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Unterstützerverein schlägt Alarm

In Karlsruhe gibt es immer mehr Familien ohne Wohnung

Die Zahl von Familien in Karlsruhe, die ihre Wohnung verlieren, steigt. Der Verein Sozpädal kennt die Hintergründe und weiß auch einiges zu den Dunkelziffern.

Ein Kind steht in einem Hotel an einem Fenster.
Kind sein im Hotelzimmer: Auch in Karlsruhe müssen immer mehr Familien zumindest zeitweise ohne eigene Wohnung leben. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Auf der Straße leben: Das ist, was die meisten Menschen mit der Horrorvorstellung „wohnungslos“ verbinden. Die Wirklichkeit ist oft tatsächlich extrem belastend, aber anders.

Real machen Erwachsene mit minderjährigen Kindern, Familien also, 47 Prozent und damit fast die Hälfte all derjenigen aus, die deutschlandweit in Unterkünften der Kommunen oder Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht sind.

Das ergeben die Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Die Zahl der betroffenen Familien ist in Karlsruhe gestiegen, sogar extrem.
Lissi Hohnerlein
Leiterin des Tagestreffs für Frauen

Karlsruhe mit seinem seit Jahren angespannten Wohnungsmarkt liegt in dieser Hinsicht komplett im Trend. „Die Zahl der betroffenen Familien ist in Karlsruhe gestiegen, sogar extrem“, beobachtet Lissi Hohnerlein vom Verein Sozialpädagogische Alternativen (Sozpädal).

Der Karlsruher Verein ist auf Wohnungslosenhilfe spezialisiert und bundesweit vernetzt. Hohnerlein leitet den Tagestreff für Frauen (Taff) von Sozpädal in der westlichen Innenstadt.

Ein wohnungsloser Mann kauert sich an die Wand eines historischen Gebäudes.
Ein Wohnungsloser kauert sich in der Durlacher Fußgängerzone an die Sandsteinmauer des Rathauses. Foto: Ekart Kinkel

Damit bestätigt Hohnerlein eine aktuelle Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die gezielte Zusammenstellung entsprechender Daten ist erst die Zweite ihrer Art.

372.000 Menschen waren laut Statistischem Bundesamt zu Jahresbeginn (31. Januar 2023) bundesweit in Unterkünften der Kommunen oder Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht.

Krisen und Wohnungsmangel sind eine bedrohliche Kombination

Die Fachleute sind sich Hohnerlein zufolge einig, wie sich die Folgen von Krisen in Kombination mit dem anhaltenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum zeigen: unabhängig von Herkunft und Nationalität und grundsätzlich verzögert.

„Während Corona“, berichtet Hohnerlein, „hatten wir überraschend wenig Veränderung.“ Ebenso sei es im Jahr 2015 nach dem Eintreffen besonders vieler Flüchtlinge in Deutschland gewesen.

Und auch der Ukraine-Krieg habe sich nicht sofort bemerkbar gemacht: „Die ukrainischen Familien werden jetzt noch einigermaßen versorgt.“

Es wäre ein Trugschluss, Wohnungslosigkeit auf Flucht und Migration zurückzuführen.
Werena Rosenke
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe

„Es wäre ein Trugschluss“, betont die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Werena Rosenke, „Wohnungslosigkeit auf Flucht und Migration zurückzuführen.“

Die Hauptursachen sind immer dieselben

Wichtige Gründe und hauptsächliche Auslöser von Wohnungslosigkeit seien nach wie vor Kündigungen, Mietschulden, Erkrankungen oder häusliche Gewalt, so die Arbeitsgemeinschaft.

Rund 500 von Wohnungslosigkeit Betroffene hatte Karlsruhe relativ konstant in den zurückliegenden Jahren offiziell unterzubringen.

Damit hebt sich die Stadt im bundesweiten Vergleich zwar positiv ab. Dennoch sehen die Aktiven der Wohnungslosenhilfe in Karlsruhe einen seit Jahren bestehenden Fehlbedarf von mindestens 300 Wohnungen. Das entspricht 500 Menschen ohne Obdach.

Die Zahl betroffener Karlsruher ist stark gestiegen

Inzwischen allerdings sei die Zahl derer, die rechtlich untergebracht werden müssen, erheblich gestiegen, streicht Hohnerlein heraus.

560 Betroffene seien es im vergangenen Monat gewesen, darunter 60 Familien. Und das Ende der Fahnenstange sei sicher nicht erreicht, warnt sie.

„Wir gehen von einer erheblichen Dunkelziffer aus“, sagt die Leiterin des Tagestreffs für wohnungslose Frauen außerdem.

Denn Erwachsene mit Kindern, die ihre Wohnung verlieren, werden durch die Stadt in Hotels und Pensionen untergebracht.

Für junge Erwachsene hingegen ist dies überwiegend nicht der Weg. „Wir haben über sie wenig Zahlen“, sagt Hohnerlein.

Wer sich irgendwie durchschlägt, wird nicht mitgezählt

Der Grund ist der: Haben junge Frauen und Männer kein Dach über dem Kopf, kommen sie eher bei Verwandten, Freunden oder Bekannten vorübergehend unter, gehen prekäre Mitwohnverhältnisse ein oder leben ganz auf der Straße.

Wer sich auf solche Weise irgendwie durchschlägt, ist in der Statistik nicht mitgezählt. Dabei sind dies nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe immerhin knapp 70 Prozent aller akut wohnungslosen Menschen.

Die Arbeitsgemeinschaft stützt sich in dem Punkt auf Daten der Dienste und Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe.

Mehr als 300 Karlsruher nutzen zurzeit zwei große Notadressen

Die aktuelle Situation in Karlsruhe schätzen die Fachleute auch daran ab, wie viele Menschen die Postadressen des Tagestreffs für Frauen (Taff) in der Belfortstraße und der Beratungsstelle für wohnungslose Männer in der Kriegsstraße nutzen.

Männer bedienen sich an einem Tisch mit Essen.
Im Tagestreff „Tür“ in der Kriegsstraße erhalten wohnungslose Männer, hier ein Archivfoto, Essen und weitere Unterstützung. Foto: Jörg Donecker

Rund 70 Frauen und Paare sind dies gegenwärtig im Taff, so Hohnerlein. Bei der Anlaufstelle für Männer sind es nach Angaben des Sozialarbeiters Christoph Schindler aktuell über 230 Personen.

Damit von Wohnungsnot bedrohte Karlsruher Einwohner, insbesondere Erwachsene mit Kindern, gar nicht erst das Dach über dem Kopf verlieren, gibt es die Fachstelle für Wohnungssicherung der Stadt im Rathaus an der Alb.

In konkreten Notlagen, etwa wegen einer Erkrankung, springt die Stadt ein, indem sie zum Beispiel vorerst die Miete zahlt.

Kontakt

Fachstelle für Wohnungssicherung der Stadt Karlsruhe, Rathaus an der Alb, Ernst-Frey-Straße 10, Telefon (07 21) 1 33 54 15. Sprechzeiten sind montags bis mittwochs 8 bis 12 Uhr und 14 bis 15.30 Uhr, donnerstags 8 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr, freitags 8 bis 12 Uhr.

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