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Kolumne "Zusammen Zuhause"

Wenn die Bauarbeiter kommen, ist Homeoffice plötzlich nicht mehr so schön

Sie wollen gar nicht erst unscheinbar wirken. Sie haben einen Bagger mitgebracht, auf dem Lader des Transporters steht eine Walze. Drei Bauarbeiter am Gehweg direkt vor meinem Balkon, an diesem schönen Freitagvormittag, es ist sonnig, und doch recht kühl.

In der Kolumne "Zusammen zuhause" berichten die BNN-Redakteure über ihren Alltag in Zeiten des Coronavirus.
In der Kolumne "Zusammen zuhause" berichten die BNN-Redakteure über ihren Alltag in Zeiten des Coronavirus. Foto: peterschreiber.media/Adobe Stock, imago (Montage)

Ich eile zu meinem Auto, fahre aus der Einfahrt. Es scheint, als wäre es Sekunden danach zu spät gewesen. Im Vorbeifahren blickt mich einer der Bauarbeiter an – kein Nicken, wir wissen beide, was noch passieren wird.

Familien im Ausnahmezustand: Schulen und Kitas sind geschlossen. Die Eltern arbeiten im Homeoffice. Der Alltag folgt in Zeiten der Corona-Pandemie neuen Regeln. Wie verändert sich dadurch das Zusammenleben? Darüber berichten in dieser Kolumne BNN-Redakteure mit unterschiedlichen Familienkonstellationen.

Die echten Tiefbauarbeiten verhindern die gedanklichen

Ich möchte einen Artikel schreiben, in dem es um schreckliche Erlebnisse und um tiefe Gefühle geht. Gedankliche Tiefbauarbeiten, wenn man ein bemühtes Bild herbeiholen möchte. Sie reißen den Gehweg auf, um in der Tiefe an irgendeinem Kabel arbeiten zu können. Dieser Freitagvormittag scheint ein guter für die drei Männer zu sein. Ein lauter Spruch, ein lautes Lachen. Die Abfolge wiederholt sich in recht kurzen Abständen recht häufig.

Einer von ihnen wird Alina – die wohl in irgendeinem Verwandtschaftsgrad zu ihm steht – ein Geburtstagsgeschenk geben, er hat es schon. Aber er wird es nur vor der Türe ablegen. „Anders geht es nicht“, sagt er. „Man soll ja voneinander wegbleiben.“

Der Schock im mitgelauschten Telefongespräch

Er hat ein gutes Herz, bestimmt ein netter Mensch. Im nächsten Moment der Schock. Er hat seinen Chef am Handy. Der Satz des Bauarbeiters schneidet sich so schrill ins Gehör wie eine Kreissäge: „Wer weiß, wie lange das hier noch geht.“

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Eine Nachbarin stellt sich neben das ein Meter tiefe Loch, in dem ein Bauarbeiter hackt. Sie erzählt von der Pflege und der Schwierigkeit mit Corona. Wie soll sie denn ausreichend Abstand halten? Sie schafft es, das Dilemma mit ihrem schwäbischen Dialekt und Humor irgendwie witzig zu verpacken. Der Bauarbeiter lacht zustimmend, hackt dann weiter. Es ist völlig klar, dass diese Unterbrechung von der Seite für die Arbeiten eine Nachspielzeit bedeutet.

Die Frau geht, ein älterer Herr aus der Nachbarschaft kommt. Er geht neben dem Loch in die Hocke-Position, beobachtet minutenlang still. Die Arbeiten scheinen wichtig zu sein.

Dann gibt es keinen Austausch mehr, die drei Bauarbeiter machen ernst. Sie markieren weitere acht Meter des Gehwegs, einer setzt sich in den Bagger. Rattern, Brummen, Vibration. Ich mache die Balkon-Tür auf, um es in vollen Zügen genießen zu können. Alles scheint mir nun realistischer, als einen gefühlvollen Artikel zu schreiben. Alles. Ich kann den drei Männern aber keinen Vorwurf machen. Sie waren von Anfang an ehrlich.

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