Florian Kaufmann hat eine für diese Jahreszeit ungewöhnlich sonnengeprägte Gesichtsfarbe. Der Grund, den der Vorstand des Panorama e.V. anführt, ist dennoch zeitgemäß.
Eine Zunahme an Video- und Telefonkonferenzen hätten ihn zuletzt verstärkt auf den eigenen Balkon getrieben, sagt er mit einem breiten Lächeln. Dabei hätte es durchaus auch nahegelegen, als Ursache für seinen schon ins Rötliche tendierenden Teint auf gerechten Zorn zu tippen.
Ende Juni ist Schluss
Denn die Heimat des Vereins, das P8 auf dem C-Areal in der Karlsruher Nordstadt, ist nicht nur derzeit geschlossen (wie alle Kultureinrichtungen), die Räume müssen zudem Ende Juni aufgegeben werden.
Neben dem P8 sind auch eine Tanzschule, eine Manufaktur oder das Bandprojekt mit seinen 15 Proberäumen davon betroffen, da hier die Ingenieurgesellschaft GEM die Entwicklung neuer Wohnquartiere vorantreiben wird. Vergleichbares geschieht auch in Mühlburg oder Durlach.
Rund 40 Musiker und Künstler betroffen
Auch im P8 proben und arbeiten dauerhaft rund 40 Musiker und Künstler, die die Örtlichkeit zudem regelmäßig für Veranstaltungen, Konzerte oder Ausstellungen nutzen.
Polemische Kritik in der Richtung, Immobilienhaie vernichteten die Karlsruher Subkultur, liegt Kaufmann dennoch fern. Er ist erkennbar um Nüchternheit bemüht: „Karlsruhe braucht bezahlbare Wohnungen, das steht außer Frage. Und GEM wie die CR-Gruppe handeln aus wirtschaftlichen Interessen. Das ist Kapitalismus und nachvollziehbar.“
Karlsruhe braucht Vielfalt, sonst gehen die besten IT-Kräfte nach Berlin oder Köln.Florian Kaufmann, Vorstand Panorama e.V.
Kaufmann sieht vor allem die Stadt in der Pflicht, die Bereiche Wohnen, Gewerbe und Kultur zusammenzubringen. Kultur sei zudem ein handfester Faktor, um für junge Menschen attraktiv zu bleiben.
„Karlsruhe braucht Vielfalt, sonst gehen die besten IT-Kräfte nach Berlin oder Köln, wo sie breites kulturelles Angebot finden“, sagt er. Aussagen wie jüngst aus dem Rathaus, dass die Künstler kreativ und solidarisch mit dem Mangel umgehen sollten, seien daher wenig hilfreich.
Rebecca Rabbat ist seit Vereinsgründung aktives Mitglied und hofft von der Stadt weiterhin auf Alternativobjekte: „Die Stadt muss sich entscheiden, wo man mittel- und langfristig hin möchte.“
Suche nach neuen Räumen bislang ohne Ergebnis
Freilich weiß der Verein auch, was er an der Stadt hat. Seit 2019 erhält man aus städtischen sowie Landesmitteln rund 20.000 Euro an institutionellen Förderungen, wobei alleine auf die Stadt 15.000 entfallen. Kaufmann: „Es ist toll, dass die Stadt neue Kulturinstitutionen wahrnimmt und unsere Arbeit finanziell unterstützt.“ Da man sich bei der Objektsuche allerdings nicht ausschließlich auf diese verlassen möchte, werde längst auf dem privaten Immobiliensektor gesucht. Bislang noch ohne Ergebnis.
Vor Corona bis zu 150 Veranstaltungen im Jahr
Ohne das P8 muss die Stadtgesellschaft künftig auf viel verzichten, das bereichernd ist, auch wenn es nur selten für Renommierschlagzeilen taugt. Sicher hätten bundesweit bekannte Acts wie Die Goldenen Zitronen, Die Heiterkeit oder auch die Formation Stereo Total mit der unlängst verstorbenen Françoise Cactus auf der P8-Bühne in der jüngeren Vergangenheit für viel Aufmerksamkeit gesorgt, erklärt Kaufmann.
Dennoch seien dies nur die sichtbarsten Punkte eines vor Corona auf bis zu 150 Veranstaltungen angewachsenen Programms gewesen, das 2019 für seine Vielfalt sogar beim bundesweiten Spielstättenpreis „Applaus“ als bester Live-Club ausgezeichnet wurde.
Präsenz vor Ort ist ausschlaggebend
Selbst Corona konnte die Aktivitäten nicht ausbremsen. Livestreams sowie 18 Open-Air-Veranstaltungen in einem eigens errichteten Kulturgarten vor der Halle waren und sind starke Zeichen. Dennoch sieht sich das P8 vor allem alles soziokulturelles Zentrum, das von der Präsenz vor Ort lebt. Die Abrufzahlen beim Streaming seien laut Kaufmann mit in der Spitze bis zu 5.000 Klicks „für uns in Ordnung. Aber ich kann auch verstehen, dass der eigene Schreibtisch nicht der geeignete Ort ist, um Kultur zu genießen und zu erfahren.“
Ohne den Standort wird ein Großteil von dem, was uns ausmacht, wegbrechen.Rebecca Rabbat, Gründungsmitglied Panorama e.V.
Daher ist sich Rabbat sicher, dass ohne den Standort „ein Großteil von dem, was uns ausmacht, wegbrechen wird. Auch dass die Leute bei uns Anschluss finden und erste Veranstaltungen zu organisieren lernen. Wie funktioniert das mit der GEMA, wie die Technik? Es geht uns darum, dass man sich hier ausprobieren und wieder von uns emanzipieren kann, um andere oder eigene Sachen zu machen. Das unterscheidet uns von anderen und ist der größte Teil dessen, was uns überhaupt ausmacht.“
Begegnung ist wichtiger als Konzerte
Und Kaufmann ergänzt, dass im P8 Menschen zusammen fänden, um gemeinsam Kultur in der Gesellschaft zu gestalten. Es seien schlicht die Begegnung und das Soziale, das die Aktiven und die Gäste neue Formen entdecken ließen: „Wir wollten Veranstaltungen machen, zusammen eine schöne Zeit verbringen und die Sachen in die Stadt holen, die wir bis dahin vermisst hatten.
So hat es bei uns angefangen.“ Er schwärmt von einer großen Offenheit, „weil wir als eher jüngere Institution noch nicht so tradiert sind oder keinen hauptamtlichen Apparat haben. Wir hatten hier so viele Highlights und Momente, die Kultur schaffen und das eigene Tun reflektieren lassen konnten.“ Und so soll es auch in Zukunft sein, egal wo in dieser Stadt.