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Tagestreff für Frauen in Karlsruhe

Der größte Weihnachtswunsch: „Nicht mehr alleine zu sein“

Manche dieser Frauen haben alles verloren. Halt finden sie beim Tagestreff für Frauen in Karlsruhe. Und doch kann die Einrichtung nicht alles ersetzen, was ihnen fehlt.

Ein bisschen Weihnachtsstimmung zaubern auch die Mitarbeiterinnen in den Tagestreff für Frauen. Für viele der Besucherinnen ist Weinachten kein einfaches Fest. Ein offenes Ohr hat für sie stets Leiterin Lissi Hohnerlein (rechts).
Ein bisschen Weihnachtsstimmung zaubern die Mitarbeiterinnen in den Tagestreff für Frauen. Für viele der Besucherinnen ist Weihnachten kein einfaches Fest. Ein offenes Ohr hat für sie stets Leiterin Lissi Hohnerlein (rechts). Foto: Jörg Donecker

„Weihnachten ist grausam“, sagt Solveik und senkt den Blick. Das Fest der Liebe, das viele im Kreis der Familie verbringen, ist für die Karlsruherin jedes Jahr aufs Neue besonders schwer. Wie sie es verbringen wird? „Rollladen runter, Tür zu“, sagt Solveik resigniert. Eine Träne rinnt ihre Wange herab.

Unterstützung und Halt findet Solveik beim Tagestreff für Frauen, einer Einrichtung des Vereins Sozialpädagogische Alternativen (Sozpädal) in Karlsruhe. Hier arbeitet sie in der Kleiderkammer, bekommt ein warmes Mittagessen, trifft andere Frauen, denen es ähnlich geht.

Im Tagestreff Karlsruhe gibt es Waschmaschine, Dusche und Computer

Ein Großteil der Frauen im Tagestreff hat kein Dach über dem Kopf. In der Einrichtung können sie duschen, Wäsche waschen oder den Computer benutzen. Wer dazu in der Lage ist, findet hier auch Arbeit. Zudem gibt es verschiedene Projekte und Kurse, wie etwa einen Alphabetisierungskurs. Einige der Frauen können nicht richtig lesen und schreiben.

Der Treff hat von Montag bis Samstag geöffnet, mittwochs und donnerstags bekommen die Frauen dort auch ein warmes Mittagessen. Gekocht werden einfache Gerichte, die die Frauen ohne viel Aufwand auch in ihren Unterkünften nachkochen können – einige von ihnen wohnen in der Frauenpension des Vereins in der Kaiserallee, andere in einer Obdachlosenunterkunft.

Der gute Engel im Tagestreff ist Leiterin Lissi Hohnerlein. Ihren Angaben zufolge sind täglich zwischen 40 und 80 Frauen in der Einrichtung. Manche wollen einfach Gesellschaft, andere arbeiten hier auf Minijob-Basis. „Manche kommen regelmäßig, weil wir ihre Heimat geworden sind“, sagt Hohnerlein.

Manche kommen regelmäßig, weil wir ihre Heimat geworden sind.
Lissi Hohnerlein
leitet den Tagestreff für Frauen

Auch Solveik kommt viermal in der Woche. Die 59-jährige Karlsruherin lebte selbst vier Monate auf der Straße, mittlerweile hat sie wieder eine Wohnung. Warum sie abgerutscht ist? „Ich habe mir immer schon die falschen Männer ausgesucht“, sagt Solveik. In ihrer Ehe erfährt die Mutter zweier Kinder Gewalt – psychisch und physisch.

Der Ex-Partner stalkt sie, zunehmend hat die Karlsruherin auch mit psychischen Problemen zu kämpfen, hinzu kommt eine Krebserkrankung. Hilfe findet sie bei Sozpädal. Dass sie heute nicht mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten kann, nagt trotzdem an ihr.

Wegen psychischer Probleme landet Stefanie auf der Straße

Stefanie geht es ähnlich. Auch sie arbeitet mittlerweile bei Sozpädal, lebt in ihrer eigenen kleinen Wohnung. Das war nicht immer so. „Ich habe drei Jahre auf der Straße gelebt“, sagt Stefanie. „Ich hatte Psychosen, eine paranoide Schizophrenie.“ Aufgewachsen ist die 57-Jährige im Ruhrgebiet in einem Heim. Zunächst geht sie ihren Weg, macht eine Ausbildung zur Krankenpflegerin, arbeitet in ihrem Beruf.

Irgendwann geht es nicht mehr „Ich hatte Verfolgungswahn – aber lange keine Krankheitseinsicht“, erklärt Stefanie. Sie hat Angst vor Menschen, verbringt die Nächte draußen, „allein mit meiner Tasche“.

Sie ist in ganz Deutschland unterwegs, landet schließlich in Karlsruhe in der Psychiatrie. Dort erkennt sie, dass sie Hilfe braucht. Einfach wird es nicht für Stefanie: „Es hat sicher fünf Jahre gedauert, bis ich aus dem Ganzen wieder raus war.“ Heute ist sie zufrieden mit dem, was sie hat, sagt: „Ich brauche nicht viel.“ Gesundheit und ein Dach über dem Kopf, das sei doch das Wichtigste.

An Weihnachten will sich Stefanie mit Freunden treffen, Familie hat sie hier nicht. Es gibt noch die Schwester, die nach wie vor im Ruhrgebiet lebt und zu der sie seit einer Weile auch wieder Kontakt hat.

In einem anderen Raum sitzt Corinna. Auch ihr Leben ist irgendwann aus dem Ruder gelaufen, erst verliert sie ihren Job, dann die Wohnung, landet am Ende auch auf der Straße. Heute wohnt die 58-Jährige in der Frauenpension von Sozpädal. Auch Corinna arbeitet im Tagestreff für Frauen. „Ohne die Arbeit“, sagt sie, „säße ich tieftraurig in meinem Nest.“

Ohne die Arbeit säße ich tieftraurig in meinem Nest.
Corinna
besucht den Tagestreff für Frauen

Sie ist froh über die Hilfe, die sie hier erfährt. Die Sozialarbeiterinnen helfen auch bei Behördengängen oder bei der Post. Alltägliche Dinge, die viele der Frauen überfordern, weiß Tagestreff-Leiterin Lissi Hohnerlein. „Alleine gehe ich nicht mehr aufs Amt“, sagt Corinna.

Der größte Weihnachtswunsch: Nicht mehr alleine zu sein

Wenn Solveik sich etwas zu Weihnachten wünschen dürfte, es wäre nichts Materielles. „Nicht mehr alleine zu sein“, sagt sie. Jetzt gilt es aber für sie erst einmal, die Feiertage hinter sich zu bringen. Zwar gebe es für sie die Möglichkeit, mit Familie oder Freunden zu feiern. „All diese Pärchen“ könne sie aber zu Weihnachten schlecht ertragen.

Stefanie nickt, während Solveik spricht, dann sagt sie: „Früher wäre es mir auch so gegangen.“ Mittlerweile habe sie sich selbst ein Stück weit abgekapselt, „da tut das nicht mehr so weh“.

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