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Seismografen für Mond und Mars

KIT-Forscher tüfteln in 170 Metern Tiefe an Geräten für die Raumfahrt

Seismografen für Missionen auf dem Mars und dem Mond testen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit schwäbischen Kollegen in einem Schwarzwaldstollen, der 170 Meter unter der Erde liegt.

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IN ANKNÜPFUNG AN DIE FORSCHUNG DER APOLLO-MISSIONEN wird im Stollen des Geowissenschaftlichen Gemeinschaftslaboratoriums Schiltach (BFO) der Prototyp eines Seismometers für Einsätze auf Mond und Mars getestet. Foto: Ph. Labrot, IPGP, Paris Foto: None
Von unserem Mitarbeiter Ekart Kinkel

Rund 700 Meter lang gräbt sich der Stollen eines ehemaligen Erzbergwerks seinen Weg durch das Granitgestein des Schwarzwalds. Am Ende dieses Weges befinden sich die Besucher etwa 170 Meter tief unter der Erdoberfläche. Hier betreiben Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Stuttgarter Kollegen eine Forschung, die auch der Raumfahrt dient.

Ideale Bedingungen unter Tage

Für ängstlichere Menschen stellt der dunkle Stollen in der Nähe des Ortes Schiltach eine Bedrohung dar, zudem muss man bis zum Endpunkt noch zwei Druckschleusen passieren. Für Rudolf Widmer-Schnidrig ist die hermetisch abgesicherte Abgeschiedenheit der ideale Platz für seismografische Experimente.

„Hier herrscht eine unglaubliche Ruhe, und es gibt nur sehr wenige Nebengeräusche“, sagt der Wissenschaftler des Geowissenschaftlichen Gemeinschaftslaboratoriums Schiltach (BFO). Und die Ruhe in der vom KIT und der Universität Stuttgart gemeinsam betriebenen Einrichtung ist für die Wissenschaftler eine wichtige Grundvoraussetzung für ihre tägliche Arbeit. Denn tief im Schwarzwald werden unter anderem hochempfindliche Seismometer geprüft und getestet.

600 Kilometer entfernte Wellen zu spüren

„Nebengeräusche würden unsere Ergebnisse verwässern“, weiß der Geophysiker der Uni Stuttgart. Störende Einflüsse können aber in dem früheren Bergwerkstollen nicht komplett ausgeblendet werden, und die hochsensiblen Messinstrumente schlagen sogar wegen der Meeresbrandung an der über 600 Kilometer entfernten Atlantikküste aus. „Wenn der Atlantik nach dem Auftreffen der Wellen auf der Küste für 20 Sekunden ruhig ist, herrschen aber die optimalen Bedingungen für unsere Messungen“, weiß Widmer-Schnidrig.

Trotz des abgeschiedenen Standorts in den Höhenlagen des bekanntesten deutschen Mittelgebirges sind die guten Bedingungen und das Expertenwissen im BFO weltweit bekannt. Vor sieben Jahren testete die badisch-schwäbische Gemeinschaftseinrichtung deshalb bereits die Prototypen eines Seismometers für den Einsatz auf dem Mars und auf dem Mond. Die seismische Untersuchung von Himmelskörpern hat in der internationalen Raumfahrt eine lange Tradition.

Schon Buzz Aldrin startete Experiment zu Mondbeben

Bereits bei der Apollo-11-Mission führte Astronaut Buzz Aldrin ein passives seismisches Experiment durch. Bei den Apollo-Missionen 12, 14, 15 und 16 wurden vier Seismometer auf der Mondoberfläche zurückgelassen. Diese Geräte lieferten den Wissenschaftlern wichtige Erkenntnisse über die tektonischen Aktivitäten des Mondes. In den Jahren 1969 bis 1977 wurden dadurch insgesamt 28 Mondbeben – ausgelöst durch Asteroideneinschläge und Plattenverschiebungen – nachgewiesen.

Weil die damaligen Messungen Hinweise auf sehr junge Bruchzonen lieferten und der Mond höchstwahrscheinlich auch heute noch tektonisch aktiv ist, ist seit einigen Jahren die Entsendung eines neuen Seismometers auf den Erdtrabanten geplant.

Neues Gerät für Mars-Mission konzipiert

Der im BFO geprüfte, sehr breitbandige Seismometer namens VBB (Very Broad Band) wurde von den Wissenschaftlern am Pariser Institut de Physique du Globe in einem Gemeinschaftsprojekt mit der ETH Zurich und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung für den Einsatz bei der InSight-Mission zur Erforschung des Mars konzipiert.

Seit dem 26. November 2018 sendet er quasi rund um die Uhr Daten vom roten Planeten. Dadurch wollen die Wissenschaftler Erkenntnisse über das Wetter auf dem Mars sowie die innere Struktur des Planeten erhalten.

Welche Rolle spielen die Monde Phobos und Deimos auf den Mars?

Außerdem soll der Einfluss der beiden Monde Phobos und Deimos auf die Marsoberfläche erforscht werden. „Um die Bedingungen auf dem Mars zu simulieren, werden solche Geräte üblicherweise vorher noch in der Wüste getestet. Dort gibt es schließlich auch viel Wind und große Hitze“, so Widmer-Schnidrig.

Die bei der Marsmission tatsächlich eingesetzten sechs Seismometer wurden allerdings vorher aus Sicherheitsgründen weder in die Wüste noch in den Schwarzwald gebracht. Dafür fuhr Widmer-Schnidrig mit einem Prototypen von Schiltach nach Toulouse, um die Testergebnisse aus dem Stollenprüfstand mit einem Messgerät im französischen Reinraum-Laboratorium abzugleichen.

Japanische Pläne auf Eis gelegt

Eigentlich sollten die Seismometer auch bei der japanischen Mondmission Selene 2 zur Messung der tektonischen Aktivität auf dem Mond eingesetzt werden. Doch einige Monate nach dem Tohuku-Erdbeben in Japan, das 2011 auch die Reaktorkatastrophe von Fukushima auslöste, wurden die Gelder für diese Mission zurückgezogen und das Projekt auf Eis gelegt. Ganz vom Tisch ist die Reise eines im Schwarzwald getesteten Seismometers zum Mond deshalb allerdings noch lange nicht.

Neue ESA-Beteiligung denkbar

Derzeit werden laut Widmer-Schnidrig die Möglichkeiten von zwei Mondmissionen mit Beteiligung der europäischen Weltraumagentur ESA abgesteckt, und das Thema könnte bis Ende des Jahres wieder an Dynamik gewinnen. „Wenn dabei ein Seismometer als Nutzlast mitgenommen wird, stehen die Chancen auf eine Prüfung dieses Geräts in unserem Labor sehr gut“, sagt er. Das liege nicht nur an den guten Bedingungen im ehemaligen Erzbergwerk, sondern auch an dem Erfahrungsschatz der Wissenschaftler.

„Wir haben unsere Strukturen seit der Gründung des Laboratoriums vor 48 Jahren sukzessive weiterentwickelt und setzen heute weltweit anerkannte Standards“, sagt Widmer-Schnidrig. Damit können die Forscher beim Buhlen um renommierte Forschungsaufträge auch regelmäßig bei den Geldgebern punkten.

Noch nicht geklärt,
ob Mond einen flüssigen Kern hat

Von der Notwendigkeit einer weiteren Erforschung des Mondes ist der Geophysiker überzeugt. Mit modernster Messtechnik könnten bahnbrechende Erkenntnisse über die Mondstruktur erlangt werden, erklärt Widmer-Schnidrig: „Bislang ist noch nicht endgültig geklärt, ob der Mond einen flüssigen Kern hat.“ Außerdem sei der Mond als nächstgelegener Himmelskörper eine gute Basis für die weitere bemannte Erkundung des Weltraums.

Nicht zuletzt beeinflusst der Mond auch das Leben auf der Erde. Denn nicht nur der Tidenhub auf dem Weltmeeren wird hauptsächlich durch die Gravitation des Mondes ausgelöst. Auch der Schwarzwaldboden rund um das Gemeinschaftsinstitut hebt und senkt sich wegen der Anziehungskraft des Erdtrabanten um etwa einen halben Meter.

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