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Nachkriegszeit in Malsch

Wie der Kriegsgefangene Johann Kocak in Malsch eine neue Heimat fand

Die Dorfkinder kannten ihn nur als „den Johann“: Als Kriegsgefangener kam der Pole Johann Kocak im Zweiten Weltkrieg nach Malsch und half in einem Geschäft aus. Dort wurde er schnell unersetzlich – und blieb auch nach Kriegsende.

Der Hahn im Korb: Johann Kocak mit den Inhaberinnen und Mitarbeiterinnen des Feinkost-Geschäfts Schindler im Jahr 1965.
Der Hahn im Korb: Johann Kocak mit den Inhaberinnen und Mitarbeiterinnen des Lebensmittel- und Spirituosen-Geschäfts Schindler im Jahr 1965. Foto: Heimatfreunde Malsch

Er kümmerte sich um Kühe und Schweine, packte in der Brennerei mit an und half im Geschäft aus, wo die Dorfbewohner Spirituosen, Wein und Lebensmittel einkauften: Seine Arbeit konnte sich Johann Kocak nicht aussuchen, als er im Laufe des Zweiten Weltkrieges nach Malsch kam. Der gebürtige Pole war ein Kriegsgefangener.

Als Zwangsarbeiter wurde er einem Betrieb zugewiesen, der Hilfe dringend gebrauchen konnte: Vater und Sohn der Familie Schindler waren umgekommen, die beiden Töchter hatten das familieneigene Geschäft nach dem Krieg in eigene Hände genommen.

Heimatfreunde recherchierten Lebensgeschichte

Doch Johann Kocak, geboren im Oktober 1912 in Polen, war schnell mehr als nur eine helfende Hand. Bald war der sympathische junge Mann aus dem Betrieb nicht mehr wegzudenken, er wurde Teil der Familie. Als er nach dem Krieg in seine Heimat zurückkehren konnte, entschied er sich, in Malsch zu bleiben.

Fotos zeigen ihn fröhlich lachend vor dem Gebäude in der Hauptstraße, in dem er mit den Inhaberinnen des Ladengeschäfts, Elise und Josefa Schindler, arbeitete und lebte. Wann genau Johann Kocak nach Malsch kam, lässt sich nicht mehr feststellen, sagt Rainer Walter von den Heimatfreunden Malsch, der die Geschichte des polnischen Kriegsgefangenen recherchiert hat. Mit Elisabeth Reisenauer, einer ehemaligen Mitarbeiterin im Geschäft der Schindler-Schwestern, hat Walter über Kocak gesprochen. Reisenauer ist inzwischen gestorben.

Für uns war das immer nur ‘der Johann’.
Rainer Walter Heimatforscher in Malsch

Der 1944 geborene Walter hat den Mann aus Polen selbst noch kennengelernt: Als Bub kaufte auch er in dem Geschäft der Schindlers ein: „Für uns war das immer nur ‘der Johann’“, sagt er. Als einen netten und fleißigen Kerl hat er ihn in Erinnerung. Einen bleibenden Eindruck hat Kocak offenbar auch bei dem Malscher Künstler Werner Koch hinterlassen.

Beliebt bei den Dorfbewohnern: Johann Kocak kam als Kriegsgefangener nach Malsch – und fand dort eine neue Heimat.
Beliebt bei den Dorfbewohnern: Johann Kocak kam als Kriegsgefangener nach Malsch – und fand dort eine neue Heimat. Foto: Heimatfreunde Malsch

Zumindest malte der ein Porträt von ihm, das nun in den Besitz der Heimatfreunde übergegangen ist. Die Betreuerin von Elisabeth Reisenauer hatte es bei der Ausräumung des Schindler-Hauses gefunden, nachdem Reisenauer ins Pflegeheim umgezogen war. Werner Koch war der Schwiegersohn des Malers Theodor Schindler, des Onkels von Elise und Josefa Schindler.

Insgesamt gab es in Malsch nach Angaben der Heimatfreunde in der NS-Zeit 1.200 Kriegsgefangene, Militärinternierte und ausländische Zivilarbeiter. Ob von ihnen nach Kriegsende noch weitere in der Gemeinde blieben, ist nicht bekannt.

Franzosen plünderten die ursprüngliche Weinhandlung bei ihrem Einmarsch

Was Rainer Walter durch Elisabeth Reisenauer noch erfahren hat, ist, dass die Franzosen bei ihrem Einmarsch in Malsch am 11. April 1945 die ursprüngliche Weinhandlung der Schindlers plünderten. „Es wurde in die Weinfässer geschossen, der auslaufende Wein dann getrunken. Nachdem die französischen Soldaten ihren Durst gestillt hatten, beteiligten sich auch einige Malscher Bürger an dem unschönen Tun.“

Das Haus wurde im Krieg so stark zerstört, dass es abgerissen und wieder neu aufgebaut werden musste. In dem neuen Gebäude eröffneten dann schließlich Josefa und Elise Schindler ihr Geschäft, das sie unter anderem mit der Hilfe von Johann Kocak betrieben. Neben Wein, Spirituosen und Feinkost verkauften sie etwa auch Fisch und Eis. In einem Gebäude im Hinterhof war eine Brennerei untergebracht.

Beisetzung im Familiengrab

Elise Schindler starb im Jahr 1978 und vier Jahre später, im Alter von 70 Jahren, auch Johann Kocak. Mit dem Tod von Josefa Schindler kurze Zeit darauf war 1982 das Ende des Ladengeschäfts in der Malscher Hauptstraße besiegelt. Seine letzte Ruhe fand Johann Kocak schließlich auf einem Friedhof in seiner Wahlheimat – und zwar im Familiengrab der Schindlers.

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