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Bella Italia lässt grüßen

Capo Sant’Andrea auf Elba ist die Insel in der Insel

In Capo Sant’Andrea an der Nordwestküste Elbas scheint die Zeit stehen geblieben. Massentourismus gibt es nicht, dafür das Italien-Feeling einer längst vergangenen Ära.

Strand von Capo Sant’Andrea auf Elba
Nicht mehr als 200 Meter lang ist die Bucht von Capo Sant’Andrea. Der winzige Ort an der Nordwestküste gilt als Geheimtipp. Foto: Roberto Maggioni

Erst zwei Tage im Hotel und schon kennt Frühstückskellner Giovanni die Vorlieben der beiden Damen aus Zimmer 30. Auch wenn er nicht mehr der Allerjüngste ist – als Serviceprofi und Charmeur der alten Schule hat er ein gutes Gedächtnis.

Gestern hatten sich die Deutschen eine frische Tomate als Frühstücksbeilage gewünscht, heute steht der Teller mit der liebevoll aufgefächerten Frucht schon auf dem Tisch, bevor die Freundinnen mit ihren frisch aufgeschäumten Cappuccinos von der Kaffeemaschine zurückkehren.

Auf Elba geht der Sommer in Verlängerung

So herrlich beginnt der Oktobermorgen auf Elba: Während im fernen Deutschland ein kühler Wind die Blätter von den Bäumen bläst, bescheint eine milde Spätsommersonne die Panoramaterrassen der Hotels. In einem elegant geschwungenen Korbstuhl sitzend, schweift der Blick über die satt-grüne bergige Landschaft ringsum und hinaus aufs weite blaue Meer.

Das Hotel Gallo Nero über der Bucht von Sant’Andrea auf Elba ist einer dieser hinreißenden Orte, an denen es sich ganz trefflich vom Italien der guten, alten Zeit träumen lässt. Das strahlend weiße Hauptgebäude mit seinen runden Formen und dem großzügigen Garten ringsum atmet das Flair jener Zeit, in der „Bella Italia“ der Deutschen Sehnsuchtsziel schlechthin war.

Wanderer auf einem Berggipfel.
Der Monte Capanne ist mit seinen 1.019 Metern der höchste Berg Elbas. Zahlreiche Wanderwege führen hinauf. Oben belohnt der Blick über die ganze Insel. Foto: Roberto Ridi

Die Hotelanlage mit ihren großzügig über den Hang verteilten Gästebungalows hat gerade ihren 70. Geburtstag hinter sich, aber sie wirkt, wie eine in Schönheit gealterte, elegante und gepflegte italienische Diva.

Auf knapp 200 Meter Strand kommen knapp 200 Einwohner

Vintage, im besten Sinn, ist auch der Ort, über dem das Hotel thront. Capo Sant’Andrea liegt in einer kleinen Bucht im Nordwesten der drittgrößten italienischen Insel vor der Küste der Toskana. Der umtriebige Fährhafen von Portoferraio ist mit dem Auto gut eine Stunde entfernt. Mit jeder Kurve, die man auf der großen Inselstraße hinter sich lässt, bleibt auch der Trubel zurück.

Die örtliche Tourismuswerbung preist das winzige Dorf (fast 200 Einwohner) mit seinem noch winzigeren Strand (fast 200 Meter lang) als „Geheimtipp“. Vor allem im Herbst, wenn es in der windgeschützten Bucht immer noch ein bisschen wärmer und windstiller ist als anderswo auf der Elba.

An manchen Tagen schauen Wale und Delfine in der Bucht vorbei

Als „Insel in der Insel“ bezeichnet Maurizio Testa das Fleckchen Erde deshalb. Der Sprecher des Consortio Capo Sant’Andrea, also des Zusammenschlusses aller Hoteliers und sonstigen im Tourismus arbeitenden Menschen hier, wird nicht müde, zu schwärmen. Der Ort, so sagt er, sei sogar bei Walen und Delfinen beliebt. Immer mal wieder schauten sie in der ruhigen Bucht mit ihrem kristallklaren Wasser vorbei.

Die abgeschiedene Lage nährt aber auch bei menschlichen Besuchern das Gefühl fernab von Zeit und Raum zu sein. Das Dorf liegt ganz am Ende einer Stichstraße, die in Dutzenden von Kurven zum Strand hinunter mäandert. Auf dem großen Parkplatz an der Tauchschule ist Schluss. Von hier sind es noch 50 Meter zum Strand.

Der ist wirklich sehr putzig. Morgen für Morgen wird der feine Sand gesäubert und die Liegestühle und Sonnenschirme für die Gäste akkurat aufgereiht. In der Nachsaison, wenn die Kinder in Germania wieder die Schulbank drücken und die Sonne nicht mehr ganz so lange am Himmel steht, stehen die Chance auf einen Liegeplatz hier ganz gut.

Die Unterwasserwelt rund um die Bucht von Sant’Andrea lässt sich bei einem Schnorchelausflug erkunden.
Die Unterwasserwelt rund um die Bucht von Sant’Andrea lässt sich bei einem Schnorchelausflug erkunden. Foto: Roberto Maggioni

Mit den Bergen im Rücken fühlt man sich abgekoppelt von allem, was draußen in der Welt passiert. Spektakuläre Granitfelsen, in Jahrmillionen von Wind und Wasser geschliffen und gerundet, rahmen den Blick aufs Wasser ein. Auf der rechten Seite des Strands führt ein in die Felsen geschlagener Weg zum kleineren Cotoncello Strand. Das Meer hat sich hier ein natürliches Schwimmbad in den Stein gegraben. Das glasklare, seichte Wasser lädt auch Nichtschwimmer und Kinder zum Baden. Die Felsen ringsum bieten sich als Sonnenbänke an. Auf der linken Seite der Bucht geht es zu den berühmten Klippen von Sant’Andrea. Die flachen Felsen aus Granit fallen sanft ins Meer ab, das im gesamten Mittelmeerraum an nur wenigen Stellen so klar ist wie hier.

Ende der 50er-Jahre kamen die ersten Deutschen in die Bucht

Die Ureinwohner von Capo Sant’Andrea haben vieles richtig gemacht, um den Charme ihres Örtchens zu bewahren. Die Familiengeschichte der Anselmis vom Hotel Gallo Nero ist beispielhaft für das fast aller Hoteliers hier. Einst Wein- und Gemüsebauern, lebten sie ein einfaches Leben. Selten fanden Fremde den Weg von der großen Straße oben hinunter in die Bucht. Ganz zu Beginn der 50er Jahre ändert sich das. Eines Tages, so erinnert sich der Senior Loreano Anselmi, klopfte ein junger Mensch mit einem Rucksack an der Tür. „Un tedesco“ – ein Deutscher – sagt er und zwinkert vielsagend. Der Fremde bekam ein Bett, ein leckeres Essen und natürlich den Rotwein aus der für Elba so typischen Procanico-Rebe. Im Jahr darauf kam er wieder und brachte Freunde mit.

Mann an einem Zaun, hinter ihm das Meer.
Aus dem Weinberg seiner Familie hat Loreano Anselmi einen weitläufigen Paradiesgarten mit Blick auf die Bucht von Sant’Andrea an der Nordwestküste Elbas geschaffen. Foto: Sibylle Kranich

Die Anselmis und die anderen Bauern sahen schnell, dass es im Tourismus mehr zu verdienen gab als mit der Landwirtschaft. 1952 begannen sie mit dem Bau des Hotels. Die 15.000 Quadratmeter landwirtschaftliche Nutzfläche am Steilhang verwandelten sie in ein blühendes Gartenparadies, durch das heute ein Pfad direkt zum Strand in der Bucht führt. Als Mitte der 70er Jahre die Investoren aus Mailand auf den Tourismuszug aufspringen wollte, sagten die Hoteliers gemeinschaftlich „no“.

Der Massentourismus musste draußen bleiben. Die süße Schläfrigkeit des Ortes blieb. Nicht, dass es keine Abwechslung gäbe. Andrea Romario, der Inhaber der örtlichen Tauchschule zum Beispiel, entführt die Besucher von Sant’Andrea gern in die Unterwasserwelten vor der Bucht. Wer sich an Land wohler fühlt, für den eröffnet sich im Hinterland ein ganzes Labyrinth an Wanderwegen. Kleine Pfade, die sich steil und kurvig, über Stock und Stein durch die typischen immergrünen Gebüsche der Macchia ziehen. Oben geben Pflanzen und Felsen immer mal wieder den Blick aufs Meer frei. Und auf das kleine Sant’Andrea – die Insel in der Insel.

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