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Viele Ältere sind überfordert

Senioren brauchen in der Online-Welt endlich systematische Hilfe vom Staat

Zu Recht sind ältere Menschen verärgert, wenn Firmen und Behörden nur noch übers Internet erreichbar sind. Völlig zurückdrehen lässt sich diese Entwicklung nicht – aber Verbesserungen sind bitter nötig.

Eine Seniorin versendet Nachrichten über ein Smartphone.
Senioren am Smartphone: Dieser Anblick wird immer selbstverständlicher – allerdings werden auch in Zukunft Millionen von Menschen Hilfe brauchen, wenn sie ihre Angelegenheiten online erledigen sollen. Der Staat muss endlich ein systematisches Hilfesystem anbieten. Foto: Sina Schuldt/dpa

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein Sportschuh-Hersteller, der bei Jugendlichen hoch im Kurs steht, würde sein neues Sortiment vorstellen – aber die Teenager könnten nur neue Schuhe kaufen, wenn sie zuerst per Postkarte den Katalog anfordern. Spottgelächter wäre der Firma gewiss. Sie würde Scharen von Kunden vergraulen, weil Teenager nun einmal fast alles online erledigen. Ähnlich unpassend finden viele Senioren das Verhalten von Unternehmen und Behörden ihnen gegenüber: Selbst Hochbetagte werden gezwungen, ihre Angelegenheiten online abzuwickeln – was viele überfordert. Verständlicherweise empfinden die Betroffenen dies als kaltherzig. Zur Wahrheit gehört aber auch: Einen großen Befreiungsschlag kann ihnen niemand versprechen.

Senioren sind eine finanzkräftige Kundengruppe – aber der Kostendruck auf Firmen ist hoch

Ein Zurück zu alten Zeiten am Kundentresen wird es nicht geben, so traurig das sein mag. Einerseits sind Senioren eine mächtige Kundengruppe, ja. Sie besitzen deutlich mehr Vermögen als junge Leute, zumindest im statistischen Durchschnitt. Sie erwarten zu Recht, dass sie respektiert und auch umworben werden. Ihr Ärger über abgesperrte Bankfilialen und über Endlos-Telefonschleifen ist nachvollziehbar, auch der Frust über Fahrkartenautomaten und über Internet-Seiten, die schwer zu bedienen sind. Doch andererseits ist der Druck durch hohe Lohnkosten und den Fachkräftemangel in der freien Wirtschaft einfach extrem hoch.

Mehr guter Wille ist gefragt

Hinzu kommt: Immer mehr Senioren kommen in der Internet-Welt zurecht. Sogar 90-Jährige starten Video-Chats, viele über 80-Jährige kaufen und überweisen online. Die Gruppe der „Offliner“ ohne Internet-Zugang schrumpft. Auch ältere Menschen sollten sich im eigenen Interesse darum bemühen, den Anschluss und die Selbstständigkeit nicht ganz zu verlieren. Dass sich Firmen und Behörden allerdings darauf ausruhen, ist falsch. Denn es wird immer Menschen geben, die bei der rasanten technischen Entwicklung einfach nicht mithalten können. Mehr guter Wille und mehr Fantasie ist deshalb gefragt.

Manches Online-Verfahren ist auch sprachlich verwirrend: Testet das niemand?

Viele Verbesserungen würden sogar wenig kosten würden: Eine laienverständliche Sprache und Musterbeispiele auf Online-Portalen sollten selbstverständlich sein. Bei manchen verwirrenden Online-Antragsverfahren fragt man sich verwundert: Hat das niemand an Normalverbrauchern getestet? Und so einige Unternehmen könnte zumindest kleine Zeitfenster für persönliche Kundenanfragen öffnen.

Die Gleichgültigkeit mancher Behörden ist unglaublich

Einen aber kann niemand aus der Verantwortung entlassen: Vater Staat. Er muss dafür sorgen, dass alle Bürger ihre Pflichten erfüllen und ihre Rechte wahrnehmen können, auch wenn sie nicht fit am Computer sind. Die Gleichgültigkeit mancher Behörden ist unglaublich: Finanzämter, die keine Lust hatten, Papierformulare für die Grundsteuererklärung auszulegen. Ministerien, die nur widerwillig Service-Telefone für Ältere einrichten – während andere Zielgruppe mit teuren Imagekampagnen umworben werden.

Hier muss endlich ein systematisches Hilfsangebot her – damit es nicht allein vom Engagement netter ehrenamtlicher Senioren-Berater abhängt, ob alte Menschen sich in dieser Gesellschaft noch zurechtfinden.

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