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Mit Pinzette und Bügeleisen

Pforzheimer Künstler macht Porträts aus Bügelperlen

Wenn man die Bügelperlen-Bilder von Oliver Lemke als Kunstwerke bezeichnet, ist das kein gut gemeintes Lob für einen kleinen Jungen. Was der 37-Jährige an seinem Wohnzimmertisch in Pforzheim herstellt, kann sich sehen und an die Wand hängen lassen.

Oliver Lemke fertigt in seiner Wohnung eine Bügelperlenarbeit in Form eines Totenkopfs an.
Oliver Lemke fertigt in seiner Wohnung eine Bügelperlenarbeit in Form eines Totenkopfs an. Foto: Uli Deck/dpa

Wenn Oliver Lemke das Bügeleisen in die Hand nimmt, ist es einer der heikelsten Momente. „Das Schlimmste ist, wenn ich dann nicht ganz konzentriert bin“, sagt der 37-Jährige. Doch bei ihm geht es nicht um Falten im Hemd, sondern um großformatige Porträts aus mehreren Zehntausend Bügelperlen in Schwarz-Weiß-Optik. Vom verstorbenen Opa über Paare bis zu Haustieren ist alles dabei – hergestellt an Lemkes Wohnzimmertisch in Pforzheim.

Seit vergangenem Jahr vertreibt er die Werke unter dem Namen „Pixelportrait“. Dazu erstellt er Videos, die er auf den Plattformen Instagram und Tiktok veröffentlicht. „Manche gehen richtig durch die Decke, mit Millionen von Klicks“, erzählt er nicht ohne Stolz.

Die Perlen haben einen Durchmesser von 2,6 Millimeter

Wenn man Lemke bei der Arbeit beobachtet, wird klar, wie konzentriert er vorgeht – und dass man gute Nerven und viel Geduld braucht. Mit einer Pinzette pickt er drei Bügelperlen aus Schüsselchen und setzt sie auf die Steckplatte. Dabei arbeitet er meist mit Perlen, die mit 2,6 Millimeter Durchmesser nur in etwa halb so groß sind wie diejenigen, die üblicherweise in Kinderzimmern zu finden sind.

Als Erfinder der Bügelmethode in den 1970er Jahren gilt der Däne Malte Haaning, Gründer der Marke Hama. Zuvor seien Perlen auf Karton oder Kunststoffschalen geklebt worden, heißt es auf der Internetseite zur Firmenhistorie, die mit Trinkhalmen begann. Die Perlen sollen die motorischen Fähigkeiten und die Kreativität von Kindern ab drei Jahren herausfordern und das Konzentrationsvermögen fördern.

Mittlerweile werden Hama-Produkte den Angaben nach weltweit in mehr als 50 Länder exportiert. Auch in Deutschland gibt es die Perlen in zig Farben – mit Glitzer oder Leuchteffekt. Manche sehen einen Hype. Zahlen dazu hat der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie nicht.

Ich studiere das Bild vorher stundenlang.
Oliver Lemke
Künstler

Lemke arbeitet nicht wie andere Bügelperlen-Künstler in dieser Nische nach Steck-Vorlagen. „Ich studiere das Bild vorher stundenlang“, erzählt er. Meist im Original und in Schwarz-Weiß. „Dann weiß ich, was ich betonen muss, wo ich die Highlights setzen muss.“ Bügelperle für Bügelperle setzt er es dann quasi aus dem Kopf zum Porträt zusammen.

Das Ganze ist nicht in Farbe, wie es andere Anbieter machen. „Da trifft man nie den richtigen Hautton“, ist Lemke überzeugt. „Schwarz-Weiß ist zeitloser.“ Er setzt auf eine ganze Palette an Grautönen. Diese sei bei ihm breiter, als sie in Deutschland üblicherweise zu kaufen sei. „Ich bestelle aus Holland und Schweden, sagt der Pforzheimer.

Tiere mit gemustertem Fell sind eine besondere Herausforderung für den Pforzheimer Künstler

Am schwierigsten seien Tiere, vor allem solche mit gemustertem Fell. Bei Menschen machten es zum Beispiel ein Bart oder eine Sonnenbrille komplizierter, sagt der 37-Jährige. „Am einfachsten sind Babys. Die haben eine glatte Haut und wenige Merkmale im Gesicht.“

Ein Mann fertigt ein Hundeporträt aus Bügelperlen an.
Oliver Lemke fertigt in seiner Wohnung ein Hundeporträt aus Bügelperlen an. Foto: Uli Deck/dpa

Die Mindestgröße beträgt 40 mal 60 Zentimeter, damit Schattierungen auch wirken. 60 bis 80 Stunden sitze er im Schnitt an einem Porträt. Bei einer Katze beispielsweise seien es 30 bis 40 mehr. Auch Motorräder, Autos und Lastwagen hat er auf Wunsch schon erstellt.

Die Preise variieren abhängig vom Motiv und der Größe. Dass da allein mit Blick auf den zeitlichen Aufwand dreistellige Beträge zusammenkommen, schreckt selbst Jugendliche nicht ab, sich ein ganz besonderes Andenken ans eigene Haustier zu kaufen. „Die Nachfrage ist da“, sagt Lemke. Immer mal wieder kämen kurzfristige Aufträge dazu.

Kritiker monierten unter den Videos in den sozialen Netzwerken schon mal mangelnde Nachhaltigkeit der filigranen Plastikröhrchen. Aber das nimmt sich Lemke in Bezug auf seine Werke nicht zu Herzen: „Die sollen ja nicht zum Wegwerfen sein“, argumentiert er.

Bügelperlen sollten keinesfalls in die Umwelt gelangen.
Franziska Krüger
Umweltbundesamt

Tatsächlich zählen Perlen kleiner als fünf Millimeter nach Angaben des Umweltbundesamts zu Mikroplastik. Generell seien sie nur schwer wieder aus der Umwelt zurückzuholen und könnten dort zu negativen Beeinträchtigungen von Organismen und Ökosystemen führen, erklärt Franziska Krüger vom Fachgebiet Kunststoffe und Verpackungen. Daher seien der bewusste Umgang und die richtige Entsorgung wichtig: „Bügelperlen sollten keinesfalls in die Umwelt gelangen.“

Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin fallen Bügelperlen aber weder in loser noch in verschmolzener Form unter die Mikroplastik-Beschränkung nach der EU-Chemikalienverordnung. Auch gibt es Anbieter sogenannter Bio-Bügelperlen aus Zuckerrohr.

Sind Lemkes Bilder fertig, klebt er Kreppband auf die Rückseite, damit beim Umdrehen alle Perlen an ihrem Platz bleiben. Denn gebügelt wird die Rückseite. Das fertige Porträt kommt dann auf eine Leinwand.

Wie viele Menschen hat Lemke als Kind das erste Mal Bilder aus Bügelperlen gesteckt. Kleine Motive. Sterne, Herzen. Als Jugendlicher habe er das Hobby wiederentdeckt und schließlich als Erwachsener perfektioniert, als er nach einem Bandscheibenvorfall lange zu Hause war. „Ich habe mir stundenlang Youtube-Videos von Malern und Zeichnern angeguckt, wie die vorgehen. Und das dann übertragen.“

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