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Nicht mehr als eine „dekorierte Kiste“?

Debatte um Standort für das Forum Recht: Experten erklären die Auswirkungen von Fassaden

Bei großen Bauvorhaben kann viel schief gehen. Das teilrekonstruierte Berliner Stadtschloss, für das erst im Nachhinein über eine geeignete Nutzung nachgedacht wurde, ist dafür ein prominentes Beispiel.

Blick auf das Markgräfliche Palais am Rondellplatz mit einem der Greifen der Verfassungssäule im Vordergrund
Im Visier: Das Markgräflichliche Palais am Rondellplatz ist in die Debatte als potenzieller Standort für das geplante Forum Recht geraten. Foto: Peter Sandbiller

Von unserer Mitarbeiterin Carmela Thiele

Um sich weltoffen zu zeigen, war man auf die Idee verfallen, die ethnologischen Sammlungen im Zentrum der Hauptstadt zu präsentieren. Nicht bedacht hatten die Verantwortlichen die symbolische Wirkung dieser Maßnahme. Denn die Architektur des Stadtschlosses erinnerte an das Deutsche Kaiserreich und damit an Kolonialismus und Unterdrückung.

Nach lautstarken Aktivisten-Protesten entbrannte im Sommer 2017 bundesweit eine Debatte über das Humboldt-Forum. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die Institution, die im Dezember eröffnet werden soll, von diesem Fehlstart jemals erholen wird. Karlsruhe ist nicht Berlin, aber das Beispiel zeigt, dass die Architektur eines Gebäudes keine beliebige Variable ist. Wenn es darum geht, eine öffentlich wirksame Einrichtung wie das geplante Forum Recht zu etablieren, bedarf es erhöhter Aufmerksamkeit bei der Wahl des Standorts und der Gestalt des Gebäudes.

Diskutiert wird aktuell das Markgräfliche Palais am Rondellplatz, dessen repräsentativer Säulenportikus auf den Stadtbaumeister Friedrich Weinbrenner zurückgeht.

Entscheidung am Dienstag im Gemeinderat

Am Dienstag entscheidet der Gemeinderat über eine erneute Suche nach einem Alternativstandort, im Fokus dabei das Palais. Die BNN haben bei Fachleuten nachgefragt: Wie wirkt eine solche Fassade im 21. Jahrhundert?

Für den Präsidenten der Karlsruher Weinbrenner-Gesellschaft, Ulrich Schumann sind Weinbrenners Säulen keinesfalls Symbole politischer Macht. Sie seien vielmehr Teil der Konstruktion eines modern gedachten Formenraums. Weinbrenner habe in der Verwendung des Motivs nicht zwischen Wohnraum, Rathaus oder Palais unterschieden. Das Markgräfliche Palais sei ein Wohnhaus gewesen, wenn auch mit öffentlichem Charakter.

Dem widerspricht Andreas Denk, Professor für Architekturtheorie an der TH Köln. Das Motiv des Säulenportikus komme aus der römischen Klassik und sei ein Herrschaftsmotiv. Ausgehend von Gebäuden wie dem Pantheon in Rom sei es in die italienische Villenarchitektur und später in die Gestaltung englischer Landsitze eingegangen. Es fand eine Verbürgerlichung des Motivs statt, mit dem sich die Bauherren indirekt auf das römische Lebensideal der Antike bezogen.

Ein Gebäude mit einer zeitgenössischen Funktion braucht einen entsprechenden Ausdruck.
Andreas Denk / Professor für Architekturtheorie

Weinbrenner sei ein Kind der Aufklärung gewesen und stehe für eine bürgerliche Wohnkultur. Ein Herrschaftssymbol sei der Säulenportikus in seiner klassizistischen Version aber dennoch. Für Andreas Denk ist eine in die Zukunft gerichtete Institution in einem Denkmal problematisch: „Ein Gebäude mit einer zeitgenössischen Funktion braucht einen entsprechenden Ausdruck.“

Er erinnert daran, dass es nach 1945 eine Debatte gegeben habe, was eine demokratische Architektur ausmachen könnte, wie hoheitliche Aufgaben dieser Regierungsform sich in einem Gebäude ausdrücken ließen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sei dafür ein gutes Beispiel. Mit seiner Pavillon-Bauweise und den ausgedehnten Glasflächen stehe es für Transparenz und Mehrstimmigkeit.

Es verzichtet auf eine hierarchische Symbolik, wie den Säulenportikus, der im 19. Jahrhundert, aber auch im nationalsozialistischen Bauen üblich war. Skepsis gegenüber einer beliebigen Nutzung eines Gebäudes wie des Markgräflichen Palais äußert auch der Philosoph Christoph Baumberger. Wenn nur das Portal historisch sei, hätte man mit einem dahinter errichteten Funktionsbau nichts anderes als eine „dekorierte Kiste“.

Ist der Bundesgerichtshof doch der bessere Standort?

Der an der ETH Zürich lehrende Professor hat eine Symboltheorie für Architektur entwickelt: „Wenn in einem Denkmal gebaut wird, kommt ein weiterer Referenzrahmen hinzu, der zunächst einmal der neuen Konstruktion gegenüber fremd ist“, sagt er.

Ist also der Bundesgerichtshof doch der bessere Standort? Der bisher für das Forum Recht favorisierte Bauplatz birgt nicht zuletzt aufgrund der heterogenen Bebauung am Karlstor nicht weniger Probleme. Gerade deshalb könne es aber eine spannende Aufgabe sein, dafür eine Lösung zu finden, findet Andreas Denk.

„Ein solches Gebäude muss den vorhandenen Schichten des Bauens eine weitere hinzufügen und sich damit in die gegenwärtige Stadtlandschaft einschreiben“, sagt der Architekturhistoriker, der auch langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift „Der Architekt“ ist. Das sei ein riesiger Schritt, der nur im Rahmen eines Architekturwettbewerbs gefunden werden könne.

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