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Tarifaktion in der Papierindustrie

IG Bergbau, Chemie, Energie will dreistelligen Betrag pro Monat mehr

Die Gewerkschaft IG BCE macht mit einer Aktion bei Koehler in Oberkirch Druck vor der zweiten Verhandlungsrunde der Papierindustrie - und konkretisiert ihre Forderungen.

Frieder Weißenborn bei Aktion der IG BCE bei Koehler in Oberkirch
Mindestens der Inflationsausgleich: die Beschäftigten von Koehler in Oberkirch haben Erwartungen an die nächste Tarifrunde in der Papierindustrie. Foto: Erika Becker

Oberkirch. Dass die Sonne zur Mittagsstunde wegen der partiellen Sonnenfinsternis an diesem Dienstag leicht verdunkelt ist, merkt man in Oberkirch nicht. Es ist sehr hell und fast drückend warm auf dem Parkplatz am Stammsitz der Koehler-Gruppe, als Frieder Weißenborn zum Mikrofon greift.

„Die Papierindustrie ist nicht in der Krise!“, ruft der Verhandlungsführer der Gewerkschaft IG BCE bei der Versammlung vor dem Schichtwechsel.

Sie soll den Positionen der Gewerkschaft vor der zweiten Tarifrunde der Papierindustrie Nachdruck verleihen, die an diesem Mittwoch in Frankfurt am Main und Sulzbach stattfindet. „Die Branche läuft!“, ruft Weißenborn.

Team muss Vorstellungen der Angestellten erfüllen

Der Applaus von rund 300 Koehler-Beschäftigten ist ihm gewiss – ihre Erwartungen auch. Weißenborn und sein Team müssen jetzt Vorstellungen wie die des 25-jährigen Papiertechnologen Kilian Francois oder der Industriekauffrau Jennifer Kunz erfüllen.

„Die Inflationsrate sollte mindestens dabei rauskommen“, sagt Kunz in der Oberkircher Sonne. Und die Schichtzulage sollte noch angepasst werden, findet Francois, der mit 3.190 Euro Gehalt plus 500 bis 800 Euro pro Monat als Schichtzulage bei Koehler nach der Ausbildung in den Beruf gestartet war.

Bedarf an Arbeitskräften in der Branche ist hoch

Leute wie ihn suchen sie händeringend, nicht nur bei Koehler. „Ich spreche mittlerweile nicht mehr von Fachkräftemangel, sondern von Arbeitskräftemangel“, sagt drinnen im Gebäude Olaf Strick, Leiter Personal und Recht bei der Koehler-Gruppe.

Wir sind zuversichtlich, dass die Tarifvertragsparteien ein Ergebnis finden.
Olaf Strick, Leiter Personal und Recht

Der Bedarf sei hoch. Und die Verantwortlichen nehmen wahr, dass die Teuerung Ängste in der Belegschaft auslöst, ihren wirtschaftlichen Status Quo nicht mehr halten zu können.

„Wir sind zuversichtlich, dass die Tarifvertragsparteien ein Ergebnis finden, das die wirtschaftlichen Bedingungen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt“, formuliert Strick salomonisch.

Weitergabe von Preiserhöhungen geht bei Beschäftigten nicht

Aber die energieintensive Branche steht in der Gaskrise vor großen Herausforderungen – auch Koehler ist trotz frühzeitiger und hoher Investitionen in erneuerbare Energien nach eigenen Angaben nicht autark und sieht sich gezwungen, demnächst wieder Preise zu erhöhen.

„Wir sind die letzten in der Kette, wir können keine Preise weitergeben“, sagt hingegen Betriebsratsvorsitzender Thomas Lampart. „Gerade dieses Jahr muss was bei rauskommen.“

Doch in der ersten Runde hätten die Arbeitgeber nur gejammert, meint Weißenborn – wohl nach dem Geschmack der Gewerkschaft etwas zu sehr, um bei diesem Auftakt eine belastbare Basis für die Verhandlungen zu finden.

Mit Blick auf den IG BCE-Bezirk Karlsruhe mit mehreren tausend Beschäftigten in der Papierindustrie ist Weißenborn hingegen voll des Lobes. „Das ist hier der Papierbezirk schlechthin“, schwärmt er, und zu Koehler: „Der Laden stimmt.“ Bei einem Organisationsgrad von 70 Prozent geht dem Gewerkschafter ohnehin das Herz auf.

Abschluss in Chemiebranche zeichnet Weg vor

Der lautlose Erfolg der Chemieverhandlungspartner vor einer Woche gibt auch der Papierindustrie die Richtung vor. 6,5 Prozent in zwei Etappen plus je 1.500 Euro steuerfrei – bezieht man die mit in die Rechnung ein, ist der Abschluss deutlich höher als die Inflationsrate.

Dass das nicht deutlicher kommuniziert wurde, gefällt arbeitgeberseitig nicht jedem. Die IG BCE ist es ohnehin gewohnt, weniger öffentliche Beachtung als die lautstarke IG Metall zu finden. Bislang ist sie mit diesem Stil aber gut gefahren.

Weißenborn will vor dieser zweiten Runde noch keine konkrete Zahlen aus dem Sack lassen. Nur so viel: Ein dreistelliger, einheitlicher Eurobetrag mehr pro Monat soll für alle tabellenwirksam dabei rauskommen, plus die steuer- und abgabenfreien 3.000 Euro, die der Gesetzgeber in der Krise ermöglicht hat.

Die Zulage für die kontinuierliche Schichtarbeit – in der Papierindustrie wird rund um die Uhr und auch an Wochenenden gearbeitet – soll konkret von fünf auf zehn Prozent verdoppelt werden. Die Arbeitgeberseite hat ihr Angebot noch nicht öffentlich gemacht.

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