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Fraktionen äußern Kritik

Überraschende Entscheidung: Karlsruhe will auf Strafanzeigen für Schwarzfahren verzichten

Bereits im Vorfeld sorgte der Antrag der Linken für Diskussionen. Jetzt stimmte der Gemeinderat zu, dass Schwarzfahren künftig nicht mehr zu Strafanzeige gebracht werden soll. Doch es gibt Kritik.

 Mitarbeiter des Fahrausweis-Prüfdienstes überprüfen Fahrscheine in einer Stadtbahn.
Wer dreimal in drei Jahren ohne gültigen Fahrschein erwischt wird, muss mit einer Strafanzeige rechnen. Das könnte sich bald ändern. Foto: Holger Hollemann/dpa

Überraschung im Karlsruher Gemeinderat. Bei der jüngsten Sitzung wurde der Antrag der Karlsruher Linken angenommen, wonach Schwarzfahren bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) künftig nicht mehr zur Strafanzeige gebracht werden soll.

Bislang ist es so, dass Personen mit einer Anzeige wegen Erschleichen von Leistungen rechnen müssen, wenn diese innerhalb von drei Jahren dreimal ohne gültigen Fahrschein erwischt werden.

Im Zeitraum zwischen 2019 und 2023 sind insgesamt 9.363 solcher Anzeigen gestellt worden. Das könnte sich bald ändern.

Konkret heißt es in dem nun angenommenen Beschluss: „Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe fordert den Aufsichtsrat der VBK auf, sich dafür einzusetzen, auf Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen Fahrscheins nach §265a StGB zu verzichten.“

Begründet wurde der Vorstoß der Linken unter anderem damit, dass die Kriminalisierung von Schwarzfahren vor allem Menschen mit geringem Einkommen betreffe. Vielfach sei es Armut, die zu einer Fahrt ohne gültiges Ticket führe.

Karlsruher Gemeinderat stimmt gegen Empfehlung der Verwaltung

Dieser Antrag wurde mit 25 Ja-Stimmen bei 19 Nein-Stimmen angenommen. Pikant: Die Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) hatte im Vorfeld empfohlen, die bisherige Praxis beizubehalten.

Dennoch stimmten unter anderem die Grünen und SPD, gemeinsam mit der Linken-Fraktion, für das Abschaffen der Strafanzeigen.

Nach der Entscheidung hagelt es Kritik aus den anderen Fraktionen.

Die Fraktionsgemeinschaft aus Freien Wählen und Für Karlsruhe zeigt sich „zutiefst erschüttert“ über das Ergebnis.

Was für ein Zeichen schicken wir raus, wenn Schwarzfahren nun nicht mehr strafrechtlich geahndet wird?
Detlef Hofmann
CDU-Fraktionsvorsitzender

„Schwarzfahren ist laut Gesetz eine Straftat und muss als solche auch weiterhin geahndet werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraktionsgemeinschaft. Gerade mit Hinblick auf den Ausbau des ÖPNV sei es wichtig, dass geltendes Recht weiter eingefordert werde.

„Was für ein Zeichen schicken wir raus, wenn Schwarzfahren nun nicht mehr strafrechtlich geahndet wird?“, fragt CDU-Fraktionsvorsitzender Detlef Hofmann. Für die Christdemokraten ist wiederholtes Schwarzfahren kein Kavaliersdelikt.

„Auf Kosten der ehrlichen ÖPNV-Nutzer erschleichen sich hier Menschen Leistungen, für die die Allgemeinheit aufkommen muss“, heißt es in der CDU-Mitteilung weiter.

Schwarzfahren: Schaden von mehreren Millionen Euro pro Jahr

In der Tat ist es so, dass durch Schwarzfahren pro Jahr ein Schaden von „mehreren Millionen Euro“ entsteht. Das hatten die VBK im Vorfeld der Debatte mitgeteilt.

Verheerend ist aus Sicht der CDU auch das Signal an die Öffentlichkeit. „In der Öffentlichkeit kommt nicht an, dass es durchaus auch zivilrechtliche Ahndungen geben kann. Sondern dort kommt an: Der Gemeinderat billigt Schwarzfahren“, so Stadtrat Dirk Müller. Die unsolidarische Mehrheit der Schwarzfahrer würde von Grünen, SPD und Linken geschützt und hofiert.

FDP appelliert an den „gesunden Sachverstand“

Auch die FDP-Fraktion zeigt sich erstaunt von dem Votum des Gemeinderats. „Wir appellieren nun eindringlich an den gesunden Sachverstand und die realpolitische Vernunft der jeweiligen Vertreter der drei Fraktionen, diese Entscheidung im Aufsichtsrat der VBK nicht mitzutragen und dieses rechtlich fragwürdige Vorhaben zu stoppen“, so die FDP-Fraktion.

Bereits in einer Stellungnahme vorab erläuterte die Verwaltung, dass aus ihrer Sicht ein Wegfall von Strafanzeigen dazu führe, dass mehr Menschen ohne Fahrschein fahren werden.

Ein Anstieg dieser sogenannten Beanstandungsquote würde die Summe an fehlenden Ticketeinnahmen weiter erhöhen, „was letztendlich von der Allgemeinheit – den ehrlichen Kunden – über steigende Ticketpreise mitbezahlt werden müsste“.

Außerdem sei die Einstufung des Schwarzfahrens als Straftat keine unternehmenspolitische Entscheidung, so die VBK weiter, sondern die aktuelle Gesetzeslage. Diese Einstufung werde vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen befürwortet, dessen Auffassung sich die VBK anschließe.

VBK-Aufsichtsrat tagt im Mai

Man habe den Beschluss des Gemeinderates zur Kenntnis genommen, heißt es am Donnerstag in einer Stellungnahme der VBK. Und weiter: „Gemäß diesem Votum wird sich nun der VBK-Aufsichtsrat im Rahmen seiner nächsten Sitzung im Mai mit dieser Thematik befassen.“ 

Bis zu einer Entscheidung des Aufsichtsrates ändere sich für Fahrgäste erst mal nichts. Das erhöhte Beförderungsentgelt, also die 60 Euro, bleiben auch weiterhin bestehen, auch wenn die Strafanzeige wegfallen sollte.

Andere Städte machen es vor

Der im Gemeinderat getroffenen Entscheidung muss der VBK-Aufsichtsrat noch zustimmen. Ebenfalls beschlossen wurde in diesem Zusammenhang, dass der Wegfall der Strafanzeigen für Schwarzfahren ein Jahr lang erprobt und anschließend evaluiert werden soll. Dieser Ergänzungsantrag wurde von der SPD eingebracht.

Einige andere Städte, etwa Düsseldorf oder Bremen, haben vergleichbare Regelungen zum Wegfall einer Strafanzeige beim Schwarzfahren bereits umgesetzt.

Auch in der Ampelkoalition in Berlin wird derzeit diskutiert, das Fahren ohne Fahrschein von einem Straftatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Eine Entscheidung darüber soll in diesem Jahr fallen. 

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