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Erfolgreiches Format

Arien zwischen Zapfhahn und Flügel: „Opera on Tap“ in der Karlsruher Hemingway Lounge

Opern-Nachwuchs bietet in der Hemingway Lounge Karlsruhe zum Jahresausklang ein spritziges Arien-Vergnügen.

Der Tenor Oliver Huttel bei einem Arien-Abend in der Hemingway Lounge Karlsruhe im Dezember 2023.
Als gewitzter Darsteller erweist sich der Tenor Oliver Huttel mit seiner Interpretation von Mozarts Bildnisarie aus der „Zauberflöte“. Eigentlich schwärmt hier Tamino von Pamina, Huttel aber gibt einen prächtigen, eitlen Gockel, der sich selbst im Taschenspiegel bewundert. Foto: Paul Needham

Immer mittendrin: Wenn in der Hemingway Lounge die „Opera on Tap“ ausgeschenkt wird, die „Oper vom Fass“, dann ist die Trennung von Bühne und Publikum aufgehoben. Dann wird zwischen den Tischen hindurch flaniert, dann steht vielleicht ein Sänger am Einlass und antwortet auf den Gesang, der von ganz hinten kommt, von der zweiten Theke, an der die Speisen zubereitet werden.

Oder aber die junge Dame, die den ganzen Abend am Zapfhahn ihre Arbeit verrichtete, fängt plötzlich an, über die Gedanken eines „Abwaschmädchens in einer Dreipennykneipe“ zu singen, während sie die Gläser füllt.

Oder … aber genug der Beispiele! Bei über 70 Malen „Opera on Tap“, die in der Lounge stattfanden, seit das Format im Jahr 2016 ins Programm genommen wurde, ergäben alleine die Erinnerungen des Kritikers genügend Material für weit mehr als einen Artikel.

Frisch gezapfte Arien dreier Tenöre

Doch frisch soll’s sein wie das Gezapfte: Oliver Huttel, Jonathan Hugelmann und Gianluca Bollinger zeigten ihre Gesangskunst in der letzten „Opera on Tap“ des Jahres. Mit ihnen im Bunde der Pianist David Gatchel, der für die rechte Begleitung sorgte – und dessen Tätigkeit mit dem Wort „Begleitung“ selbstverständlich nur unzureichend gefasst werden kann, denn nur zusammen gelingt das Werk.

Alle Sänger sind Tenöre. Eigentlich hätten an diesem Abend die Damen singen sollen, aber die derzeitige Krankheitswelle verhinderte es.

Kaum mehr als eine Woche blieb, um neue Künstler zusammenzutrommeln. Dass dies gelang, liegt an den exzellenten Beziehungen zur Musikhochschule, die sich durch den 2019 verstorbenen Meisterklarinettisten und Lounge-Urgestein Wolfgang Meyer ergaben.

Das Publikum hat immer getobt.
Anneliese Almasan
Organisatorin der „Opera on Tap“

Mittlerweile ist es Andrea Raabe, die szenische Leiterin der Opernschule, durch die der Kontakt zwischen Lounge und Musikhochschule in Sachen „Opera on Tap“ aufrechterhalten wird. Rasch sagte Oliver Huttel zu und zog seine beiden Kommilitonen mit an Bord, für die es übrigens der erste Auftritt in der Lounge war.

Die „Opera on Tap“ ist zwar keine Karlsruher Erfindung, denn dieses Format gab es bereits in New York, von wo es nach Berlin und andere europäische Städte überschwappte, als dem Lounge-Mitgründer und Vorstand des Trägervereins „Klangkunst in der Hemingway Lounge“, Ullrich Eidenmüller, ein Artikel zum Thema unter die Augen kam.

In der Hemingway Lounge tritt der Opernnachwuchs auf

Weil er eh gerade nach neuen Formaten suchte, kam das wie gerufen und kurze Zeit später gab es den ersten Abend. Das war 2016. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu den anderen frisch gezapften Opern: Während es dort bereits etablierte Opernsängerinnen und -sänger waren, die quasi Werbung für ihre Musik machen wollten, sollte es in der Lounge darum gehen, dem Nachwuchs Gelegenheit zum Auftritt zu geben.

Dass man damit zugleich auch für den klassischen Gesang wirbt, ist ein schöner und, wie es die Stimmen aus dem Publikum nahelegen, wirksamer Nebeneffekt. Auch an diesem Abend erobern die Künstler ihr Publikum mit Leichtigkeit. Ein sehr abwechslungsreiches Programm haben sie sich zusammengestellt. Es reicht vom Barockmeister Händel, streift den Klassiker Mozart, schwelgt in Puccini, champanisiert in der Operette, glitzert im französischen Impressionismus und erzählt in der deutschen Ballade.

Fast alle Nummern des Abends sind in irgendeiner Form szenisch eingebunden. Dabei erweisen sich Huttel, Bollinger und Hugelmann nicht nur als Könner des Kehlkopfs, sondern auch als gewitzte Darsteller. Ein Beispiel: Huttels Interpretation von Mozarts Bildnisarie („Dies Bildnis ist bezaubernd schön“) aus der „Zauberflöte“.

Eigentlich schwärmt hier Tamino von Pamina, Huttel aber gibt einen prächtigen, eitlen Gockel, der sich selbst im Taschenspiegel bewundert wie einst Narzissus sich im Wasser der Quelle. Das gelang, verbunden mit dem hervorragenden Gesang und den Warnungen seiner Kollegen, es lieber sein zu lassen, unglaublich komisch.

Tenöre stimmen auf Weihnachten ein

Etwas fällt an dieser „Opera on Tap“ auf: Auch wenn nur einer allein singt, ist er doch theatralisch mit den anderen verbunden. Wenn Gianluca Bollinger etwa Bachs „Komm, Jesu, komm“ singt, dann wird aus der barocken Arie nach und nach und bis zur Handgreiflichkeit eine Aufforderung an zwei ignorante Gäste (um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: natürlich nur die von Huttel und Hugelmann dargestellten), sich gefälligst zu setzen.

Bei Debussys „Nuit d’etoiles“ hingegen wird bei Hugelmann ein Mini-Weihnachtsbaum zum Ansprechpartner. Apropos Franzosen: Mit Adolphe Adams „Cantique de Noël“ in drei Sprachen stimmten die Tenöre im Terzett zum Finale auf Weihnachten ein. Anneliese Almasan, die Pressesprecherin und Organisatorin der „Opera on Tap“ sagte im Rückblick auf über 70 Veranstaltungen „das Publikum hat immer getobt“. Das war diesmal nicht anders. 

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