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Filmkritik „Matrix Resurrections“

Warum der neue „Matrix“-Film überraschend gut gelungen ist

Müssen erfolgreiche Filmreihen immer weiter fortgesetzt werden? Nicht unbedingt. Der vierte „Matrix“-Film allerdings nutzt die üblichen Franchise-Fallen sehr unterhaltsam für neue Impulse.

Carrie-Anne Moss als Trinity und Keanu Reeves als Neo in einer Szene des Films «Matrix 4 - Resurrections" (undatierte Filmszene). «Matrix 4» ist die von Fans mit Spannung erwartete Fortsetzung der rund 20 Jahre alten «Matrix»-Trilogie und soll kurz vor Weihnachten in die Kinos kommen. +++ dpa-Bildfunk +++
Carrie-Anne Moss als Trinity und Keanu Reeves als Neo prägten bereits die Matrix-Trilogie – bis zu ihrem Tod im letzten Teil. Dennoch begegnen sie sich in „Matrix 4 - Resurrections“ erneut. Foto: dpa/Warner Bros./Village Roadshow Films

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Auch in Filmreihen. Wer heute zwischen, sagen wir mal, 40 und 60 ist und nicht zeitlebens das Kino ignoriert hat, der hat gute Chancen, 1999 am eigenen Leib gespürt zu haben, wie das visionäre Werk „The Matrix“ damals dem Publikum den Bogen unter den Füßen wegzog.

Bahnbrechend war dabei weniger die Grundidee, dass sich das Leben der Hauptfigur als Simulation entpuppt, sondern die Ausführung: Dass diese Simulation ziemlich exakt der westlichen Großstadtrealität von 1999 entsprach, warf auch nach dem Kinobesuch nachhallende Fragen auf. Und die revolutionären Actioneffekte wie die Beschleunigung und Verlangsamung von Bewegungsabläufen taten ihr Übriges, um „The Matrix“ unvergesslich zu machen.

In dem 2003 nachgelegten Fortsetzungs-Doppelpack „Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“ wurde der thematische Tiefgang dann von schwülstiger Schwurbelei und die atemberaubende Action von dröhnendem Dauergeballer abgelöst. Immerhin: Mit dem selbstlosen Opfertod der beiden Hauptfiguren Trinity (Ann-Carrie Moss) und Neo (Keanu Reeves) schien die Geschichte abgeschlossen zu sein.

„Matrix Resurrections“: Neues Kapitel statt fader Neuaufguss

Trotzdem gibt es nun, 18 Jahre später, eine weitere Fortsetzung namens „Matrix Resurrections“. Das legt den Verdacht nahe, dass man hier versucht, auf den Trend der Remakes und Reboots aufzuspringen. Doch Regisseurin Lana Wachowski schlägt gemeinsam mit ihren Drehbuchkollegen Aleksandar Hemon und David Mitchell tatsächlich ein neues Kapitel auf.

Bewusster Einsatz von Zitaten aus der „Matrix“-Trilogie

Und zwar nicht trotz, sondern gerade durch den bewussten Einsatz zahlreicher Zitate und Querverweise auf die bekannte Trilogie. Denn anders als beispielsweise im „Star Wars“-Kosmos, wo für eine Neuauflage („Das Erwachen der Macht“, 2015) mehr oder weniger der erste Film („Eine neue Hoffnung“, 1977) mit neuem Personal nochmal erzählt wurde, werden hier bekannte Motive eingesetzt, um etwas Neues zu erzählen und die Geschichte tatsächlich weiterzubringen.

Wer einst während der martialischen Kampfszenen von „Matrix Revolutions“ dringend hoffte, eine erneute Storywendung möge diesen sinnfreien Krawumms als Videospiel für Testosteron-Junkies entlarven, wird vor allem an den ersten 30 Minuten seinen Spaß haben.

Denn hier verschafft der Film seinem Protagonisten Neo einen Neustart in dessen „bürgerlicher“ Identität Thomas Anderson. Im ersten „Matrix“-Film von 1999 war Anderson ein genialer Hacker. Nun begegnen wir ihm als Schöpfer von Computerspielen, der 1999 für ein höchst erfolgreiches Spiel ausgezeichnet wurde, das er nun auf Anordnung seines Arbeitgebers fortsetzen soll. Der Titel des Spiels: „The Matrix“.

Neuer Impuls für Hollywood-Gewohnheiten

Es ist ein pures Kinovergnügen, wie auf Basis dieser Meta-Situation die ikonischen Szenen vor allem des ersten Films sowohl neu abgefeiert als auch ironisiert werden – etwa wenn eine schwarze Katze auftritt, die auf den Namen Déjà-vu hört. Doch unter dem Deckmantel der Wohlfühl-Nostalgie krempelt Lana Wachowsky erneut Gewohnheiten im Filmgeschäft um.

Denn Liebesfilme mit Hauptdarstellern jenseits der 50 gab es es im Mainstreamkino bislang höchst selten. Und wohl noch nie im Gewand eines furiosen Actionfilms.

Kern des „Matrix“-Actionfilms ist eine Ü50-Lovestory

Im Kern nämlich ist dieser vierte „Matrix“-Streifen eine Liebesgeschichte. Und mindestens so faszinierend wie die erneut fulminanten Martial-Arts-Choreografien ist es, wie Keanu Reeves (57) und Carrie-Anne Moss (54) ihre Figuren nach zwei Jahrzehnten einander neu begegnen lassen: als ausgebrannter Computernerd und als gestresste Mutter und Ehefrau, die sich flüchtig in einem Café kennenlernen und sich zueinander hingezogen fühlen, ohne erklären zu können, warum.

Ein Ende mit dem Zauber eines Anfangs

Keanu Reeves mag nicht gerade als Charakterdarsteller gelten. Aber er sagt den klischeehaft-kitschigen Satz „Nach unserer Begegnung wurde mir klar, dass mein Leben bisher kein Leben war“ so glaubhaft, dass dieses Geständnis den ganzen darauf folgenden Wirbel des Films trägt – bis hin zu einem Ende, das den Zauber eines Anfangs in sich trägt.

Man mag es wertkonservativ finden, wenn sich eine einst um die ganz großen Weltentwürfe drehende Geschichte nun auf die gute alte Zweierbeziehung fokussiert. Doch der Film ist schlau genug, auch das zu reflektieren. An einer markanten Stelle wird über das System der neuen Matrix erklärt, dass sich Menschen nun mal viel leichter über Gefühle lenken lassen als über Fakten.

Film legt seinen Mechanismus offen

Damit legt der Film seinen eigenen Mechanismus offen – und der Clou ist, dass er trotzdem seine Wirkung entfaltet und somit den Satz bestätigt. Womit auch der jüngste „Matrix“-Film eine zeitgemäße Frage aufwirft, die nach dem Kinobesuch nachhallt: Was wird aus den Menschen, wenn Maschinen ihre Gefühle berechnen können?

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