Skip to main content

Glückwunschbrief für Ältere

Modellprojekt Karlsruher Hausbesuch: Stadt will Senioren individuell unterstützen

Die Stadt Karlsruhe probiert einen neuen Weg, um Senioren individuell zu unterstützen. Was die persönliche Beratung vermag, ist erstaunlich.

An einem Gartentisch vor dem Turm der Lukaskirche sitzen zwei Frauen mit einer Pappschatulle.
Die hellblaue Hausbox der Stadt Karlsruhe führt Angelika von Schenck im Garten an der Lukaskirche mit Susanne Butz (rechts) von den Paritätischen Sozialdiensten zusammen. Foto: Jörg Donecker

Der Brief, der Angelika von Schenck zum 75. Geburtstag erreicht, stimmt die rüstige Dame nachdenklich. Das Glückwunschschreiben von Bürgermeister Martin Lenz habe ihr mit guter Begründung nahegelegt, den beiliegenden Beratungsgutschein zu nutzen. „Ich habe mir gedacht, mir das besser mal anzuschauen“, erzählt sie, „weil es die Zukunft erleichtert“. 

Wo gehe ich hin, wenn ich Menschen treffen will? Wie stelle ich mir meine nächsten Jahre vor? Das fragt sich Angelika von Schenck, die in Mühlburg lebt. Beim Spielenachmittag, im Sport, bei Gesprächen in der evangelischen Lukasgemeinde in der Weststadt: Überall begegnet ihr das Thema.

Modellprojekt Karlsruher Hausbesuch hilft bei heiklen Fragen

Das Modellprojekt Karlsruher Hausbesuch, zu dem der Gutschein gehört, hat der Adressatin geholfen, für sich Antworten zu entwickeln. Aus der Arbeit als Krankenschwester im Städtischen Klinikum Karlsruhe weiß von Schenck, was passiert, wenn Menschen sich nie um das Thema kümmern: „Dann müssen die Angehörigen aktiv sein.“

Obwohl sie auf Unterstützung durch ihre Kinder bauen kann, sagt von Schenck: „Ich empfinde eine gewisse Euphorie bei dem Gedanken, dass man es selbst anpackt.“ Bei der Weichenstellung will sie realistisch denken: „Es geht nun mal nicht Richtung Jugend, sondern Richtung Tod.“ Das sei aber immer noch ein Tabuthema.

Über das Altern nachzudenken und zu sprechen, muss nicht zwangsläufig mit Schrecken verbunden sein. Es kann auch um Unterstützung gehen.
Angelika von Schenck
75-jährige Karlsruherin

Seit der Begegnung mit Susanne Butz vom Projekt „Karlsruher Hausbesuch“ sagt Angelika von Schenck: „Über das Altern nachzudenken und zu sprechen, muss nicht zwangsläufig mit Schrecken verbunden sein. Es kann auch um Unterstützung gehen.“ 

Alt zu sein, mit 75, das ist für viele ein fremder Gedanke.
Susanne Butz
Beraterin, Paritätische Sozialdienste

Seit dem Start des Modellprojekts zu Jahresbeginn hat Susanne Butz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Der Start, sagt sie, sei mühselig gewesen, „weil es neu ist“, erklärt sie sich das, „etwas, das die Menschen noch nicht kennen.“

Diejenigen, die sich meldeten, reagierten erfreut auf das Angebot, sagt Butz. Andere fühlten sich aber auch überrumpelt. „Alt zu sein, mit 75, das ist für viele ein fremder Gedanke“, stellt sie fest. „Aber gerade dann ist es der richtige Zeitpunkt, denn dann ist man noch fit genug, um noch etwas zu ändern.“

Hellblaue Hausbox in Karlsruhe birgt manche Überraschung

Gartenvögel, die zur Futterstelle flattern, erfrischender Schatten unter grünem Laub: Im Schutz des dicken, achteckigen Turms der Lukaskirche an der Ecke von Seldeneck- und Hagenstraße ist Platz für entspannte Gespräche: über das Leben im Allgemeinen und im Besonderen und auch über heikle Themen. Dort sitzen Butz und von Schenck gemeinsam über der hellblauen Hausbox.

Der handliche kleine Karton wird bei der persönlichen Beratung individuell mit Material gefüllt, das dem oder der Besuchten nützlich sein kann. „Darüber zu sprechen, das ist etwas ganz anderes, als es nur im Vortrag zu hören oder irgendwo zu lesen“, sagt von Schenck. Außerdem habe Butz manches mitgebracht, was die rührige Seniorin noch nicht kannte: „So konnte ich finden, was ich gar nicht gesucht hatte.“

Den Anschub durch den Hausbesuch brauchten die meisten Menschen, sagt Butz. Nachdenklich stimmt es die erfahrene Fachkraft, dass über die Hälfte derjenigen, die sie bisher besucht hat, allein leben und wenig soziale Kontakte haben, die bei Bedarf unterstützen würden. „Kinder, Bekannte, Freunde, Nachbarn zu haben, die ich ansprechen kann vor Ort, das ist wichtig“, betont sie.

Meine Teilnahme ist gefragt, um das Alter lebenswert zu machen.
Angelika von Schenck
Projektteilnehmerin

„Meine Teilnahme ist gefragt, um das Alter lebenswert zu machen“, sagt Angelika von Schenk. „Es geht darum, sich damit zu beschäftigen, wie Alterserscheinungen möglichst lange hinauszuzögern sind.“ Fitness im Kopf und Körper, davon ist sie überzeugt, könnten viele Krankheiten erträglicher machen und das Altern erleichtern.

Oft falle es Älteren zudem schwer, Hilfe anzunehmen: „Das geschieht oft sehr spät“, stellt Butz fest. Schnell aufzugeben – auch das sei typisch für die Altersgruppe. „Die Menschen sind mit vielem überfordert, teils wegen der Sprache, aber auch, weil sie sich zurückgezogen haben. Da kann ich unter Umständen etwas in die Wege leiten.“

Mit Erfolg hat Butz in mehreren dieser Fälle schon vermittelt. „Allein hätten diese Menschen es nicht geschafft“, sagt sie. „Ein bisschen Hartnäckigkeit gehört schon dazu.“

Das Modellprojekt läuft bis Ende 2023, anschließend wird es ausgewertet. Begleitet wird es vom Seniorenbüro und der Stadtteilkoordination der Stadt Karlsruhe. Ob es fortgesetzt, auf andere Stadtteile ausgeweitet oder beendet wird, entscheidet der Gemeinderat.

nach oben Zurück zum Seitenanfang