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Entscheidende Tage der Verhandlungen

Im Brexit-Finale heißt es: Butter bei die Fische

Großbritannien ist reich an Fisch. Seit Jahren fühlen sich die Inselbewohner jedoch benachteiligt, weil andere EU-Nationen mehr Fisch aus ihren Gewässern herausholen als umgekehrt. Die Fangquoten wurden zu einem der Haupthindernisse bei den Brexit-Verhandlungen.

Kampfansage an die EU: Britischer Premier Boris Johnson posiert auf einem Markt in der nordenglischen Hafenstadt Grimsby mit einem Fisch, um die Bedeutung der Fischerei für sein Land zu unterstreichen.
Kampfansage an die EU: Britischer Premier Boris Johnson posiert auf einem Markt in der nordenglischen Hafenstadt Grimsby mit einem Fisch, um die Bedeutung der Fischerei für sein Land zu unterstreichen. Foto: BEN STANSALL AFP

Es war eine Aktion ganz nach dem britischen Geschmack. Ein Dutzend Fischer gegen die EU, der Underdog zeigt es dem großen Gegner. Im April 2018 lief eine Flottille aus Kuttern aus dem Hafen von Portsmouth hinaus in den Ärmelkanal, um die britische Souveränität zu verteidigen. In dem kalten Nieselregen tröteten die Männer stoisch ihren Protest in Richtung Frankreich herüber. Sie hielten Schilder mit der Aufschrift: „Rettet unsere Fischindustrie“ in die Höhe. Europa hätte gewarnt sein müssen.

Denn zweieinhalb Jahre später geht es auf der Zielgeraden des Brexit-Marathons unter anderem um den Fisch. Der festgefahrene Streit um Fangquoten für Hering und Scholle hat noch so viel Konfliktpotenzial, dass er die Gespräche um die künftigen Handelsbeziehungen des Königreichs mit dem Rest des Kontinents zum Scheitern bringen könnte. Zu den Betroffenen würden im Fall eines ungeregelten Brexits ab 1. Januar 2021 auch deutsche Fischer zählen.

Eine Staatsangehörigkeit für Makrelen

Ende 2019 ließ sich der britische Premier Boris Johnson auf dem Fischmarkt der englischen Hafenstadt Grimsby mit einem glitschigen Dorsch fotografieren. Später twitterte er das Bild, verbunden mit einer Kampfansage an die EU: „Wir werden die Kontrolle zurückholen“.

Das Königreich will nach dem Brexit den Zugang für EU-Fischer in eigene Gewässer nach dem Austritt begrenzen. Fangquoten sollen von Jahr zu Jahr neu ausgehandelt werden. Zudem soll nach den britischen Vorstellungen den Fischen quasi eine Staatsangehörigkeit zugewiesen werden, damit die heimische Flotte besser zum Zug kommt. Brüssel vertritt dagegen die Linie, dass alles beim Alten bleiben soll.

Die „Gemeinsame Fischereipolitik“ der EU bereitet den Inselbewohnern schon lange Kummer. Danach ist der Fischfang in den Hoheitsgewässern anderer Mitgliedsstaaten erlaubt – allerdings nach strengen Regeln. Damit es nicht zur Überfischung kommt, handeln die Länder jedes Jahr „zulässige Gesamtfangmengen“ aus. Diese werden nach einem festen Schlüssel verteilt, der die Fangzusammensetzung der EU-Flotten Mitte der 70er-Jahre widerspiegelt. Die Staaten verteilen dann die nationalen Quoten innerhalb des eigenen Fischereisektors.

Wir erlauben künftig den Zugang für andere Länder nach unseren Regeln.
Michael Gove, Minister in London

Großbritannien fühlt sich durch dieses System benachteiligt. Nach Londoner Angaben holen die EU-Mitbewerber jährlich 700.000 Tonnen Fisch aus britischen Gewässern heraus. Das sei siebenmal mehr als die britischen Kutter aus den Küstengewässern der Nachbarstaaten heimbringen würden, heißt es. „Wir erlauben künftig den Zugang für andere Länder nach unseren Regeln“, drohte kürzlich im Parlament Kabinettsminister Michael Gove.

Nach internationalem Recht kann Großbritannien einen Bereich bis zu 200 Seemeilen um seine Küsten als Wirtschaftszone beanspruchen – dazu zählen ausgerechnet die fischreichsten Gebiete der Nordsee. Die von den Briten geforderte „zonale Zuordnung“ ist jedoch für die Europäer inakzeptabel.

Sie soll die Bestände einzelnen Ländern zuteilen, indem berücksichtigt wird, wo die Fische den Großteil ihres Lebens verbringen. Für viele Arten dürften das britische Gewässer sein. Auch ein Großteil der Makrelen und Heringe, die von deutschen Hochseefischern gefangen werden, kommt aus der Nähe von Schottland.

Europäer drohen mit einem Importstopp für britischen Fisch

In den Verhandlungen mit London kämpft die EU mit harten Bandagen – auf dem Tisch liegt eine Androhung eines Importstopps für britischen Fisch nach einem „harten“ Brexit. Das würde dem Königreich wehtun: Der größte Teil des jährlichen Fischhandels im Wert von 1,79 Milliarden Euro wird noch mit der EU abgewickelt. Bislang bleibt der EU-Chefunterhändler Michel Barnier bei seiner Linie: Einen Handelsdeal werde es nicht ohne Einigung beim Fisch geben.

Bis zur Monatsmitte soll entschieden werden, ob die Gespräche über einen Handelspakt nach neun Runden überhaupt noch weitergeführt werden. Ende September hieß es in London, dass Johnson eine Übergangsphase für die Fischerei bis 2024 vorschlagen wolle. Die Reaktion aus Brüssel lautete: „Die schwierigen Themen sind noch komplett offen“.

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