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Wegen Protest

Im Ringen um die Abholung der Wertstofftonne ist in Karlsruhe nun noch mehr Geduld gefragt

Nach der Rüge eines Mitbewerbers erwartet die Stadt Karlsruhe wochenlange Verzögerungen. In über 6.000 Häusern wird es keinen Vollservice mehr geben.

Eine Wertstofftonne muss über einige Treppenstufen nach oben geschleppt werden.
In der Hirschstraße stehen einige Häuser, in denen mehr als eine Stufe zum Abstellplatz der Mülltonnen zu überwinden ist. Bewohnerin Erika Morvay ist verärgert über das Vorgehen. Foto: Jörg Donecker

Im Debakel um die Sammlung des Karlsruher Wertstoffmülls müssen sich die Menschen noch einmal in Geduld üben. Bei einem Pressegespräch im Karlsruher Rathaus erklärt Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD): Mittlerweile habe sich ein im Vergabeverfahren unterlegener Mitbewerber gemeldet. Das werde nach Einschätzung der Stadt die Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses um mehrere Wochen hinauszögern.

Um welchen Beschluss geht es noch einmal? Der Gemeinderat stimmte der Lösung zu, dass Wertstofftonnen, die höchsten 27 Meter vom Abholort entfernt sind und bei deren Abholung maximal eine Stufe zu überwinden ist, von dem Unternehmen Knettenbrech + Gurdulic (K+G) vom Grundstück bis zum Müllfahrzeug befördert werden. Auf diesen Vollservice „light“ konnten sich Stadt und K+G einigen – für Mehrkosten, die bei etwa 1,5 Millionen Euro liegen.

Stadt Karlsruhe widerspricht der Beschwerde eines Mitbewerbers

„Wir können mit der Umsetzung davon aber nicht beginnen“, erklärt Mentrup. Durch eine sogenannte Vergaberüge eines anderen Entsorgungsunternehmens, die die Stadt erreicht habe, könne K+G die zusätzlichen notwendigen Fahrzeuge nebst Personal nicht beschaffen. „Wir sprechen hier über drei Müllautos, mit je drei bis vier Leuten“, erläutert K+G-Geschäftsführer Patric Gurdulic.

Die Vergaberüge hält die Stadt für unwirksam, so zumindest die Rechtsauffassung im Rathaus. Das habe man dem Mitbewerber von K+G auch mitgeteilt, betont Mentrup weiter. „Wir gehen davon aus, dass der Mitbewerber die Vergabekammer anrufen wird. Die werden dann über die Rüge entscheiden müssen.“

Binnen fünf Wochen sollte die Kammer, die zum Regierungspräsidium Karlsruhe gehört, dann entscheiden. Solange werde der Wertstoffmüll in Karlsruhe weiter ohne den Vollservice „light“ abgeholt werden. Was danach passiert, hängt davon ab, ob die Kammer die Rechtsauffassung der Stadt teilt.

Eine Vergabekammer kann entscheiden, dass ein Vorgehen unrechtmäßig war. Die nicht weisungsgebundene Kammer kann einen Antrag aber auch ablehnen. In jedem Fall ist die Entscheidung auch per Gerichtsklage anfechtbar. Den Karlsruherinnen und Karlsruhern könnte im ungünstigen Fall ein langes Hin und Her im Wertstoffeklat drohen.

Müll wird in eine Wertstofftonne geworfen.
Die Karlsruherinnen und Karlsruher waren zum großen Teil lange Jahre gewohnt an einen Vollservice. Der wird für viele Menschen so nicht mehr möglich sein. Foto: Jörg Donecker

Nach Ansicht der Stadt sei die im Gemeinderat beschlossene 1,5 Millionen Euro teure Regelung als Spezifizierung einer schon getroffenen vertraglichen Abmachung zu werten, erklärt Bettina Lisbach (Bündnis90/Die Grünen), die zuständige Dezernentin im Rathaus.

Und Mentrup ergänzt: „Sonst hätten wir das im Gemeinderat beschlossene Vorgehen als eine neue Leistung ausschreiben müssen. Und dafür hätte sich wohl kein Unternehmen gefunden.“

Dass die Vergaberüge an die Stadt Karlsruhe geht und nicht an das ausschreibende Unternehmen Landbell, das zum Dualen System gehört, liegt an der Komplexität des Verfahrens. OB Mentrup erklärt: „Nach dem Zuschlag an K+G hat die Stadt die Verhandlungen weitergeführt, im Abstimmungsverfahren.“

Für Bewohner in über 6.000 Häusern wird es keinen Vollservice geben

Die Regelungen über die etwa 60 Prozent Verpackungen aus dem Dualen System betreffen die Vereinbarungen zwischen K+G und Landbell, Vereinbarungen über die 40 Prozent wertstoffgleichen Nichtverpackungen sowie den so oft erwähnten Vollservice gelten zwischen K+G und der Stadt.

Unschön ist es für Karlsruherinnen und Karlsruher, die in den etwas über 6.100 Häusern leben, die auch vom Vollservice „light“ nicht profitieren. Diese Menschen werden künftig die Wertstofftonnen selbst an die Straße schieben müssen.

Es sei denn „sie finden Lösungen wie einen neuen, vollservicegerechten Aufstellort. Oder sie beauftragen einen Hausmeisterservice damit.“ Nachverhandlungen mit K+G über einen Kompromiss für diese Fälle wird es keine mehr geben.

Dem nun abgefeuerten Störfeuer eines Mitbewerbers zum Trotz verbreiten Stadt und K+G Optimismus, demonstrativ sitzen die Vertragspartner auch öffentlich zum ersten Mal an einem Tisch.

Die Zahl von Anrufen an der Hotline von K+G würde zurückgehen, sagt Firmenchef Gurdulic. Das Team, mit dem der Entsorger in Karlsruhe an den Start gegangen sei, habe sich einspielen müssen. Zwei bis drei Monate habe die Phase gedauert, um sich im Karlsruher Stadtgebiet einzufinden. „Wir sind bemüht, dass wir die an uns gestellten Forderungen auch erfüllen.“

Mentrup gibt sich demonstrativ zuversichtlich: „Wir sind auf einem guten Weg. Es wird am Ende geräuschlos über die Bühne gehen.“

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