Skip to main content

BNN starten Serie

Baukosten bremsen Wohnungsbau aus – Karlsruher Architekt spricht von „Wahnsinn“

Der Baupreisindex ist immer weiter gestiegen. Für viele Investoren rechnen sich die Vorhaben nicht mehr. Ein Karlsruher Architekt spricht von „Wahnsinn“. Besteht Aussicht auf Besserung?

Baustelle eines Neubaus in Stuttgart. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird laut Mieterbund immer dramatischer.
Unsichere Lage: Der Baupreisindex steigt weiter. Für die Schaffung von Wohnraum ist das Gift – Projektentwickler stellen ihre Vorhaben zurück, und das in einer wie selten zuvor angespannten Wohnungsmarktsituation. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

„Es ist der perfekte Sturm“, sagt Thomas Möller. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bauwirtschaft in Baden-Württemberg, schreckt nicht vor deutlichen Worten zurück, um die Lage zu beschreiben.

Corona, Materialengpässe, ein Krieg in Europa und Zinssteigerungen in erheblichem Ausmaß. Die Inflation treibt die Kosten für Bauherren weiter. Der Baupreisindex, ein Indikator für die Preise von Bauleistungen, ist in den vergangenen Jahren unaufhörlich gestiegen.

BNN starten Serie zum Thema Wohnen in Karlsruhe

Es ist einer der schwerwiegendsten Aspekte rund um das Thema Wohnen, das die Badischen Neuesten Nachrichten von diesem Samstag an bis Anfang April täglich mit neuen Inhalten präsentieren. Wer lebt wie in Karlsruhe? Wie entwickeln sich die Mieten? Und was heißt es für Handwerker, die mit den steigenden Preisen umgehen müssen?

Ausgehend vom Jahr 2015, das vom Statistischen Bundesamt 2018 als Basis mit der Kennzahl 100 festgelegt worden war, liegt er derzeit laut der Auswertung des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg bei 150,9 für Wohngebäude und 154,7 für Bürogebäude.

Gerade in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Entwicklung rasant beschleunigt. Hauptgeschäftsführer Möller bezeichnet den Anstieg über 2022 als dramatisch und fürchtet, dass es so weiter geht. „Das wird sich vermutlich weiter verschärfen“, sagt er im Gespräch.

Die Preise schrecken private Investoren ab.
Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Baugewerbes Baden-Württemberg

Auswirkungen auf die Bauindustrie und avisierte Vorhaben hat das mittlerweile auch. „Die Preise schrecken private Investoren ab“, erklärt Möller.

Wann ein in der Karlsruher Oststadt vom Wohnbaukonzern Vonovia geplantes Neubauprojekt begonnen wird, steht in den Sternen. Es geht immerhin um die Schaffung von 150 Wohnungen für die Stadt. Eine Wohnung müsste mit aktueller Kostenkalkulation für 16 bis 18 Euro pro Quadratmeter vermietet werden, um sich für einen Investor zu rechnen. Die Durchschnittsmiete in Karlsruhe liegt derzeit bei zwölf Euro für den Quadratmeter.

In der Fläche hat das Auswirkungen, sagt Möller: „Für das laufende Jahr gehen wir von einem Rückgang beim Wohnungsbau von etwa zehn Prozent aus.“

Schon in diesem Frühjahr könnte es für einige, kleinere Unternehmen der Branche eng werden, fürchtet er. 80 Prozent der Bauunternehmen in Baden-Württemberg seien im Wohnungsbau beteiligt. Und gerade in diesem Segment sei die Problematik besonders ausgeprägt.

Jetzt den Wohnen- und Bauen-Newsletter abonnieren

Mit dem kostenlosen E-Mail-Newsletter „Trautes Heim“ werfen die BNN ein mal pro Woche einen Blick auf den badischen Wohnungs- und Häusermarkt. Die Redakteurinnen und Redakteure verraten beispielsweise, wo Häuslebauer (und solche, die es werden wollen) fündig werden, wo sich Bauarbeiten verzögern und wo bald Abrissbagger anrollen. Und sie geben viele Tipps - von energetischen Sanierungen bis hin zur Grundsteuer.

Jetzt für den Newsletter anmelden.

Eine Hürde im Hausbau seien die gestiegenen Zinsen, erklärt Rüdiger Hauser, Geschäftsführer des Immobilienfinanzierers Fiba Immohyp. „Vor zweieinhalb Jahren lag der Zinssatz bei zehnjähriger Zinsbindung noch bei 0,4 Prozent. Mit einem durchschnittlichen Einkommen konnte man das noch finanzieren“, so Hauser.

Der günstigste Kredit, den er aktuell mit der selben Laufzeit vermitteln könnte, liege bei 3,3 Prozent. „Das ist beinahe eine Verzehnfachung der Zinsbelastung“, sagt Hauser. Langfristig rechne er mit einem Zinssatz von etwa vier Prozent.

Zinsniveau ist Gift für die Vorhaben

Nicolai Weisenburger, geschäftsführender Gesellschafter des Karlsruher Bauunternehmens und Projektentwickler Weisenburger, erklärt: Die Nachfrage sei „stabil und gesund“, mit den aktuell gestiegenen Zinsen seien Immobilienkäufe aber nicht umzusetzen.

Das Unternehmen habe seinen Leistungskatalog optimiert und die Produktivität erhöht. In der Praxis heiße das, auf standardisierte Bauelemente wie Badzellen oder fertige Dachelemente umzustellen.

Im ersten Quartal 2021 wurden weniger Baugenehmigungen erteilt – vor allem bei Einfamilienhäusern.
Stockend: Die Kosten für das Bauen steigen weiter, einzelne Vorhaben werden auf Eis gelegt. Experten sehen aktuell keine Entspannung der Lage. Foto: Jan Woitas/dpa

Weiter stellt das Unternehmen eine Änderung der Nachfrage fest: „Mietwohnungen und Miethäuser werden stärker nachgefragt als Eigentumseinheiten“, sagt Weisenburger. Es fände eine leichte Umlagerung der Auftragsarten statt. Von Eigentumswohnungen hin in Richtung Mietobjekte.

Materialkosten laufen nach Angaben eines Karlsruher Architekten aus dem Ruder

Am Beispiel von Baustahl illustriert Andreas Grube, Bezirksvorsitzender des Kammerbezirks Karlsruhe der Architektenkammer Baden-Württemberg, wie Materialkosten den Baupreisindex nach oben getrieben haben. „Vor der Corona-Krise lag der Preis für eine Tonne verbauten Baustahl bei etwa 1.200 bis 1.350 Euro. Aktuell muss ich mit 2.800 Euro pro Tonne rechnen, bis das Material im Gebäude verbaut ist“, sagt Grube. „Das ist Wahnsinn.“

Für einige Vorhaben bedeute dies eine Pause auf unbestimmte Zeit. „Bauherren lassen sich ein Projekt genehmigen, legen es danach aber erst einmal auf Eis.“ Auch im Architektenbüro GJL+Freie Architekten seien dadurch Aufträge weggefallen. Mitunter wirken sich die Kostensteigerungen auch auf die Entwürfe aus. „Durch Anpassung der Planung, beispielsweise kleinere Fensteröffnungen, lassen sich Kosten sparen.“

Das bedeute nicht, dass es sich um Billigbauten handle. Die Siedlung im Dammerstock aus den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts sei ein Beispiel dafür, wie beim Bauen die Kosten möglichst niedrig gehalten werden können. „Das ist kein Billigbau“, betont Grube.

Aus Architektenperspektive wünscht sich Grube, Bauauflagen seitens der Behörden nicht noch weiter auszuweiten und Arbeitsabläufe in den Ämtern zu verschlanken: „Es geht um kompaktere Verwaltungsprozesse und weniger Regularien im Bau.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang