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Uneindeutigkeiten im Recht

Ausgangssperre wegen Coronavirus: Welche Strafen drohen? Kann sie wirklich verhängt werden?

Wegen des Coronavirus ruht das öffentliche Leben in Deutschland bereits weitestgehend. Die Einschränkungen für die Menschen im Land könnten sich aber noch verschärfen. Nämlich dann, wenn tatsächlich eine Ausgangssperre verhängt wird. Doch wer darf eigentlich eine Ausgangssperre verhängen, welche Strafen drohen bei Verstößen und: Gibt das Recht eine solche Maßnahme eigentlich her?

Leere Autobahn in Richtung Barcelona
Leere Autobahn in Richtung Barcelona: Spanien hat eine zweiwöchige Ausgangssperre ausgerufen. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

Wer darf wegen des Coronavirus in Deutschland eine Ausgangssperre verhängen?

Eigentlich darf in Deutschland keine Ausgangssperre verhängt werden - dies ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. In bestimmten Krisensituationen sind Ausnahmen denkbar. Je nach Auslegungsart ist im Infektionsschutzgesetz eine solche Krisensituation vorgesehen. Berufen sich die Länder für eine Ausgangssperre auf das Infektionsschutzgesetz, dürften sie wahrscheinlich den darin enthaltenen Paragraphen 28 heranziehen. Er diente zuletzt auch schon bei der Abriegelung verschiedener Orte als Grundlage.

Was steht in Paragraph 28 des Infektionsschutzgesetzes?

Der Text des Paragraphen räumt "den zuständigen Behörden" weitreichende Möglichkeiten ein, um etwa die Freiheit von Personen einzuschränken. Insofern ist er für die aktuelle Krisensituation ein geeignetes Mittel, um Personen etwa in eine häusliche und stationäre Quarantäne zu schicken - oder um ihnen den Aufenthalt an bestimmten Plätzen zu untersagen.

Ob der Passus allerdings auch taugt, um ganz generell großen Bevölkerungsgruppen den Ausgang zu untersagen, ist tatsächlich nicht so klar. Denn die dort festgehaltenen, freiheitsbeschränkenden Maßnahmen sind primär auf Personen gemünzt, die entweder an einer ansteckenden Erkrankung leiden, einen Erreger verbreiten könnten oder von einer Ansteckung unmittelbar gefährdet sind. Weiterhin sieht Paragraph 28 des Infektionsschutzgesetzes Eingriffe in die Grundrechte nur so lange vor, "bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind."

Vor diesem Hintergrund ermächtigt er die zuständigen Behörden und die Länder zumindest nicht explizit, umfassende und längerfristige Ausgangssperren auszusprechen.

Wer sind eigentlich die "zuständigen Behörden"?

Die zuständigen Behörden sind die Behörden, die zuständig sind. Wem das als Aussage nicht reicht, der wird im Prinzip auch durch das Infektionsschutzgesetz nicht wirklich schlauer. Dort ist nämlich oft von "zuständigen Behörden" die Rede, zudem erwähnt das Gesetz häufig das Gesundheitsamt.

Natürlich gibt es aber Anhaltspunkte, aus denen sich die Zuständigkeiten herleiten lassen. Die zentrale Anordnungsgewalt etwa in Hinblick auf eine Ausgangssperrre liegt derzeit bei den Bundesländern. In Fällen, in denen nur einzelne Orte von einer Abriegelung betroffen sind, liegt die Entscheidungsgewalt bei den  Kommunal- oder Kreisbehörden - und dort häufig bei den Gesundheitsämtern. Diese können zwar keine Ausgangssperren im eigentlich Sinne verhängen, aber auch ihrerseits weitreichende Maßnahmen treffen. So hat in Bayern beispielsweise der Landkreis Tirschenreuth die Stadt Mitterteich abgeriegelt - ebenfalls unter Berufung auf den bereits genannten Paragraphen 28 im Infektionsschutzgesetz.

Diese Hierarchisierung ist übrigens im Infektionsschutzgesetz durchaus so vorgesehen. Dort sind die Länder nämlich ermächtigt, Kompetenzen an "zuständige Behörden" zu delegieren.

Zurück zu Paragraph 28: Wenn seine Aussage nicht eindeutig ist, sind Ausgangssperren dann ungültig?

Diese Auffassung wäre zum gegenwärtigen Stand sicher problematisch. Denn klar ist, dass Ordnungsämter und Polizei die Anordnungen der Länder im Falle einer Ausgangssperre erst einmal durchsetzen würden. Im Nachhinein lässt sich im Rechtsstaat grundsätzlich sicher gegen Vieles Klage einlegen - der Paragraph 28 lässt aber nun einmal auch genug Spielraum, um zumindest erst einmal Ausgangssperren anzuordnen.

Eine möglicherweise im Gesetz enthaltene Lücke könnte zudem schon in Kürze geschlossen werden: Am 25. März tagt der Bundestag und könnte eine Reform des zur Rede stehenden Abschnittes beschließen, damit dieser auch auf die aktuelle Lage eindeutig anwendbar wird.

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Wenn also die Ausgangssperren in Kraft treten - welche Strafen drohen dann bei Verstößen?

Berufen sich die Länder oder andere Entscheidungsträger bei der Verhängung von Ausgangssperren auf das Infektionsschutzgesetz, gibt ihnen dieses auch einen Strafenkatalog für Verstöße an die Hand. Dort sind ab Paragraph 73 verschiedene Sanktionen festgehalten. Die Behörden können einen Verstoß gegen eine angeordnete Maßnahme  - also etwa eine Ausgangssperre - als Ordnungswidrigkeit auffassen. In dem Falle können sie eine Geldbuße von bis zu 25.000 Euro verhängen.

Je nach Schwere des Verstoßes ist allerdings auch eine strafrechtliche Verfolgung möglich. In ihrem Rahmen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren ausgesprochen werden. Das ist durchaus wichtig im Zusammenhang mit dem bereits genannten Paragraphen 28. Wer nämlich einer dort aufgeführten, angeordneten Maßnahme zuwider handelt, kann ausdrücklich strafrechtlich belangt werden.

Spielt die Bundesregierung eigentlich im Zusammenhang mit Ausgangssperren irgendeine Rolle?

Wie bereits dargelegt, ist die Entscheidung zunächst mal Ländersache. Es deutet sich an, dass Länder und Bund am Wochenende darüber reden werden, ob es in Deutschland flächendeckend Ausgangssperren in allen Bundesländern geben wird. Sicher ist: Im Zweifelsfall hat die Bundesregierung noch einen Joker in der Hand, um eine solche Maßnahme zur Not auch gegen den Widerstand der Länder durchzusetzen - sogenannte Notstandsgesetze nämlich.

Mit ihnen soll die Handlungsfähigkeit des Staates auch in Krisenzeiten gewahrt bleiben - im Kriegszustand beispielsweise. Im Falle einer Epidemie kann die Bundesregierung den Katastrophenfall ausrufen. Die Bundesländer müssten den Anordnungen Berlins dann Folge leisten. Mittels der Notstandgesetze könnte die Bundesregierung ihrerseits die in der Verfassung festgehaltenen Freiheitsrechte außer Kraft setzen und eine landesweite Ausgangssperre verhängen.

Seit Einführung der Notstandsgesetze im Jahr 1968 wurde von ihnen bislang noch nie Gebrauch gemacht. Wahrscheinlich wird die Bundesregierung auch in der gegenwärtigen Lage diese Karte nicht ziehen, sondern einen Konsens mit den Ländern herstellen, sodass diese dann die entsprechenden Beschlüsse fassen.

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