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Abgesang zum 35-jährigen Bestehen

Karlsruher Brecht-Experte Jan Knopf resigniert: „Es interessiert niemanden mehr“

Einst galt die Karlsruher Arbeitsstelle Bertolt Brecht als Vorzeige-Einrichtung. Zum 35-jährigen Bestehen sieht ihr Leiter Jan Knopf wenig Grund zum Feiern.

Der Karlsruher Literaturwissenschaftler Jan Knopf tritt bei einer Veranstaltung mit dem Namensschild „Bertolt Brecht“ auf.
Dem Werk von Bertolt Brecht hat sich der Karlsruher Literaturwissenschaftler Jan Knopf verschrieben. Seit 1989 leitet er die Arbeitsstelle Bertolt Brecht. Foto: Hecht

Bei der Gründung war sie ein Musterbeispiel für deutsch-deutsche Zusammenarbeit. Heute sieht es bei der „Arbeitsstelle Bertolt Brecht“ (ABB) in Karlsruhe eher düster aus. Eine Veranstaltung im Sandkorn-Theater zum 35-jährigen Bestehen steht unter dem programmatischen Titel „Brecht alles ABB!“

Das war damals eine kulturpolitische Sensation.
Jan Knopf
zur Gründung der Arbeitsstelle

Aufbruch statt Abbruch prägte die Gründung der ABB im Frühjahr 1989. Bereits seit 1985 lief die Arbeit an einer deutsch-deutschen Gesamtausgabe der Werke von Brecht. „Das war damals eine kulturpolitische Sensation, dass wir mit Einrichtungen der DDR zusammengearbeitet haben“, sagt Knopf.

Brecht habe die deutsche Teilung repräsentiert wie kaum ein anderer Dichter. „Die DDR wollte ihn vereinnahmen als Dichter einer Nation, die es so als Nation gar nicht gab. In der BRD wurde er entweder als Klassiker gewürdigt oder als Kommunist abgelehnt.“

Karlsruher Experte verfasste mehrere Bücher über Brecht

Nach Abschluss der Werkausgabe in 30 Bänden betreute Knopf noch ein fünfbändiges Brecht-Handbuch. 2006 folgte beim Suhrkamp-Verlag die Monografie „Bertolt Brecht – Leben Werk Wirkung“, 2012 erschien im Hanser-Verlag Knopfs große Brecht-Biografie „Lebenskunst in finsteren Zeiten“.

Sein jüngstes Projekt hat der Karlsruher Brecht-Experte gerade abgeschlossen: Noch in diesem Jahr soll ein rund 1.000 Seiten umfassendes Buch über Brechts Wirken in der Weimarer Republik erscheinen. Ein Werk, das keineswegs nur ein historischer Rückblick sein soll.

„Bei der Arbeit daran ist mir erst richtig bewusst geworden, dass Brecht schon vor der ,Dreigroschenoper’ ein Medienstar war – und wie bewusst er Medien genutzt und eingesetzt hat“, sagt Knopf.

Karlsruher Experte: Man kann von Brecht bis heute lernen

Man könne daher aus der Beschäftigung mit Brecht auch für die Gegenwart viel lernen, ist der emeritierte Literaturwissenschaftler überzeugt. „Aber die ABB wird es nicht mehr lange geben“, sagt Knopf. Im kommenden Juli wird er 80 Jahre alt. Für neue Forschungsprojekte fehle die Unterstützung, um eine Archivierung der umfangreichen Materialien bemühe er sich seit Jahren vergeblich.

Der Abend im Sandkorn wird ein Abgesang.
Jan Knopf
Gründer und Leiter der ABB

„Der Abend im Sandkorn wird ein Abgesang“, kündigt Knopf daher an. „Es hat offenbar niemand mehr Interesse.“ Das zumindest soll sich bei der Veranstaltung nicht unmittelbar bewahrheiten. Daher sind im Sandkorn der bekannte Musikkabarettist Gunzi Heil sowie die Sängerin und Schauspielerin Patricia Keßler mit von der Partie.

Und sogar eine Uraufführung ist angekündigt: In einem alten Kabarettbuch hat Knopf einen bis dato unbekannten Brecht-Text entdeckt. Dessen Titel: „Der elektrische Otto“. Man darf gespannt sein.

Service

„Brecht alles ABB!“ am Sonntag, 14. April, 19.30 Uhr im Theater „Das Sandkorn“, Kaiserallee 11.

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