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Plauderstunde mit Bernd Gnann

Auch unvorbereitet unterhaltsam: Harald Schmidt spottet im Kammertheater Karlsruhe

Fiese Sprüche über Gottschalk, Fachsimpelei über Herrenstrümpfe und Anekdoten aus der Studentenzeit: Harald Schmidt bescherte beim „unvorbereiteten Abend“ dem Publikum im Kammertheater Karlsruhe reichlich Vergnügen.

Harald Schmidt und Bernd Gnann (rechts) im Kammertheater Karlsruhe, 20.03.2023
Viel Spaß am eigenen spöttischen Geplauder hatten Harald Schmidt und Bernd Gnann (rechts) bei ihrem „unvorbereiteten Abend“ im ausverkauften Kammertheater Karlsruhe. Foto: Paul Needham

Harald Schmidt weiß, wie man zu Erfolg kommt: Er muss einem egal sein. Fernsehen habe ihn nie besonders interessiert, sagt der Mann, der von 1995 bis 2003 als König des Late-Night-Talks galt.

„Ich habe mir immer gesagt: Wenn’s euch nicht gefällt, dann geh’ ich halt wieder auf die Bühne. Dadurch hatte ich eine Lockerheit, die wohl gut ankam.“

Harald Schmidt und Bernd Gnann verbinden drei Dinge

Über seine Liebe zur Bühne spricht Harald Schmidt auf einer Bühne: Es ist Montagabend und der einstige Starmoderator, der sich vom Fernsehen weitgehend zurückgezogen hat, plaudert im Kammertheater Karlsruhe mit dessen Geschäftsführer Bernd Gnann. Den verbinden drei Dinge mit Schmidt: Beide sind Schwaben, beide sind von Haus aus Schauspieler, und beide haben ihr Metier an der Hochschule für Darstellende Kunst in Stuttgart gelernt.

Auf dieser Verbindung beruht auch die Veranstaltung. Nicht, dass Schmidt und Gnann Kommilitonen gewesen wären: Als Gnann 1992 seinen Abschluss machte, hatte Schmidt bereits elf Berufsjahre hinter sich, als Stadttheater-Schauspieler in Augsburg, Kabarettist und Moderator von Sendungen wie „MAZ ab!“ und „Schmidteinander“.

Mit fünf SMS hatten wir den Abend hier organisiert.
Bernd Gnann, Kammertheater Karlsruhe

Aber die Beerdigung des gemeinsamen Hochschulleiters Felix Müller vor wenigen Monaten brachte sie zusammen, wie Gnann erzählt: „Da hab’ ich dem Harald seine Handynummer abgequatscht und mit fünf SMS hatten wir den Abend hier organisiert.“

Organisiert ist die Veranstaltung vor allem logistisch: Der Saal ist seit Wochen ausverkauft, Gnanns Leib- und Magenmusiker Igor am Akkordeon steuert Musik bei, Gnann verteilt Karotten und lässt zur Pause Pizza für alle auffahren, wie man es aus seinem erfolgreichen Programm-Dauerbrenner „Die Made“ kennt. Was das Publikum inhaltlich erwartet, steht auf dem Plakat und den Eintrittskarten: „Ein unvorbereiteter Abend“.

Sprunghaft, aber ohne Durchhänger

Das ist einerseits glaubhaft, da sich Schmidt und Gnann ziemlich sprunghaft durch unterschiedlichste Themen bewegen. Andererseits kommt das gut zweistündige Geplauder so unterhaltsam und ohne Durchhänger daher, dass man konstatieren muss: Wirklich unvorbereitet können jahrzehntelang erfahrene Bühnenprofis offenbar gar nicht sein.

Schmidt ist zwar bekannt dafür, in der Öffentlichkeit immer eine Rolle zu spielen. Auch im Gespräch mit Gnann erklärt er, bei privaten Fragen in Interviews einfach etwas zu erfinden. Das sei die beste Methode, das tatsächliche Privatleben auch privat zu belassen. Und er liefert gleich ein Beispiel: Gnann fragt, wie er es schaffe, dass man nichts über seine Familie erfahre. Schmidts Antwort: „Ich kenne sie ja zum Teil selber nicht.“

Sieht man zeitweise den wahren Harald Schmidt?

Doch auch wenn er nichts wirklich über sich verrät, ist an diesem Abend zeitweise wohl doch der wahre Harald Schmidt zu sehen. Nicht in dem, was er sagt oder wie er es sagt. Sondern an seiner Freude daran, vor Menschen zu sprechen und bei diesen damit etwas auszulösen. Vorzugsweise Heiterkeit - die unmittelbarste und vernehmlichste aller Publikumsreaktionen.

So sei der Harald schon während der Studienzeit gewesen, erfährt das Publikum. Weder durch Gnann noch durch Schmidt, sondern durch einen Besucher, der seinerzeit im gleichen Studentenwohnheim untergekommen war. „Ich war Zimmer 105 und du 109“, ruft er von der Empore auf die Bühne. „Wo war 105 noch mal, an der Dusche vorbei oder noch davor?“, fragt Schmidt zurück. Und räumt ein: Er habe bei gemeinsamen Wohnheim-Aktionen tatsächlich nie gekocht, Getränke mitgebracht oder geputzt. „Ich habe nur monologisiert und Theaterkarten organisiert.“

Gedankenschnell geht’s zu Thomas Gottschalk

Dass der einstige Wohnheimgenosse mittlerweile als Internist in Bruchsal arbeitet, begeistert Schmidt: „Ich bin totaler Propofol-Fan.“ Und nutzt das Thema Medizin sofort für einen Spott-Schlenker zu einem anderen Ex-Starmoderator, der noch nicht so richtig vom Fernsehen lassen kann. Schmidt muss nicht mal den Namen nennen: „Bei ‘Wetten, dass...?’ sitzt jetzt ja auch ein Zahnarzt auf dem Sofa. Falls bei den Worten ‘Michelle Hunziker’ mal die Zahnprothese rausfällt.“ Kleine Pause. „Falls ihm der Name noch einfällt.“

Schmidt, das wird an diesem Abend deutlich, fällt nach wie vor so einiges ein. Und das oft sehr gedankenschnell. Als die Veranstaltung für Publikumsfragen geöffnet wird, fragt ein Besucher angesichts Schmidts bemerkenswert stramm sitzender Socken, ob er Sockenhalter trage. Prompt enthüllt Schmidt seine Kniestrümpfe und hebt an zu einer minutenlang eskalierenden Fachsimpelei über seine Lieblingsmarke.

„Ich bin Falke-süchtig“, behauptet er, zählt die Vor- und Nachteile einzelner Modelle auf und schließt damit, dass Modell No. 7 selbst ihm zu empfindlich sei: „Da sind die Fersen schon durchgelaufen, wenn ich nur vom Auto in den Westflügel meines Anwesens gehe.“

Zum Elternabend fahre ich im rostigen Lada, um Solidarität zu signalisieren.
Harald Schmidt, Kabarettist und Schauspieler

Ja, die herablassende Ironie der hochgezogenen Augenbraue steht ihm immer noch gut. So kommentiert er das soziale Gefüge („Zum Elternabend fahre ich im rostigen Nissan, um Solidarität zu signalisieren“), den Schwund der Kirche („Vor zwei Wochen war ich in Stuttgart im 11-Uhr-Gottesdienst. Wir waren zwölf Leute, und ich war der Jüngste.“) oder sein eigenes Schaffen („Ich lebe ja davon, dass ich, wenn die Börsen geschlossen haben, so etwas wie hier auf der Bühne mache.“)

Treffsicher ist auch sein Gespür für Themen. Das habe er beim Fernsehen gelernt, erzählt er: „Die erfolgreichsten Sendungen sind die über Dinge, bei denen die Leute mitreden können.“ Weshalb sein Sidekick Manuel Andrack mal in einer Show ein Billy-Regal aufbauen musste.

Rund ein Vierteljahrhundert später findet Schmidt die Nähe zum Publikum durch Alltagsbeobachtungen, bevorzugt von älteren Ehepaaren auf Kreuzfahrtschiffen, wie er sie durch seine Rolle als Schiffsarzt auf dem ZDF-„Traumschiff“ erlebt. Über dieses Engagement sagt er übrigens: „Mein Motto ist: Drehort geht vor Inhalt.“

„Tatort“ im Schwarzwald war ihm „zu anstrengend“

Deshalb habe er auch den Part als Polizeichef im Schwarzwald-„Tatort“ schon vor der ersten Folge wieder aufgegeben. „Die ganzen Ankündigungen und die Pressekonferenz fand ich toll. Aber für einen Dreh mitten im Schwarzwald morgens um fünf aus der Pension Uschi abgeholt zu werden, wo es statt Kaffee nur flüssiges Sodbrennen gibt - das war mir dann doch zu anstrengend.“

Für die Anreise ins Badische gilt das offenbar nicht: Nach zwei Abenden in Karlsruhe ist Harald Schmidt am Mittwoch noch im Kurhaus Baden-Baden zu Gast, bei der ebenfalls bereits ausverkauften Premiere der neuen Talkreihe „Schoog im Dialog“ mit Bernadette Schoog im Kurhaus.

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