Der Blick auf die aktuellen Fallzahlen sowie das genaue Studium der Corona-Verordnungen sind für Lara Pflaumbaum und Bruno Wenz in diesen Tagen wichtiger Bestandteil bei den Planungen für die Vesperkirche. „Weil keiner genau weiß, wie die Situation im Januar ist, müssen wir derzeit mehrgleisig fahren“, sagt die Pfarrerin der Johannis-Paulus-Gemeinde in der Südstadt.
Eine Absage steht allerdings weder für Pflaumbaum, noch den ehrenamtlichen Vesperkirchen-Koordinator zur Debatte. „Es muss auch während der Corona-Zeit einen Ort der Begegnung für Menschen am Rande der Gesellschaft geben“, sagen die beiden treibenden Kräfte hinter dem Sozialprojekt. Deshalb soll die achte Auflage der Vesperkirche Karlsruhe vom 10. Januar bis zum 7. Februar 2021 in der Johanniskirche am Werderplatz über die Bühne gehen.
Kirche hat nur noch Platz für 70 Besucher
Abstriche müssen aber auf jeden Fall gemacht werden. Bis zu 400 Menschen im Kirchenraum gleichzeitig zu bewirten wie bisher üblich ist ebenso wenig möglich wie die Annahme von Kuchenspenden. Ein Kulturprogramm mit Auftritten von Chören wird es 2021 auch nicht geben.
Laut den aktuellen Planungen sollen täglich in zwei Schichten jeweils zwischen 50 und 70 Leute gleichzeitig bewirtet werden. „Bei so vielen Leuten können wir die Abstandsvorgaben problemlos umsetzen“, sagt Wenz. Außerdem gilt beim Betreten der Kirche und beim Verlassen des Platzes Maskenpflicht.
Um unnötiges Gedränge am Eingangsbereich zu vermeiden, sollen die Bons fürs Mittagessen bereits vorab verteilt werden. „Die Sicherheit unserer Gäste genießt oberste Priorität“, sagt Wenz. Deshalb werden ehrenamtliche Mitarbeiter für Sicherheitskontrollen und die Sensibilisierung der Gäste auf die geltenden Hygiene-Vorgaben geschult.
Außerdem setzt das Organisationsteam auf die Selbstkontrolle der Szene. „Die meisten Besucher der Vesperkirche kennen sich und uns schon seit vielen Jahren. Diese Leute wollen auch, dass es keine Probleme gibt“, sagt Wenz.
Eröffnungsgottesdienst geht im Freien über die Bühne
Auf den spirituellen Rahmen wollen die Organisatoren auch in der Corona-Pandemie nicht verzichten. Deshalb will Pflaumbaum den Eröffnungsgottesdienst und die Abschlussandacht im Freien feiern. „Da können mehr Leute dabei sein und man fasst sich auch kürzer“, sagt die Pfarrerin. Der Innenhof zwischen Kirche und Gemeindezentrum soll auch sonst in die Vesperkirche eingebunden werden. Dort können Obdachlose mit einer warmen Mahlzeit versorgt werden, die normalerweise nicht in den Innenraum der Kirche gehen.
Wie wichtig das karitative Angebot der Kirchengemeinde ist, haben Pflaumbaum und Wenz während des Lockdowns im März erfahren. „Als sämtliche soziale Anlaufstellen geschlossen wurden, waren die Leute aus der Szene vollkommen auf sich alleine gestellt“, so Pflaumbaum.
Einige hatten mit der Einsamkeit zu kämpfen, anderen fehlten während des Stillstands vertraute Ansprechpartner, mit denen sie sich sonst über ihre Alltagssorgen austauschen können. Das sei vor allem bei der Wiedereröffnung des Café Dia, wo sich Ehrenamtliche jeden Mittwoch zwischen 10 und 12 Uhr Zeit für Bedürftige und Szenemitglieder nehmen, deutlich geworden.
Wichtiger sozialer Anker
Doch nicht nur für die Menschen am Rande der Gesellschaft, auch für die ehrenamtlichen Mitarbeiter ist die Vesperkirche ein wichtiger sozialer Anker. „Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt Pflaumbaum. Gerade weil sich Helfer und Bedürftige auf Augenhöhe begegnen, sei die Vesperkirche ein so wichtiger Schmelztiegel für Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Helfende Hände sind trotz des eingeschränkten Angebots auch für die achte Vesperkirche gesucht, Interessenten können sich auf der Internetseite vesperkirche-karlsruhe.de informieren und für eine mögliche Mitarbeit anmelden.
Wenn sich die Situation weiter zuspitzt und die Corona-Verordnungen noch nicht einmal die Bewirtung von wenigen Dutzend Menschen in einem geräumigen Gotteshaus erlauben, haben Pfaumbaum und Wenz einen Plan B in der Tasche. Dann soll eine mobile Vesperkirche in die einzelnen Stadtteile fahren und den bedürftigen Menschen Essen, Trost und Gespräche bringen. „Diese Idee hat auf jeden Fall ihren Charme“, sagt Pflaumbaum. „Denn die Leute an ihrem Wohnort zu besuchen und zu unterstützen, ist schließlich nicht verkehrt.“