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Wahl an einem ungewöhnlichen Ort

Die größte Bundesversammlung aller Zeiten wählt am Sonntag den Bundespräsidenten

736 Abgeordnete des Deutschen Bundestags und 736 Vertreter der 16 Bundesländer wählen am Sonntag den Bundespräsidenten. Wegen Corona findet die Wahl nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes statt. Beim Wahlakt dürfte es allerdings keine Überraschung geben.

Pul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags in Berlin
Ungewöhnlicher Ort: Nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus findet am Sonntag die Wahl des Bundespräsidenten statt. Foto: Martin Ferber

Viel haben der als „Astro-Alex“ bekannte Astronaut Alexander Gerst, Fußball-Bundestrainer Hans-Dieter („Hansi“) Flick, der Trainer des SC Freiburg, Christian Streich, die Schauspielerinnen Sibel Kekilli und Astrid Fünderich sowie der Unternehmer Hans Peter Stihl im normalen Leben nicht miteinander zu tun, außer dass sie alle aus Baden-Württemberg stammen.

Dennoch haben sie eines gemeinsam: Am kommenden Sonntag, 13. Februar, wählen sie im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags den neuen Bundespräsidenten.

Grüne, CDU, SPD und FDP im Stuttgarter Landtag haben diese in Baden-Württemberg lebenden Prominenten zu Mitgliedern der Bundesversammlung gewählt. Die AfD verzichtete als einzige Partei darauf, neben den Landtagsabgeordneten Persönlichkeiten aus Sport, Kultur, Wirtschaft oder anderen Bereichen des öffentlichen Lebens zu nominieren.

SPD, Grüne, FDP, CDU und CSU unterstützen Frank-Walter Steinmeier

Haushoher Favorit der Wahl ist Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier, der nicht nur von den regierenden Parteien der Ampelkoalition, sondern auch von CDU und CSU unterstützt wird. Die Linke stellte den Mainzer Notfallarzt und Professor für Sozialmedizin/Sozialpsychiatrie, Gerhard Trabert, auf.

Für die AfD tritt der frühere Chef der konservativen Werteunion, Max Otte, an, der wegen dieser Kandidatur aus der CDU ausgeschlossen wurde. Und die Freien Wähler nominierten die brandenburgische Physikerin Stefanie Gebauer. Steinmeiers erste Amtszeit endet am 18. März.

Der Bundesversammlung gehören die 736 Mitglieder des Deutschen Bundestages und noch einmal so viele von den 16 Landtagen gewählte Repräsentanten der Bundesländer an. Mit 1.472 Mitgliedern ist sie so groß wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik – Konsequenz der Rekordzahl an Bundestagsabgeordneten nach der Bundestagswahl im September.

Wegen Corona findet die Wahl des Bundespräsidenten erstmals nicht im Plenarsaal des Reichstags statt

Damit die Wahl des Bundespräsidenten wegen der Corona-Pandemie nicht zu einem Super-Spreader-Ereignis wird, hat sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) als Präsidentin der Bundesversammlung zu einem ungewöhnlichen Schritt entschieden.

Die Wahl findet nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes statt, wo seit der Wiedervereinigung alle Staatsoberhäupter gewählt wurden, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, in dem alle Bundestagsausschüsse ihre Sitzungssäle haben.

Die 1.472 Wahlfrauen und –männer werden dort auf die große Freifläche im Erdgeschoss sowie auf alle fünf Ebenen einschließlich mehrerer Sitzungssäle verteilt. Auf Monitoren können sie den Wahlgang verfolgen. Eine freie Platzwahl gibt es nicht, die Plätze werden zugewiesen, das Tragen einer FFP2-Maske ist Pflicht.

Zudem müssen sich alle Mitglieder vor der Wahl in einem Testzentrum mit 14 Teststrecken auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude auf Corona testen lassen. Der Impfstatus spielt im Gegensatz zu den regulären Sitzungen des Bundestags keine Rolle, auch ungeimpfte Delegierte dürfen an der Wahl teilnehmen. Für alle Fälle haben die Länder insgesamt 99 Ersatzdelegierte bestimmt, die im Falle eines positiven Testergebnisses eines Delegierten einspringen können.

Wählbar ist jeder Deutsche, der (...) das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.
Grundgesetz Artikel 54, Satz 1

Die Wahl selbst verläuft unspektakulär. „Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt“, heißt es lapidar in Artikel 54, Satz 1 des Grundgesetzes. „Wählbar ist jeder Deutsche, der das Wahlrecht zum Bundestage besitzt und das vierzigste Lebensjahr vollendet hat.“ Rein theoretisch können noch während der Versammlung Kandidatinnen und Kandidaten vorgeschlagen werden.

737 Stimmen werden für die sofortige Wahl benötigt

Nach einer kurzen Rede von Bärbel Bas rufen die Schriftführerinnen und Schriftführer die Mitglieder der Bundesversammlung in alphabetischer Reihenfolge auf, gewählt wird schriftlich in geheimer Wahl. Nach Artikel 54, Satz 6 ist gewählt, „wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“.

Dies wären am Sonntag 737 Stimmen. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, reicht in einem dritten Wahlgang die einfache Mehrheit. Eine kurze Ansprache des Gewählten beendet die Versammlung.

Dreimal waren bislang drei Wahlgänge für das Amt des Bundespräsidenten nötig

Drei Wahlgänge waren in der Vergangenheit dreimal nötig. Der erste Sozialdemokrat im höchsten Amt, Gustav Heinemann, benötigte 1969 ebenso drei Durchgänge wie die Christdemokraten Roman Herzog 1994 und Christian Wulff 2010.

Im zweiten Wahlgang wurden der erste Bundespräsident der Bundesrepublik, der Liberale Theodor Heuss, im Jahr 1949, sein Nachfolger Heinrich Lübke von der CDU 1959 und der Sozialdemokrat Johannes Rau 1999 gewählt. Frank-Walter Steinmeier schaffte es vor fünf Jahren als gemeinsamer Kandidat von CDU, CSU und SPD bereits im ersten Durchgang.

Auch Christian Drosten, Leon Goretzka und Roland Kaiser wählen mit

Zu den prominenten Mitgliedern der Bundesversammlung, die nicht mehr Mitglied des Bundestags oder eines Landtags sind, gehören unter anderem Altkanzlerin Angela Merkel, der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie zahlreiche frühere Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten wie Edmund Stoiber und Horst Seehofer aus Bayern, Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen, Eberhard Diepgen und Matthias Platzeck aus Berlin und Brandenburg sowie Bernhard Vogel, Dieter Althaus und Christine Lieberknecht aus Thüringen.

Zudem wurden unter anderem der Virologe Christian Drosten, Biontech-Gründerin Özlem Türeci, Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List, Fußball-Nationalspieler Leon Goretzka, der Pianist Igor Levit, der Schlagersänger Roland Kaiser oder der Entertainer Bernd Stelter in das Wahlgremium berufen.

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