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Punktsieg für Erdogan

Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde von Jan Böhmermann nicht zur Entscheidung an

Ohne Begründung nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde des Satirikers Jan Böhmermann erst gar nicht zur Entscheidung an. Damit zieht das höchste deutsche Gericht einen Schlussstrich unter den Streit um ein Schmähgedicht, das einst die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei schwer belastete. Große Teile des Gedichts bleiben verboten.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, nimmt an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten nach ihren Gesprächen teil. +++ dpa-Bildfunk +++
Verletzung der Persönlichkeitsrechte: Mit Erfolgt klagte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gegen den Satiriker Jan Böhmermann. Große Teile des Schmähgedichts bleiben verboten. Foto: Efrem Lukatsky/dpa/AP

Punktsieg für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor deutschen Gerichten. Knapp sechs Jahre, nachdem der Satiriker Jan Böhmermann den Staatsmann mit einem Spottgedicht in der TV-Show „Neo Magazin Royale“ auf ZDFneo den Politiker öffentlich auf derbe Art geschmäht hatte, bleibt es bei dem bestehenden Verbot von wesentlichen Teilen des Gedichts.

Böhmermann hatte gegen entsprechende Entscheidungen von Hamburger Gerichten und des Bundesgerichtshofes das Bundesverfassungsgericht angerufen.

Doch dieses teilte am Donnerstag in einer äußerst knappen schriftlichen Mitteilung mit, eine Kammer des Ersten Senats habe die Verfassungsbeschwerde des Satirikers nicht angenommen, „weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat“ (Az 1 BvR 2016/19). Eine Begründung wurde nicht gegeben.

Vorwurf der Majestätsbeleidigung

Damit endet die juristische Aufarbeitung des Falls, der einst zu schweren diplomatischen Zerwürfnissen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland führte und auf höchster politischer Ebene für Verwerfungen sorgte.

In einem Telefonat mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Gedicht „bewusst verletzend“, zudem erteilte die Bundesregierung der zuständigen Staatsanwaltschaft Mainz die Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen des Vorwurfs der Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten.

Nach heftigen Protesten wurde der entsprechende Paragraf, bekannt unter dem Schlagwort Majestätsbeleidigung, 2018 aus dem Strafgesetzbuch entfernt.

Hamburger Gerichte verbieten große Teile des Gedichts

Erdogan seinerseits klagte gegen Böhmermann und machte eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte geltend. Zwar scheiterte er mit seinem Begehren auf eine komplette Löschung des Gedichts, aber sowohl das Landgericht Hamburg als auch das Hanseatische Oberlandesgericht verfügten ein Verbot von großen Teilen.

Diese enthielten nach Ansicht der Gerichte schwere Herabsetzungen, für die es in Person und Verhalten Erdogans keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gebe.

Böhmermann wollte Unterdrückung der Meinungsfreiheit in der Türkei anprangern

Da eine Revision nicht zugelassen wurde, rief Böhmermann den Bundesgerichtshof an. Doch dieser wies 2019 eine Beschwerde des Satirikers, dessen Show mittlerweile im ZDF-Hauptprogramm läuft, zurück.

Daraufhin zog der mittlerweile 40-Jährige vor das Bundesverfassungsgericht und legte Verfassungsbeschwerde ein. Er berief sich auf die vom Grundgesetz geschützte Kunst- und Meinungsfreiheit, zudem war nach seiner Ansicht die Einbettung des Gedichts in den Gesamtkontext nicht hinreichend berücksichtigt worden.

So hatte Böhmermann das Gedicht immer wieder unterbrochen, um über die rechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Äußerungen zu reden. Damit wollte er die Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch Erdogan in der Türkei anprangern.

Die für die Verfassungsbeschwerde zuständige dreiköpfige Kammer des Ersten Senats unter Vorsitz des Verfassungsrichters Andreas Paulus entschied sich nun einstimmig dafür, das Verfahren erst gar nicht zur Entscheidung anzunehmen, obwohl der Senat zuvor mehrere Organisationen um Stellungnahmen gebeten hatte, unter anderem auch das ZDF.

Damit sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts rechtskräftig.

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