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Kein Gesetz schützt Wallberg

Vor Pforzheimer Gedenktag am 23. Februar: Stuttgart macht Bündnis Pforzheim nazifrei keine Hoffnung

Die Chancen, dass der Wallberg als offizieller Gedenkort ausgewiesen werden könnte, werden von Fachleuten als gering eingestuft. Komplett aussichtslos scheint die Initiative vom Bündnis Pforzheim nazifrei dennoch nicht zu sein.

Wallberg
Hohe Symbolkraft: Der nach dem Zweiten Weltkrieg mit Trümmerschutt aufgestockte Wallberg wurde im vergangenen Jahr für eine Kundgebung der NPD missbraucht. Foto: Tanja Mori Monteiro

Dem Bestreben des Bündnisses Pforzheim nazifrei, den aus Kriegstrümmern aufgeschütteten Wallberg zum Gedenkort so auszuweisen, dass es Konsequenzen für das Versammlungsrecht hat, werden aus Stuttgart keine Erfolgsaussichten eingeräumt.

Der Gemeinderat könne ihn zwar zu einem Gedenkort für die Stadt erklären, führt Katrin Hammerstein aus, die den Fachbereich Gedenkstättenarbeit bei der Landeszentrale für politische Bildung leitet. Das habe jedoch nicht zwingend Einfluss auf die Versammlungsfreiheit.

Doch genau dies erhofft sich das Bündnis: Dass auf diese Weise Kundgebungen verboten werden können – wie jene der NPD, die im vergangenen Jahr auf den Wallberg zog, wenige Tage nach dem 23. Februar, an dem Pforzheim seiner Zerstörung 1945 gedenkt.

Gedenkstätte ist kein geschützter Begriff.
Katrin Hammerstein, Historikerin

„Gedenkstätte ist kein geschützter Begriff und bedeutet nicht automatisch einen besonderen Schutzstatus“, verdeutlicht Hammerstein die Problematik.

Im Versammlungsgesetz gibt es eine Klausel, wonach an Orten „von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung“, die an die Opfer der Naziherrschaft erinnern, Versammlungen und Aufzüge verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden können.

Die Bundesländer könnten solche Gedenkstätten per Gesetz ausweisen. Als Beispiele nennt die Historikerin die Konzentrationslager Buchenwald in Thüringen und Ravensbrück in Brandenburg.

Holocaust-Mahnmal auf Bundesebene als Gedenkstätte bestimmt

Auf Bundesebene sei das Holocaust-Mahnmal in Berlin als entsprechende Gedenkstätte im Versammlungsgesetz bestimmt. „Die im Gesetz genannten Kriterien dürften auf den Wallberg leider nicht zutreffen“, sagt Hammerstein.

Der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume teilt diese Auffassung. Als Antisemitismusbeauftragter des Landes sprach dieser kürzlich bei der Aktion „Zusammenhalten“ auf dem Waisenhausplatz und geißelte den Missbrauch des Gedenktags durch die Rechten.

Antisemitismusbeauftragter: Nicht einmal Grafeneck als Gedenkort anerkannt

Gegenüber dieser Redaktion erklärt Blume, er halte die Hürden des bundesdeutschen Versammlungsgesetzes gerade mit Blick auf den Wallberg für zu hoch, um „verschwörungsmythologische Kundgebungen“ zu untersagen.

Bundesgesetzlich sei bislang kein einziger Gedenkort in Baden-Württemberg anerkannt – „nicht einmal der Mordort von Grafeneck“. In der Tötungsanstalt im Landkreis Reutlingen wurden von den Nationalsozialisten über 10.500 Menschen ermordet, deren Leben sie als „unwert“ bezeichneten.

In Sachen Wallberg beabsichtigt Blume mit dem nächsten Antisemitismusbericht von 2023 Landtag und Landesregierung eine Bundesratsinitiative vorzuschlagen mit dem Ziel, dass im entsprechenden Paragrafen des Bundes-Versammlungsgesetzes das Wort „herausragender“ gestrichen wird.

Würde man dies erreichen und wären zudem erstmals in Baden-Württemberg Gedenkstätten wie Grafeneck auch bundesrechtlich anerkannt, „dann könnten meines Erachtens auch am Wallberg missbräuchliche Veranstaltungen gerichtsfest untersagt beziehungsweise an andere Orte verlegt werden“, sagt Blume und betont: „Eine unterstützende Willensbekundung des Pforzheimer Stadtrats mit Bezug auf den Wallberg wäre dazu eine große Hilfe.“

Innenministerium: Keine Pläne für weitere Gedenkorte

Das baden-württembergische Innenministerium erklärt auf Nachfrage, es gebe keine Überlegungen, weitere Orte als Gedenkstätten auszuweisen in dem Sinne, wie es das Versammlungsgesetz für das Holocaust-Mahnmal bestimmt.

Ungeachtet dessen könnten Versammlungen verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, „wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist“. Eine solche Gefährdung hatte die Stadt Pforzheim vor zwei Jahren geltend gemacht – in Folge der rechtsextremistischen Anschläge auf eine Synagoge in Halle und in Hanau mit zwei beziehungsweise neun Todesopfern. Doch der Antrag wurde vor Gericht abgeschmettert.

Das Bündnis Pforzheim nazifrei will außerdem den 23. Februar zum offiziellen Gedenktag ausrufen. „Die Entscheidung über die Einrichtung eines landesweiten Gedenktages obliegt der Landesregierung“, sagt das Ministerium. Auch diesbezüglich gebe es keine Überlegungen.

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