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Streik am Donnerstag

Warnstreik der Ärzte in Deutschland: Das sind die Gründe, das sind die Auswirkungen

Der Marburger Bund ruft Mediziner zum Streik auf: Es geht um bessere Arbeitsbedingungen. Die Gegenpartei sieht jedoch den Vorwurf als ungerechtfertigt. Ein Karlsruher Klinikarzt gibt einen Einblick in die Realität.

Ruf nach Forderungen: Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ruft am Donnerstag in ganz Deutschland zu einem Streik auf. Eine zentrale Kundgebung soll ab 13 Uhr in Frankfurt am Main am Römerberg stattfinden.
Ruf nach Forderungen: Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ruft am Donnerstag in ganz Deutschland zu einem Streik auf. Eine zentrale Kundgebung soll ab 13 Uhr in Frankfurt am Main am Römerberg stattfinden. Foto: Friso Gentsch/dpa

Kaum Schlaf, wenig Erholung und permanent einsatzbereit: Seit der Corona-Pandemie nehmen die Belastungen für das Klinik-Personal zu. Eine Situation, die für die Ärztegewerkschaft Marburger Bund so nicht weiter tragbar ist. Deshalb ruft sie an diesem Donnerstag, 31. März, bundesweit Ärzte und Ärztinnen in kommunalen Kliniken zu einem ganztägigen Warnstreik auf.

Die zentrale Kundgebung soll am Römerberg in Frankfurt am Main stattfinden. Mit dem Streik reagiert der Marburger Bund auf das Verhalten der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in den Tarifverhandlungen.

„Die Forderungen liegen seit mehr als einem halben Jahr auf dem Tisch, ohne dass die VKA sichtbar um eine Einigung bemüht gewesen wäre“, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung der Gewerkschaft. Bereits vier Verhandlungsrunden und zwei Sondierungsgespräche habe es zwischen den beiden Parteien gegeben.

Marburger Bund fordert klare Regelungen für Bereitschaftsdienste

Etwa 65.000 Ärztinnen und Ärzte in 324 Krankenhäusern und Kliniken sind von der Tarifrunde zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände betroffen. Zu den Forderungen der Ärztegewerkschaft gehört eine Gehaltserhöhung um 5,5 Prozent innerhalb eines Jahres, Grenzen für Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste, sowie freie Wochenenden und geregelte Dienstpläne.

„Unsere Mitglieder erwarten, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Sie fordern klare Grenzen für Dienste in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen – zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Patienten“, sagt Sylvia Ottmüller, Vorsitzende des Marburger Bundes Baden-Württemberg und Mitglied der Verhandlungskommission des Marburger Bundes.

Karlsruher Klinikarzt wünscht sich ein normales Leben

Auch der Karlsruher Klinikarzt Carsten Mohrhardt spricht sich für die Forderungen der Gewerkschaft aus. Er ist selbst als Bezirksvorsitzender des Marburger Bundes in Nordbaden aktiv. Die zunehmende Belastung spürt der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie deutlich. „Es gibt Ärzte und Ärztinnen, die arbeiten drei bis vier Wochenenden hintereinander und das zusätzlich zur normalen Arbeitszeit. Laut Marburger Bund kommt man dabei auf 55 bis 60 Stunden pro Woche“, sagt Mohrhardt.

Im Fokus der Forderungen stehen neben einer finanziellen Anpassung auch die Regelung von Arbeitszeiten. „Die Bereitschaftsdienste sind Dienste, die über die normale Arbeit hinausgehen. Das passiert meistens nachts und am Wochenende. Das ist weder familien- noch freizeittauglich“, beklagt der Arzt den Zustand. Mohrhardt äußert den Wunsch, dass Dienstpläne so gestaltet werden können, dass ein „normales Leben“ geführt werden kann.

Die VKA hingegen sieht sich weiterhin gesprächs- und verhandlungsbereit. „Die heutige Streikankündigung durch die Gewerkschaft Marburger Bund ist für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) nicht hinnehmbar und unangemessen“, heißt es in der Pressemitteilung.

VKA vordert sieben statt der bisherigen vier Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste

„Was uns der Marburger Bund vorwirft, ist nicht zutreffend und an den Haaren herbeigezogen“, sagt Wolfgang Heyl, Verhandlungsführer der VKA. Die VKA hätte demnach im Dezember 2021 den Krankenhäusern eine Corona-Sonderzahlung von 1.200 Euro angeboten. Doch diese hätte die Prämie abgelehnt. „Es hat überraschenderweise viel Aufwand gekostet, die Gewerkschaft in den letzten Sondierungsgesprächen überhaupt von den Vorteilen einer solchen Prämie zu überzeugen“, sagt er weiter.

In den Gesprächen wurden auch die Themen Ruf- und Bereitschaftsdienste sowie freie Wochenenden angesprochen. „Innerhalb eines Jahres sind monatlich im Durchschnitt nur dann mehr als sieben Bereitschaftsdienste zu leisten, wenn die Ärztin oder der Arzt dem zustimmt“, heißt es weiter. Der Marburger Bund fordert jedoch weiterhin eine Begrenzung auf vier Bereitschaftsdienste pro Monat. Nur im ärztlichen Notfall sind mehr Bereitschaftsdienste zulässig.

Wolfgang Heyl versteht die Forderungen der Gewerkschaft nicht, insbesondere angesichts der aktuellen Corona-Infektionszahlen und des Ukraine-Krieges. Denn da sieht er zusätzliche Belastungen durch Verletzte auf die Krankenhäuser zukommen.

Geplante Eingriffe könnten verschoben werden, die Notfallversorgung bleibt aber gesichert

Etwa 80 kommunale Krankenhäuser und Kliniken in Baden-Württemberg sind von dem Warnstreik betroffen. Darunter auch das Städtische Klinikum in Karlsruhe, sowie das Ortenau-Klinikum in Offenburg. „Um den Klinikbetrieb möglichst ohne Beeinträchtigungen sicherstellen zu können, hat das Ortenau-Klinikum, wie auch in der Vergangenheit und wie andere Kliniken auch, eine Notdienstvereinbarung mit dem Marburger Bund abgeschlossen. Die Notfallversorgung ist in jedem Fall gesichert“, sagt ein Sprecher des Ortenau-Klinikums.

Auch am Städtischen Klinikum in Karlsruhe sei eine Notdienstvereinbarung sichergestellt, sodass Notfallbehandlungen und Notoperationen durchgeführt werden können. „Während des Streiks kann es zu Verschiebungen von Behandlungen und Operationen kommen“, sagt Pressesprecherin der Klinik, Petra Geiger. Sie empfiehlt Patienten bei geplanten Eingriffen, mit dem behandelnden Arzt zu sprechen, ob die Operationen stattfinden oder verschoben werden müssen.

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