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Holocaust-Gedenktag

Leben als Jüdin: Jenia Brecht berichtet am Karlsruher Markgrafengymnasium

Das Karlsruher Markgrafen-Gymnasium möchte dem wachsenden Antisemitismus entgegentreten. Deshalb lud die Schule Jenia Brecht von der Agentur für Jüdische Kultur in Heidelberg ein.

Eine Frau spricht vor einer Schulklasse
Jenia Brecht berichtet über jüdisches Leben in Deutschland. Foto: Jörg Donecker

Ida, 15 Jahre alt, engagiert sich schon seit Jahren intensiv in der Erinnerungskultur des Markgrafen-Gymnasiums Durlach. Die Zehntklässlerin hat bereits mehrmals rund um den Holocaust-Gedenktag an den Gedenkveranstaltungen teilgenommen. Bisher stand dabei der Blick in die Vergangenheit im Fokus, etwa bei den Berichten von Zeitzeugen.

In diesem Jahr habe man sich angesichts des wachsenden Antisemitismus um die Gegenwart kümmern wollen, wie die Leiterin der Fachschaft Geschichte, Susanne Augenstein, zu Beginn der diesjährigen Veranstaltung anmerkte. Die Schule hatte dazu Jevgenia (Jenia) Brecht von der Agentur für Jüdische Kultur in Heidelberg eingeladen.

Zum Abend im Karlsruher Gymnasium bringt sie jüdische Kultgegenstände mit

Brecht lebt ihre jüdische Religion bewusst und hat zu dem Abend mit den Schülerinnen und Schülern auch zahlreiche Kultgegenstände aus dem jüdischen Leben mitgebracht. Wie etwa einen achtarmigen Chanukka-Kerzenständer, der an die Erstürmung des Tempels erinnert.

Im Tempel soll es nur noch ein Ölfläschchen gegeben haben, das dann aber bis zur Befreiung des Tempels acht Tage lang brannte. Daran sollen die acht Kerzen erinnern.

Jenia Brecht trägt ständig einen Davidsstern an einer Halskette. Derzeit ist sie sich aber nicht so sicher, ob sie nicht ihre Kleidung hoch schließen oder einen Schal tragen soll, um ihn nicht auf den ersten Blick sichtbar zu zeigen. Denn Judenfeindlichkeit breitet sich wieder aus, das bemerkt die 36-Jährige auch im Alltag.

Auf ihrem Arbeitsweg muss Jenia fünf Hakenkreuz-Schmierereien passieren

Sie betreut in Leimen bei Heidelberg eine Kindergartengruppe, mit der sie auch gelegentlich zu einem Spielplatz geht. Dazu muss sie zwei hohe Mauern passieren, an der seit Kurzem fünf Hakenkreuze aufgemalt sind.

Seit 1991 lebt die in der Ukraine geborene Jenia in Deutschland. Das sei nicht immer einfach gewesen, berichtet sie: Schon als Kind sei sie in Israel dafür geschimpft worden, in das Land derjenigen gegangen zu sein, in dem so viele Juden umgebracht wurden.

Die Antwort ihrer Mutter auf die Anwürfe war klar: Wenn keine Juden nach Deutschland zurückkämen, habe der Nationalsozialismus erreicht, was er erreichen wollte.

Jenia Brecht ist mit einem Christen verheiratet und Mutter zweier Söhne. Eindrücklich schilderte sie, wie sich jüdisches Leben seit dem Überfall der Hamas auf Israel auch in Deutschland sehr viel schwieriger gestalte als noch vor Jahren. Sie bekennt, keine Nahostexpertin zu sein, könne aber manche politische Entscheidung Israels nicht nachvollziehen.

Dennoch stehe sie stets auf der Seite Israels. Dass sie Ende der Woche dorthin fliegt, hat private Gründe. Freilich sei sie von ihren Eltern vor der Reise gewarnt worden.

Schülerin versteckt ihren Davidsstern-Anhänger

Markgrafenschüler Justus (16) hat jüdische Mitschüler. Darüberhinaus habe er noch keine jüdischen Menschen getroffen. Der Abend habe ihm sehr viel Informationen gebracht, sagt er, aber er will sich jetzt noch mehr über das Judentum informieren.

Seine Mitschülerin Alina ist selbst Jüdin. Sie zeigte sich sehr beeindruckt von Jenia Brechts Lebenserfahrung und Lebensgeschichte. Ihren Davidsstern trägt sie derzeit nicht offen sichtbar.

Korrektur

In einer früheren Fassung des Artikels hatten wir fälschlicherweise geschrieben, dass die Veranstaltung des Markgrafen-Gymnasiums Durlach die Sichtweise der Zehntklässlerin Ida auf das Thema entscheidend geändert habe. Das ist falsch, die 15-Jährige engagiert sich im Gegenteil schon seit Jahren intensiv in der Erinnerungskultur der Schule. Die entsprechende Passage haben wir daher korrigiert.

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