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Anklage gegen Gruppe Reuß

„Reichsbürger“: Generalbundesanwalt klagt Ettlinger und Pforzheimer an

Die Bundesanwaltschaft hat gegen 27 Terrorverdächtige der „Reichsbürger“-Gruppe Reuß Anklage erhoben. Unter den Angeschuldigten sind ein Pforzheimer Ex-Soldat und ein Ettlinger Ingenieur. Das wird ihnen vorgeworfen.

Polizeibeamte verhaften Marco H. am 7. Dezember 2022 in Pfinztal-Wöschbach.
Gegen den bei der Reichsbürger-Razzia im Dezember 2022 in Pfinztal-Wöschbach verhafteten Pforzheimer Marco H. ist nun Anklage erhoben worden. Laut Generalbundesanwalt kommt ihm eine zentrale Rolle in der mutmaßlichen Terror-Gruppe Reuß zu. Foto: Franz Feyder

Die Bundesanwaltschaft hat nach der großangelegten Anti-Terror-Razzia gegen sogenannte Reichsbürger vor rund einem Jahr erstmals Anklage erhoben. Es geht um insgesamt 27 Tatverdächtige, wie die Behörde am Dienstag in Karlsruhe mitteilte.

Sie wirft diesen unter anderem Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Die Verfahren sollen vor den Oberlandesgerichten in Frankfurt am Main, München und Stuttgart geführt werden.

Unter den Angeschuldigten, die sich bald vor Gericht verantworten sollen, stammen mehrere aus Nordbaden beziehungsweise haben einen engen Bezug zur Region. So wie der mutmaßliche Chef des „militärischen Arms“, der ehemals in Bruchsal und Calw stationierte Elitesoldat Rüdiger von P. und der Gründungsstabschef des Calwer Kommandos Spezialkräfte (KSK), Maximilian Eder.

Bundesanwaltschaft bestätigt BNN-Recherchen zu Reichsbürgern

Hinsichtlich des ebenfalls dem „militärischem Arm“ zugerechneten Marco v. H. bestätigt die Bundesanwaltschaft in einer Pressemitteilung vom Dienstag auch mehrere Berichte der Badischen Neuesten Nachrichten.

Dem 50-jährigen Ex-Soldat aus Pforzheim kommt nach Ansicht der Ermittler eine zentrale Rolle in der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Verschwörung zu. Denn er gab vor, zu einem ausländischen Geheimbund namens „Allianz“ Kontakt zu haben. Auf ein Signal dieser ominösen Vereinigung wollten die Reuss-Verschwörer in Deutschland mit ihrem Putsch beginnen, so die Überzeugung der Ermittler.

In der Mitteilung der Bundesanwaltschaft heißt es: „Marco v. H. gehörte der Vereinigung spätestens seit Januar 2022 als Mitglied an. Ihm kam in der Vereinigung eine zentrale Rolle zu, da er behauptete, direkt mit der Allianz in Kontakt treten zu können.“

Der arbeitslose Pforzheimer behauptete unter anderem, dass er für die Allianz Kinder aus Erdtunneln befreit habe. Das erinnert stark an die QAnon-Verschwörungsideologie, die westliche politische Eliten als pädophile Verbrecher darstellt.

Pforzheimer Verbindungsoffizier zu ominöser ausländischer Macht?

„Im Vertrauen hierauf wurde dem Pforzheimer innerhalb des militärischen Arms die Funktion des Verbindungsoffiziers zu diesem Geheimbund übertragen“, so ergaben die Ermittlungen. Dementsprechend soll der Pforzheimer „an nahezu allen Koordinierungs- und Rekrutierungstreffen des militärischen Arms, aber auch an Zusammenkünften mit Mitgliedern des Rats“ teilgenommen haben.

Marco v. H. kam eine zentrale Rolle zu.
Bundesanwaltschaft
in einer Mitteilung

Zudem soll Marco v. H., der in der Pforzheimer Coronaleugner-Szene aktiv war, im gesamten Bundesgebiet eng in den Auf- und Ausbau der sogenannten Heimatschutzkompanien eingebunden gewesen sein. Die erste dieser Heimatschutzkompanien soll bereits von einem Mitbeschuldigten in Horb gegründet worden sein.

Die beiden Männer gehören zu den neun Personen, gegen die unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens sowie versuchten Mordes vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Anklage erhoben wurde.

Ettlinger Ingenieur sollte Kommunikation der Verschwörer verschlüsseln

Dazu gehört auch der Ettlinger Ingenieur Wolfram S., der sich laut Bundesanwaltschaft spätestens im August 2022 der Vereinigung als Mitglied anschloss. Er befasste sich demnach mit dem Aufbau der IT-Struktur und beschaffte für die Vereinigungsmitglieder Laptops, die er mit einer einheitlichen Verschlüsselungstechnik versah.

Hierüber sollte eine abhörsichere Kommunikation und ein geschützter Datenaustausch des Führungsstabs des „militärischen Arms“ ermöglicht werden. Daneben plante er den Aufbau mehrerer zentraler Datenbanken zur Erfassung von Informationen etwa im Hinblick auf die „Heimatschutzkompanien“.

Die Demokratie sollte mit Waffengewalt abgeschafft werden

Die Beschuldigten sollen allesamt vorgehabt haben, das politische System in Deutschland zu stürzen. Sie hätten bewusst Tote in Kauf genommen. Strukturen für eine eigene Staatsordnung hätten sie in Grundzügen schon ausgearbeitet, hatten die Ermittler damals erklärt.

Als Staatsoberhaupt hätte Heinrich XIII. Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die ehemalige Richterin und AfD-Bundestagsabgeordnete Brigitte Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen.

„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen beziehungsweise überwinden wollen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene im vergangenen Jahr rund 23.000 Anhänger zu (2021: 21.000). Bei mehr als fünf Prozent, rund 1.250 Menschen, handele es sich um Rechtsextremisten. Als gewaltorientiert gelten demnach etwa 2.300 der Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“.

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