsätzlich 26 Grad nicht überschreiten. Ist es im Sommer dennoch der Fall, muss der Arbeitgeber handeln.

Was muss der Arbeitgeber tun?

Er ist gesetzlich verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit vermieden wird. Steigt die Temperatur in Arbeitsräumen über 26 Grad, wird eine Reihe von Maßnahmen empfohlen, darunter das Bereit­stellen von kühlen Getränken, das Herunter­lassen von Jalousien, der Einsatz von Ventilatoren oder die Verlegung der Arbeit in die kühleren Morgen­stunden.

Hilft das nicht und wird es über 30 Grad warm, muss der Arbeitgeber weitere Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel die Bekleidungsregeln lockern oder Lüftungseinrichtungen installieren.

Und wenn es im Büro noch heißer wird?

Ab 35 Grad ist Schluss: Laut der Bundes­anstalt für Arbeits­schutz und Arbeits­medizin (BAuA) gilt ein Arbeitsraum in diesem Fall als nicht geeignet, außer wenn spezielle Betriebsbedingungen nötig sind, etwa in Gärtnereien oder Stahl­werken. Doch auch wenn man im Büro 35 Grad misst, sollte man nicht einfach heimgehen, denn Beschäftigte könnten eine Abmahnung oder Kündigung riskieren.

Arbeitsrechtler empfehlen, sich an den Betriebsrat zu wenden oder den Arbeitgeber an seine Fürsorgepflicht und die Pflichten zur Gestaltung des Arbeitsplatzes zu erinnern. Man könnte nach zusätzlichen Kühlmaßnahmen fragen oder um einen Arbeitsplatzwechsel bitten.

Gibt es im Südwesten Unternehmen, die ihren Beschäftigten an heißen Tagen automatisch die Heimarbeit erlauben?

Möglicherweise ja, so genau weiß man das nicht. Die IHK Karlsruhe und die IG Metall in Baden-Württemberg haben dazu nach eigenen Angaben keine Rückmeldungen seitens ihrer Mitglieder. Die Gewerkschaft Verdi erklärt auf Anfrage, dass die Beschäftigten im Südwesten wohl „in den allerwenigsten Fällen“ hitzefrei kriegen – und nur dort, wo es entsprechende betriebliche Regelungen gebe.

Wie ist es mit der Arbeit im Freien an heißen Tagen?

Das Prinzip „Sonnenschutz ist Arbeitsschutz“ muss beachtet werden. Wer im Freien in der sengenden Sonne arbeiten muss, sollte je nach Gefähr­dungs­lage vor der UV-Strahlung unterschiedlich stark geschützt werden, etwa mit Sonnencreme, spezieller Kleidung oder mit Sonnensegeln. Die Verantwortung dafür trägt der Arbeitgeber.

Warum können zu heiße Arbeitsräume gefährlich sein?

Laut der BAuA belegen Studien bei Temperaturen mit „unzuträglichen“ Werten ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko. Mitarbeiter, die unter der Hitze leiden, zeigen eine geringere Leistungsfähigkeit, sie klagen oft über Müdigkeit und Konzentrationsschwäche.

Eine mögliche Folge sind höhere Herz-Kreislaufbelastungen. In einem überwärmten Büroraum können eine Hitzeerschöpfung oder gar ein Hitzekollaps auftreten, die Sofortmaßnahmen erfordern.

Können Arbeitnehmer sich selbst helfen?

In einem gewissen Rahmen schon. Besonders wichtig ist es, viel zu trinken. Als ideal gelten zum Beispiel Früchtetees oder Wasser mit Zitrone. Man sollte außerdem auf schwere Speisen verzichten. Luftige Kleidung hilft dem Körper, aufgestaute Hitze wieder loszuwerden. Es hilft kurzfristig, kaltes Wasser über Hand­gelenke und Unter­arme laufen zu lassen. Im Arbeits­raum sollten möglichst wenige elektrische Geräte einge­schaltet sein, denn sie strahlen Wärme aus.

Gibt es ein generelles „hitzefrei“ für Schulen?

In den unterschiedlichen Bundesländern gelten seit mehr als 20 Jahren abweichende Regeln. In Nordrhein-Westfalen ist dafür eine Temperatur von mindestens 27 Grad erforderlich. In Hamburg muss der Unterrichtsausfall an heißen Tagen mit den Eltern abgestimmt werden, damit die Betreuung sichergestellt ist. In Baden-Württemberg gibt es seitens des Kultusministeriums keine generelle Hitzefrei-Vorgabe. Das entscheiden alleine die Schulleitungen.

Was müssen sie dabei berücksichtigen?

Zuallererst das körperliche Wohl der Schüler. Das Ministerium empfiehlt zudem eine Reihe von Kriterien für den Ausfall des Unterrichts: Eine Außentemperatur um 11 Uhr von mindestens 25 Grad im Schatten, ein „hitzefrei“ frühestens nach der vierten Stunde ab Unterrichtsbeginn und dass sich benachbarte Schulen absprechen. Den Schülern, die mit dem öffentlichem Verkehr fahren, müssen bis zur Heimfahrt beaufsichtigte Aufenthaltsräume zur Verfügung stehen. Schließlich gibt es kein „hitzefrei“ in den beruflichen Schulen und der gymnasialen Oberstufe.

Wie oft bleiben tatsächlich an heißen Sommertagen im Land die Schüler daheim?

Das wird statistisch nicht erfasst. Man höre sowohl, dass Schulen hitzefrei erklärten, als auch das Gegenteil davon, sagt das Kultusministerium in Stuttgart auf Anfrage unserer Redaktion: „Grundsätzlich ist es sinnvoll, vor Ort zu entscheiden.“ Denn es mache einen Unterschied, ob sich die Schule in einem nicht isolierten Altbau befindet, der kaum gekühlt werden könne oder ob sie in einem Neubau untergebracht sei, wo sich die Hitzeentwicklung leichter beeinflussen lasse.

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