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Mit Wurstessen das Fastengebot gebrochen

Einer von drei Ettlinger Reformatoren: Matthias Erb starb vor 450 Jahren

Aus Ettlingen stammen drei für die Ausbreitung der Reformation bedeutende Männer: Caspar Hedio, Franciscus Irenicus und Matthias Erb. Letzterer ist vor 450 Jahren an seiner letzten Wirkungsstätte im elsässischen Rappoltsweiler gestorben.

ARCHIV - 31.10.2018, Sachsen-Anhalt, Wittenberg: Das Martin Luther-Denkmal auf dem Marktplatz. 500 Jahre sind eine lange Zeit - der Reformator Martin Luther und seine Themen sind aber immer noch aktuell. Die Luthergedenkstätten suchen Wege, um junge Menschen zu erreichen. (zu dpa «Luther-Bildungsprojekte in Sachsen-Anhalt gefragt» vom 19.02.2019) Foto: Sebastian Willnow/ZB/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Er war der Kopf der Reformation: Das Martin Luther-Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg erinnert an den Augustinermönch, dessen Thesen heute immer noch aktuell sind. Foto: Sebastian Willnow picture alliance/dpa

Das Jubiläum ist der evangelischen Kirchengemeinde in Ettlingen vermutlich entgangen: Vor 450 Jahren, im Frühjahr 1571 starb im elsässischen Rappoltsweiler der Reformator Matthias Erb. Er ist neben Caspar Hedio und Franciscus Irenicus der dritte wichtige Reformator, der aus Ettlingen stammte.

Alle drei spielen nach den sogenannten Wittenberger Thesenanschlägen von Martin Luther im Jahr 1517 bei der Verbreitung des Protestantismus, der Ideen Luthers und des Schweizer Reformators Zwingli eine bedeutende Rolle.

Erb hinterließ an vielen Orten in der Schweiz und besonders im Elsass als Reformator Spuren.

Heidelberger Disputation war ein Auslöser

Ein Auslöser für die Begeisterung der drei Ettlinger für die Reformation dürfte die Heidelberger Disputation von 1518 gewesen sein.

Die Heidelberger Disputation ist ein akademisches Streitgespräch, bei dem Luther seine „Theologie des Kreuzes“ der scholastischen „Theologie der Herrlichkeit“ entgegenstellte. Franciscus Irenicus nahm als Student nachweislich an dem Auftritt Martin Luthers in der Universität teil.

Württembergischer Löwe im elsässischen Riquewihr
Württembergischer Löwe im elsässischen Riquewihr: Der Ettlinger Reformator Matthias Erb war in der Grafschaft einst für die Einführung der Reformation zuständig. Foto: Dieter Stöcklin

Caspar Hedio und Franciscus Irenicus sind Jahrgang 1494, Matthias Erb ist 1495 geboren. Es gibt unter den Dreien, besonders zwischen Hedio und Erb, regelmäßige Kontakte. Alle drei waren an Universitäten wie Basel, Straßburg, Freiburg oder Heidelberg „in den Strom der humanistischen Wissenschaftserneuerung geraten“, schreibt der Ettlinger Historiker Rüdiger Stenzel in einem seiner Bücher.

Butzer beeinflusste Hedio und Erb stark

Die theologische und humanistische Laufbahn von Erb und Hedio wurde wesentlich durch Martin Butzer beeinflusst, der überragenden Gestalt der Reformation am Oberrhein. Hedio und Erb schmerzte die Zerstrittenheit der reformatorischen Gedankenströme. Sie versuchten, an ihren jeweiligen Tätigkeitsorten ausgleichend zu wirken.

Alle drei Ettlinger Reformatoren hatten vermutlich als erste Stufe ihrer schulischen und universitären Laufbahn die Ettlinger Stiftsschule besucht. Die Wege trennten sich aber bald, weil Erb im Gegensatz zu Hedio und Irenicus, die sich bei Johannes Reuchlin an der Pforzheimer Lateinschule weiterbildeten, seine humanistischen Kenntnisse in der Schweiz erweiterte.

Wie beim elsässischen Kirchenhistoriker Timotheus Wilhelm Röhrich 1855 zu lesen ist, besuchte er in Bern die Schule des Chorherrn Heinrich Wölfflin.

Übersetzer von alten Kirchenvätern

Dort erwarb er profunde Kenntnisse in den alten Sprachen. Er beherrschte die griechische und hebräische Sprache und machte sich als Übersetzer der alten Kirchenväter einen gewissen Namen. Zudem eignete er sich dort pädagogische Fähigkeiten an, die ihm später bei wichtigen Stellen in Adelshäusern zugute kommen sollten.

Durch seine Zeit in der Schweiz war Erb stark von den Lehren Zwinglis geprägt, der die Eucharistie nur als Gedächtnismahl Jesu feiern wollte. Von einer Wandlung von Brot und Wein im katholischen Sinne wollte Zwingli nichts wissen. In den 1520er Jahren war

Erb Lehrer des Markgrafen Ernst von Baden, obwohl er zwölf Jahre jünger als sein markgräflicher Schüler war. In den 1530er-Jahren begleitete er die Berner Truppen als Feldprediger.

Dann war er Pfarrer im Aargau, bevor ihn Markgraf Bernhard III., der vermutlich die Reformation in Baden einführen wollte, ihn 1535 wieder nach Baden berief. Infolge des frühen Todes von Bernhard ging er 1536 auf Empfehlung seines Freundes Hedio als Lateinlehrer in die Freie Reichsstadt Gengenbach.

Stadt Ettlingen wollte Erb als Lateinlehrer holen

1538 wollte ihn die Stadt Ettlingen in zwei Gesuchen als Lateinlehrer holen. Ein Unterfangen, das vermutlich sowohl an der schmalen Dotation der Stelle wie auch der Tatsache scheiterte, dass Baden-Baden damals unter katholischer Vormundschaft stand.

Stattdessen folgte er einem Ruf des Grafen Georg von Württemberg-Mömpelgard zur Leitung der kirchlichen Angelegenheiten auf dessen Territorium im Elsass. Er setzte sich dort für die Reformation „Schweizer Art“ ein.

Er ließ den liturgischen Teil des Gottesdienstes zugunsten der Predigt und Bibelauslegung zurücktreten. Auf ablenkende Ausschmückung des Gotteshauses wurde verzichtet.

Toleranter gegenüber anderen christlichen Konfessionen

Doch im Gegensatz zu Irenicus, der eine harte lutherische Linie verfolgte, war Erb, wohl beeinflusst von Caspar Hedio, deutlich toleranter gegenüber anderen Christen.

Gegenüber Lutheranern und Katholiken zeigte er Toleranz und hatte auch eine freundschaftliche theologische Auseinandersetzung mit einem Colmarer Dominikaner.

Dennoch schickte er von Reichenweier (Riquewihr) aus Wanderprediger durchs Elsass, um Gemeinden aufzufordern, die Messe abzuschaffen. Ihn selbst traf wegen der Nähe zu den Vorstellungen Zwinglis später die Verbannung, als das Reichenweierer Gebiet endgültig an das streng lutherische Württemberg fiel. Beim benachbarten Grafen von Rappoltstein fand er 1562 eine neue Bleibe.

Pest schlägt gnadenlos zu

Dieter Stöcklin, jahrzehntelang als Lehrer am Ettlinger Eichendorff-Gymnasium tätig, hat sich viel mit den Ettlinger Reformatoren beschäftigt. Die Zeit Erbs und Hedios sei stark von der Pest-Pandemie geprägt gewesen.

Erb habe 1540/41 zwei Söhne durch die Epidemie verloren, Hedio verlor innerhalb von fünf Jahren sechs seiner acht Kinder durch die Pest. Er selbst starb 1555 an der Seuche.

Dieter Stöcklin, der sich bei seinen Studien zu den Ettlinger Reformatoren in der Hauptsache mit Hedio befasste, kam zu einigen interessanten Bewertungen von Matthias Erb, wie er auf Nachfrage an die BNN schrieb. Bis zu seinem Ableben im Jahre 1571 seien die Fixpunkte von Erb Ettlingen und seine reformatorischen Freunde gewesen, besonders Hedio.

Geprägt von der Schweizer Reformation

Erb sei kein Dogmatiker gewesen, deshalb sei er auch in vielen Publikationen wenig oder nicht erwähnt. Sein früher Kontakt zur strengen Schweizer Reformationsvariante prägten ihn: Hoher Stellenwert der Predigt, nüchterner Gottesdienstraum und das Durchbrechen der Fastengebote, sprich Wurstessen war zwischen Aschermittwoch und Ostern erlaubt.

Erb war als Militärpfarrer 1531 beim Bürgerkrieg bei Kappel, wo Zwingli fiel, dabei.

Wichtiges Zwischenglied in den Familien der Württemberger

Später sei Erb in seiner Stellung im Oberelsass, in Reichenweier (heute Riquewihr), so Stöcklin, „ein wichtiges Zwischenglied“ zwischen Herzogtum Württemberg und dem württembergischen Mömpelgard (heute Montbéliard) gewesen.

Sein umfangreicher Briefwechsel mit Heinrich Bullinger, einem Nachfolger Zwinglis am Zürcher Großmünster, sei von wissenschaftlichem Interesse.

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