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Gastro, Handel und Handwerk

Branchenvertreter sorgen sich um Karlsruhes Einkaufsmeile und klagen über Personalmangel

Sie sind sich einig: Es wird zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Was das aus ihrer Sicht für die Karlsruher City bedeutet und wieso die Handwerkerschaft auf „Zehntausende Inder“ hofft.

Blick auf leerstehende Läden in der Karlsruher Kaiserstraße
Leerstand ist schon heute in der Karlsruher City ein Thema. Petra Lorenz vom Handelsverband Nordbaden sieht die Talsohle aber noch nicht erreicht. Foto: Pascal Schütt

Zunächst bemühen sich die Karlsruher Spitzenvertreter von Gastronomie, Handel und Handwerk um Fassung und moderate Töne. Sie präsentieren Ideen, kleine Projekte. Es geht vor allem um Innenstadtentwicklung und fehlende Arbeitskräfte. Existenzielles eben, sagen alle. Dinge, die sich auf jeden einzelnen auswirken. Große Herausforderungen, für die Lösungen fehlen. Es ist zu hören, wie tief der Frust sitzt. Erst zwischen den Zeilen, dann in deutlichen Worten.

„Wir sind Weltmeister im Beschreiben von Problemen“, klagt Frank Zöller. „Aber bei der Umsetzung sind wir nur noch im Mittelfeld.“ Ähnlich formulieren es Petra Lorenz und Nikola Kovacic, die Präsidentin des Handelsverbands Nordbaden und der Vorsitzende der Karlsruher Kreisvertretung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga).

Präsidentin des Handelsverbands rechnet mit Erstarken der „Mittelzentren“

Es werde zu viel geredet und zu wenig getan, kritisiert das Trio immer wieder – vom Bund, vom Land, von der Stadt. Gemeinsam hat die selbst erklärte „Verbändeallianz“ deshalb am Donnerstag zum Gespräch geladen. Es wird zu einer Mischung aus verzweifeltem Hilferuf, eindringlicher Warnung und Vorstellung eigener Lösungsideen.

„Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, was in der Innenstadt passiert – oder eher nicht passiert“, sagt Lorenz. Mit ihrem eigenen Taschenladen „Gepäckraum“ hat sie sich vor Monaten aus der Karlsruher Kaiserstraße verabschiedet, ist mittlerweile nur noch in Durlach vertreten. Die City habe „die Talsohle noch nicht erreicht“, prognostiziert sie.

In Karlsruhe sei der Umsatz im Einzelhandel zwischen 2018 und 2022 um rund 200 Millionen Euro gesunken, führt Lorenz mit Verweis auf eine Erhebung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe aus. In Baden-Baden, Bruchsal und Ettlingen habe man im gleichen Zeitraum ein Plus registriert. „Die Mittelzentren werden weiter erstarken, Karlsruhe wird weiter verlieren“, sagt Lorenz. Die Stadt habe einfach kein Alleinstellungsmerkmal.

Lorenz fehlt „der große Wurf“ für die Karlsruher City

„Es fehlt vor allem ein großer individueller Einzelhändler wie Engelhorn in Mannheim oder Jost in Bruchsal“, vermutet die Präsidentin des Handelsverbands. Da sei die städtische Wirtschaftsförderung gefragt. Ein „großer Wurf“ sei der bislang aber nicht gelungen. Es mangele an aktiver Förderung und strategischer Ausrichtung. Dabei gäbe es viele Stellschrauben, sagt sie. „Die City hat keinen gut funktionierenden Wochenmarkt, es fehlt eine Markthalle, öffentliche Toiletten sind ein ganz großes Drama,...“

Zu einem solchen ist bundesweit längst das zweite große Thema des Trios geworden, das an allen Ecken und Enden fehlende Personal. „Wir werden uns auf einen eklatanten Rückgang von gewohnten Leistungen einstellen müssen“, sagt Petra Lorenz. Kovacic spricht von längst üblichen Kürzungen bei Öffnungszeiten und Schließtagen. Und Zöller rechnet damit, dass die Krise ihren Höhepunkt längst noch nicht erreicht hat.

Kreishandwerkerschaft arbeitet an Pilotprojekt mit Indern

„Wenn die Babyboomer in Rente gehen und sich in vielen Betrieben die Nachfolge-Frage stellt, wird es richtig schwierig“, sagt der Kreishandwerksmeister. Aktuell bilde man im Kammerbezirk pro Jahr etwa 2.000 junge Menschen aus, vor zehn Jahren waren es noch 800 mehr. „Prämien wie Handys, Dienstwagen oder Fahrkarten sind längst Standard, damit lockt man niemanden mehr.“

Tatenlos will die Kreishandwerkerschaft dennoch nicht zuschauen und blickt dafür über die Grenzen. Sie träumt davon, dass langfristig „Zehntausende Inder“ für eine handwerkliche Ausbildung nach Baden-Württemberg kommen. Aktuell arbeiten die Karlsruher Branchenvertreter an einem Pilotprojekt, für das bald die ersten 25 Menschen aus Indien nach Karlsruhe kommen könnten. Die Hausaufgaben habe man gemacht, heißt es. Nun hofft man auf Zusagen und Geld vom Land.

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