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Neue Analyse vorgelegt

Kostbares Lithium lockt: KIT-Forscher werben mit Nachdruck für Geothermie

In der Bevölkerung gibt es Ängste und Vorbehalte gegen die Geothermie. Karlsruher Wissenschaftler machen jetzt einen neuen Vorstoß für die Erdwärmenutzung.

Innenaufnahme des Geothermiekraftwerks Bruchsal des Energiekonzerns EnBW.
Das Geothermie-Kraftwerk der EnBW in Bruchsal läuft bereits seit 2009. Geplante andere Projekte in der Oberrheinregion sind umstritten. Foto: Uli Deck/dpa

Die Energiekrise hat der umstrittenen Geothermie schon zu neuer Attraktivität verholfen und manche Ängste in der Bevölkerung zurückgedrängt. Die Wärme aus dem Erdreich könnte beträchtliche Mengen an fossilen Energieträgern ersetzen und klimaschädliche Treibhausgase vermeiden.

Nun trommeln Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit Nachdruck auch aus anderen Gründen für die Geothermie: Der kostbare Rohstoff Lithium könnte aus dem warmen Tiefenwasser gewonnen werden.

Begehrter Rohstoff für Batteriespeicher-Herstellung

„Theoretisch könnten bestehende Geothermiekraftwerke im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken zwischen zwei und zwölf Prozent des jährlichen Lithiumbedarfs in Deutschland decken“, mit diesen Worten zitiert die Karlsruher Exzellenz-Universität ihren Experten Valentin Goldberg.

Das chemische Element Lithium wird für die Herstellung von Batteriespeichern benötigt. Prinzipiell neu ist die Verheißung von Lithium aus dem Rheingraben nicht. Der Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) hat nach Angaben des KIT mit seinem Team aufgrund einer umfangreichen Datenanalyse aber nicht nur das Potenzial berechnet, das im Erdreich schlummert.

Ein Abbau ist mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich.
Valentin Goldberg
KIT-Forscher

Er wagt jetzt auch einen optimistischen Ausblick, ob eine Förderung überhaupt über einen längeren Zeitraum möglich wäre. „Nach unseren Erkenntnissen ist ein Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich“, erklärt Goldberg in der Mitteilung.

„Das für die Studie entwickelte Modell beschreibt eine mögliche Lithiumförderung im Oberrheingraben, die Parameter sind aber so gewählt, dass sie sich auch auf andere Kluftsysteme übertragen lassen.“ Nach Angaben der Karlsruher Experten produziert Europa bisher nur ein Prozent der weltweiten Lithium-Fördermenge.

Der begehrte Rohstoff wird im Thermalwasser gelöst und kommt laut Goldsteins Kollege Fabian Nitschke in einem weitverzweigten Netz aus Hohlräumen und Klüften im Gestein vor: „Die Größe des Reservoirs hängt daher von der Wassermenge ab, die über die Bohrungen hydraulisch erschlossen werden kann.“

Angelehnt an die Untergrundverhältnisse des Oberrheingrabens haben die Wissenschaftler demnach thermische, hydraulische und chemische Prozesse gekoppelt betrachtet.

Durch Verdünnung würde Lithium-Konzentration abnehmen

Untersucht haben die Karlsruher Forscher auch die Frage, ob der Lithiumgehalt im Tiefenwasser allmählich abnimmt, da das geförderte Wasser wieder ins Erdreich zurückgeleitet wird.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Lithiumkonzentration in der Förderbohrung im ersten Drittel des Betrachtungszeitraums von 30 Jahren durch Verdünnung mit dem zurückgeführten Wasser zwischen 30 und 50 Prozent abnimmt“, teilt das KIT mit. „Danach nähert sie sich aber einem konstanten Wert an.“

Dies sei auf ein „offenes Kluftsystem zurückzuführen, das kontinuierlich frisches Tiefenwasser aus anderen Richtungen nachliefert“. Eine permanente Förderung des begehrten Rohstoffs sei daher über Jahrzehnte möglich.

Skepsis in der Bevölkerung ist seit Staufen-Desaster groß

In der Bevölkerung ist das Misstrauen gegenüber der Geothermie-Ausbeutung jedoch groß. Dazu haben vor allem die negativen Erfahrungen der Stadt Staufen und der elsässischen Region um Vendenheim beigetragen.

In der idyllischen Altstadt von Staufen sind zahlreiche Häuser von Rissen durchzogen und stark beschädigt, seit die Gemeinde ein relativ kleines Geothermie-Projekt anging: Das Rathaus sollte mit Wärme aus dem Erdreich versorgt werden. Doch das Öko-Vorzeigeprojekt von 2007 geriet zum Desaster: Bei der Bohrung vermischte sich Wasser mit einer Mineralschicht im Boden – das neu entstehende Gipsgestein dehnte sich aus und hob die Erde an. Bis heute hält der Effekt an.

Manche Gebäude konnten nur noch abgerissen werden. Die Bilder von der stark geschädigten Altstadt von Staufen hat sich in den Köpfen vieler Menschen im Südwesten festgesetzt und Vorbehalte gegenüber der Geothermie zementiert.

Erdbeben-Serie in Vendenheim erschütterte Vertrauen in Technik

Viel Vertrauen hat auch eine Erdbebenserie im Raum Straßburg erschüttert: Bei Geothermie-Bohrungen des französischen Unternehmens Fonroche in Vendenheim kam es zu heftigen Nebenwirkungen.

Die Beben verursachten Risse an Häusern in der deutsch-französischen Region. Gutachter kamen später zu dem Ergebnis, dass vieles bei der Tiefenbohrung schiefging: Es sei zu tief gebohrt, mit zu hohem Druck und zu viel Grundwasser gearbeitet worden.

Wissenschaftler und Unternehmen wie die Firma Vulcan Energy, die in der Rheinebene gerne Geothermie und Lithium fördern will, versuchen die Bevölkerung nimmermüde davon zu überzeugen, dass die Technik beherrschbar ist und ökologische und wirtschaftliche Vorteile birgt. Bürgerinitiativen im Badischen und in der Pfalz warnen weiterhin vor gefürchteten Folgen der Erdwärme-Nutzung: Immobilien könnten beschädigt werden und im Preis fallen, das Grundwasser könnte verunreinigt werden, so die Sorge der Geothermie-Gegner.

Angst vor abstürzenden Immobilienpreisen

Erst kürzlich protestierten Bürger in Neustadt an der Weinstraße mit diesen Argumenten gegen ein Lithium-Vorhaben. In Landau betreibt Vulcan beim Geothermie-Kraftwerk bereits eine Demonstrationsanlage zur Lithiumgewinnung. Das Unternehmen „begrüßte“ den neuen Vorstoß der KIT-Forscher.

Im Raum Karlsruhe läuft ein Geothermie-Bohrprojekt der Deutschen Erdwärme. Pläne für Tiefenbohrungen gibt es auch in Dettenheim, Karlsruhe-Neureut und Waghäusel sowie im Raum Bühl/Kehl. Der große Energieversorger EnBW betreibt bereits seit dem Jahr 2009 ein Geothermie-Kraftwerk in Bruchsal.

Karlsruher Wissenschaftler liefern Argumente für „breiten Ausbau“ der Geothermie

Die Wissenschaftler des KIT werten ihre neuen Datenanalysen als weiteres Argument für den „breiten Ausbau“ der Geothermie. „Wir wussten bereits, dass die Geothermie uns über Jahrzehnte grundlastfähige, erneuerbare Energie liefern kann“, erklärte nun KIT-Professor Thomas Kohl, der die Forschung für Geothermie und Reservoir-Technologie leitet.

„Unsere Studie zeigt nun, dass ein einziges Kraftwerk im Oberrheingraben zusätzlich bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Lithiumbedarfs decken könnte.“

KIT kooperiert mit Industrie

Auf dem Gebiet der Geothermie arbeitet das KIT selbst mit Partnern aus der Industrie zusammen. Staatliche Forschungsgelder von Land, Bund und Europäischer Union fließen in mehrere Projekte.

Auf dem eigenen Campus Nord, dem Gelände des früheren Forschungszentrums, arbeiten KIT-Forscher an einem Geothermie-Projekt zur Wärmespeicherung. Warmes Erdwasser, das im Sommer nicht verbraucht wird, soll für Kälteperioden gespeichert werden. Dazu bohren die Wissenschaftler aber nur rund 1.300 Meter tief, also längst nicht so tief wie in Vendenheim (rund 5.000 Meter) oder Graben-Neudorf (3.800 Meter). Ängste gibt es aber auch hier.

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