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Erinnerungen an Sowjetzeiten

TV-Panne bei Putin-Auftritt: Warum der Kreml-Herrscher „Schwanensee“ fürchten muss

Die TV-Übertragung von einem Auftritt des Kremlchefs Wladimir Putin in Moskau wurde am Freitag überraschend abgebrochen. Manche Russen dürften da an das sowjetische Ballett „Schwanensee“ gedacht haben.

Wladimir Putin hält am achten Jahrestag der Einverleibung der Halbinsel Krim eine Rede in Moskau.
Wladimir Putin hielt am achten Jahrestag der Einverleibung der Halbinsel Krim eine Rede in Moskau - doch dabei kam es laut Kreml zu einer Panne, die Russen an Sowjetzeiten erinnern dürfte. Foto: Sergei Guneyev/Pool Sputnik/AP/dpa

Die Übertragung eines Auftritts des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Staatsfernsehen ist nach Kreml-Angaben wegen technischer Probleme unterbrochen worden. Es habe eine Panne auf einem Server gegeben, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag. Wenig später wurde die Rede in voller Länge im TV-Kanal Rossija 24 gezeigt. Wie es zu der mutmaßlichen Panne kommen konnte, war unklar.

Das Staatsfernsehen hatte zuvor live eine Show aus dem Luschniki-Stadion in Moskau mit Zehntausenden Zuschauern gezeigt. Nach einem Konzert trat Putin auf die Bühne. Kurz nachdem er mit dem Reden begonnen hatte, brach die Übertragung jedoch ab. Stattdessen wurden aufgezeichnete Bilder von Reden und Konzertauftritten gezeigt.

Abrupte Änderungen im TV wecken Erinnerungen an Sowjetzeiten

In Russland haben viele Menschen derart unerwartete Wechsel im Fernsehprogramm in unguter Erinnerung. Besonders die älteren Generationen, die in der Sowjetzeit eine wichtige Lektion gelernt haben: Wann immer das totalitäre Staatssystem erschüttert wurde, etwa durch das Ableben eines Generalsekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei oder durch einen Putsch, brachte das sofort den TV-Sendeplan durcheinander.

Wer eine Tiersendung schaute oder eine Sportübertragung genoss und im nächsten Augenblick auf seinem Bildschirm eine Szene aus dem Ballett „Der Schwanensee“ sah, hatte keine Fragen und konnte sich mit großer Zuverlässigkeit auf einige Tage voller Trauer, Tränen und Trubel um die Nachbesetzung des vakanten Chefpostens im Politbüro einstellen. Das besondere dabei war, dass Tschaikowskis Meisterwerk nicht etwa nur einmal gezeigt wurde, sondern ganztägig, quasi in Dauerschleife.

„Schwanensee“ drei Tage nonstop im Fernsehen

Einen Rekord stellten die Putschisten gegen Michail Gorbatschow auf, die vom 19. bis 21. August 1991 die den Klassiker mit Unterbrechungen nur für Nachrichtensendungen drei Tage lang nonstop senden ließen, bis der Staatsumsturz scheiterte.

Doch warum der „Schwanensee“? Das erstmals im Jahr 1877 im Bolschoi-Theater aufgeführte, romantische Liebesdrama passte nach der Vorstellung der Staatsführung wohl besonders gut zu der Atmosphäre im Land, die tragisch und gleichzeitig erhaben zu sein hatte.

Die märchenhafte Handlung lieferte wohl den perfekten Kontrast zur düsteren Realität in der kommunistischen Atommacht, die Abschied vom jeweiligen Diktator nehmen musste und dabei den kapitalistischen Feinden gegenüber keine Schwäche zeigen durfte.

Den „Schwanensee“ kannte in der Sowjetunion jedes Kind. Damit war das vertraute Werk Tschaikowkis in einer Notlage als universeller Ersatz für sämtliche Sendungen besonders gut geeignet. Die schaurige TV-Tradition starb zusammen mit dem Staat, der sie über viele Jahre gepflegt hat. Beim Tod des russischen Präsidenten Boris Jelzin 2007 blieb seinen Landsleuten eine abermalige Betrachtung der auf der Bühne tanzenden Schwäne erspart.

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