Skip to main content

Kommunal- und Europawahl

Frieden für Europa, Radwege für Karlsruhe: Grüne starten Wahlkampf im Tollhaus

Kriege, Klimawandel, Krisen: Beim Wahlkampfauftakt für die Kommunal- und Europawahl am 9. Juni demonstrieren die Grünen im Karlsruher Tollhaus dennoch Zuversicht.

Ein Mann hält vor Publikum eine Rede.
„Schicksalswahl“: Michael Bloss, Abgeordneter im Europaparlament, leitete mit einer persönlichen Rede den Auftakt der Grünen in den Wahlkampf ein. Foto: jodo-foto / Joerg Donecker Karlsruhe jodo-foto Karlsruhe

Michael Bloss weiß, was Krieg aus Familien machen kann. Seine Großmutter wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als 18-Jährige von einem amerikanischen Soldaten schwanger, der bald darauf Stuttgart verlassen musste. Die junge Mutter in Nachkriegsdeutschland gab ihr uneheliches Kind zur Adoption frei und sei zeit ihres Lebens nicht mehr glücklich geworden. Bloss Mutter habe mit der zerbrochenen Identität leben müssen.

Mit dieser persönlichen Geschichte leitet Bloss am vergangenen Freitag seine Rede zum Wahlkampagnen-Auftakt der Grünen in Karlsruhe für die Kommunal- und Europawahl am 9. Juni ein.

Als Abgeordneter des Europäischen Parlaments und Europa-Spitzenkandidat ist eines seiner großen Themen an diesem Abend im Tollhaus der Frieden und seine Bedrohung in Europa. Die diesjährige Europawahl sei eine „Schicksalswahl“ für den Kontinent.

Wahlkampfauftakt der Grünen im Tollhaus geprägt von Zuversicht

Die Stimmung im Tollhaus ist nichtsdestoweniger schon im Vorfeld der Reden geprägt von Zuversicht, trotz aller Sorgen um Kriege, Klimawandel und Rechtsruck. Das gilt auch für Gabriel Tessmer. Der 18-jährige Schüler am Markgrafen-Gymnasium sitzt früh im Foyer des Kleinen Saals des Tollhauses und liest in einem Geografiebuch. Er kandidiert für die Grünen auf dem Listenplatz 20.

Klar, der Rechtsruck beschäftige auch die Schüler. Er sei jedoch voller Hoffnung, dass Deutschland nicht endgültig „abrutsche“, und spricht dabei von der Versammlung „Durlach leuchtet für Demokratie“ im vergangenen März.

„Wir stellen uns von allen Parteien am deutlichsten gegen Rechts“, sagt Sarah Dußler, Sprecherin der Grünen in Karlsruhe, und zeigt auf ein Wahlplakat im Foyer mit dem Slogan: „Mach Nazis ein Kreuz durch die Rechnung“.

Damit erklärt sie sich die vielen bereits zerstörten und verunstalteten Wahlplakate. Auch im Digitalen dürfe den Rechten nicht das Feld überlassen werden. Welche Rolle TikTok für den politischen Erfolg spiele, hätten aufgrund der AfD „nun alle verstanden“.

Mit Zoe Mayer ist auch das politische Berlin vor Ort. Die Gewinnerin des Direktmandats für Karlsruhe-Stadt isst zwischen zahlreichen Gesprächen ein Brötchen, sei sie doch durch die Termintaktung im Bundestag nichts anderes gewohnt.

Zoe Mayer: Wahlkampf in Karlsruhe viel breiter geführt

Sie ist frohen Mutes, was die Wahlen und ihre Heimatstadt angeht: „Karlsruhe ist progressiv und geprägt von einem starken Zusammenhaltsgefühl.“ In anderen Städten, beispielsweise Leipzig, bliebe den Grünen nur Zeit für Anti-Demos; dies sei in Karlsruhe anders. Der Wahlkampf könne hier thematisch viel breiter geführt werden.

Auf dem Podium ist Jorinda Fahringer als Spitzenkandidatin für den Gemeinderat das kommunalpolitische Gegenstück zu Bloss. „Durch die EU darf ich hier als Österreicherin mitreden“, sagt sie zu Beginn ihrer – mit österreichischem Akzent angereicherten – Rede, die immer wieder von Applaus und Lachen des Publikums begleitet wird. Für Fahringer dürfe das gute Leben nicht vom „Geldbörserl“ abhängen.

Sie spricht von der Idee der 15-Minuten-Stadt: Arbeitsplatz, soziales Umfeld, Versorgung – alles in einer Viertelstunde zu erreichen. Die aktive Mobilität – „das ist das mit der Bewegung“, sagt sie und schüttelt sich unter Gelächter – solle in Karlsruhe auf 70 Prozent steigen.

Auch die faire Verteilung von öffentlichem Raum ist ihr Thema: mehr „Vorbei-Bänkerln“ und weniger abgestellte „Blechdosen“ (Autos) im Rahmen eines flächendeckenden Parkraummanagements.

„Wir alle sind Karlsruhe“ ist schließlich ihr Aufruf zu gesellschaftlichem Miteinander und Toleranz. Die Ausländerbehörde solle zur Willkommensbehörde werden.

Grüne wollen frischen Wind in Karlsruher Bergdörfer bringen

Nach den Reden folgt ein „politischer Talk“, an dem unter anderem Eva-Maria Merkel (Vorstand im Ortsverband der Bergdörfer) teilnimmt. Bei den Ortschaftsratswahlen ist ihr Ziel, mindestens zwei Sitze in jedem Bergdorf zu erringen und damit „frischen Wind“ in Orte wie Stupferich und Wettersbach zu bringen.

Am Ende wird Merkel nach einem Liedwunsch für die anschließende Disco, einer Art „grüner Hymne“ für den Wahlkampfauftakt gefragt. (Ein Zuschauer ruft dabei in den Saal: „Oh Lord, won´t you buy me a Mercedes Benz“). Merkel wünscht sich den Song „Big Yellow Taxi“ von Joni Mitchell: „Don’t it always seem to go/That you don’t know what you’ve got ‘til it’s gone“ – ist es nicht immer so, dass du nicht weißt, was du hast, bis es weg ist – scheine ihr eine passende musikalische Mahnung für diesen Abend zu sein.

nach oben Zurück zum Seitenanfang