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Das Baumsterben geht weiter

Die Bäume in der Karlsruher Waldstadt sind in Not

In der grünen Stadt Karlsruhe geht es den Bäumen echt schlecht. Die Bürger in der Waldstadt merken das direkt vor ihrer Haustür. Zwar verläuft das Baumsterben etwas langsamer als befürchtet, doch die Fachleute der Stadt haben weiter alle Hände voll zu tun mit den Trockenschäden an Kiefern und Buchen.

Baumexperten besichtigen Schäden in der Elbinger Straße in der Waldstadt.
Laubdach mit Lücken: Baumschäden in der Waldstadt zeigt Jürgen Unger an der Elbinger Straße Frank Mentrup, Ulrich Kienzler, Bettina Lisbach und Doris Fath (von links). Foto: Jörg Donecker

In der grünen Stadt Karlsruhe geht es vielen Bäumen echt schlecht. Die Bürger in der Waldstadt merken das direkt vor ihrer Haustür. Zwar verläuft das Baumsterben etwas langsamer als befürchtet, doch die Fachleute der Stadt haben weiter alle Hände voll zu tun mit den Trockenschäden. Es trifft vor allem Kiefern und Buchen.

Ich finde es zum Teil übertrieben - ich kann mir nicht vorstellen, dass da jeder Baum kaputt war.
Melissa Wagner, Waldstadt-Bewohnerin

Aus der Schneidemühler Straße läuft Melissa Wagner regelmäßig eine Runde mit ihrem Hund. Es ist unübersehbar, wie viele Bäume seit Sommer 2019 überall in der Waldstadt gefällt worden sind. Manche Stellen sehen für die junge Frau aus wie ein richtiger Kahlschlag. Das macht sie stutzig. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass da jeder Baum kaputt war“, sagt sie.

An der Elbinger Straße zeigt Katja Florian mit einer ausladenden Armbewegung auf das Waldstück direkt an ihrem Haus. „Hier ist jetzt nur noch Gebüsch“, bedauert die Frau, die seit zehn Jahren in dem Quartier wohnt. Das heißt „Waldstadt“, weil es bewusst als Stadtteil inmitten von Bäumen entstand. „Uns ist schon wichtig, wie es weitergeht, ob überhaupt noch etwas stehen bleibt“, sagt Katja Florian. „Man sieht ja überall noch viele Markierungen.“

Abgestorbene Kiefer ragt 30 Meter auf

Zwischen der Ladenzeile an der Elbinger Straße und der katholischen Kindertagesstätte St. Albert steht der Leiter des städtischen Baumpflegeteams, Jürgen Unger. Er deutet auf eine abgestorbene Kiefer, die dürr und bedrohlich schräg 30 Meter hoch ins Himmelblaue ragt. Nahebei kämpft ein Artgenosse, sein Nadelkleid ist schon gelichtet. Daneben lässt eine hohe Buche das Laub hängen. Sie trägt Bucheckern, überreich – die letzte Frucht.

Gartenbauamtschefin Doris Fath zeigt ein Stück Baumstamm mit Pilzbefall.
Ausfallerscheinung: Geschwächte Bäume befällt ein Pilz. Er zeichnet schwarze Spuren auf der Rinde, wie Gartenbauamtschefin Doris Fath zeigt. Foto: Jörg Donecker

Drei Monate, maximal ein Jahr wehren sich die angeschlagenen Bäume noch, schätzt Unger. In den Monaten Oktober bis Februar werde die Säge angesetzt, wenn abgestorbene nah an Wegen stehen, erklärt der Fachmann, der seit 1984 ein Auge auf die grüne Waldstadt hat.

Samen im Boden keimen gut

Immerhin geht der Karlsruher Stadtwald durch Hitzestress per Klimawandel langsamer als erwartet in die Knie. Positiv ist auch, dass viele Samen im Boden gekeimt sind, seit Lücken im Laubdach ihnen Licht und Luft gönnen. Brusthoch sind einzelne kleine Eichen und ein Feldahorn innerhalb des zurückliegenden Jahres aufgeschossen auf einer Fläche, die an das schön schattige Spielgelände der Kindertagesstätte angrenzt.

Doch leicht hat es der Baumkindergarten nicht. „An Tagen wie heute müssen die Jungbäume 40 bis 50 Grad Hitze aushalten“, gibt der Chef der Abteilung Forst, Ulrich Kienzler, zu bedenken. Mit vielen frisch gepflanzten Bäumchen im Stadtwald hat dieser Stress schon kurzen Prozess gemacht. 16.300 junge Bäume, darunter mehr als 6.000 Eichen, wurden im Februar und März gesetzt. Doch jeder dritte ist verkümmert. Das macht es schwieriger, den Hardtwald und auch die Anlagen in der Waldstadt, die wie ein Wald wirken, hitzefester zu gestalten.

Pilze und Käfer geben Bäumen den Rest

Frisch vom Gemeinderat abgesegnet ist, wie der Stadtwald an die Klimaerwärmung „angepasst“ werden soll. Karlsruhe setzt auf Hainbuche, Kirsche, Traubeneiche, Winterlinde, Feldahorn, Edelkastanie, Sandbirke, Erle und Elsbeere, Wildobst und Nussbäume, auch die Schwarzkiefer als bisher nicht heimische Art. Esche, Rotbuche, Bergahorn, Douglasie, Kiefer und Ulme zählen zu den Verlierern. Hitze und zu lange Dürre schwächen sie, Pilze und Käfer erledigen den Rest.

„Vor einem Jahr waren die Aussichten für die Waldstadt gespenstisch und alarmierend“, ruft Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup in Erinnerung. Eine rund 120 Jahre alte Buche gehörte zu den ersten Opfern. Mehr als 100 Absperrungen hinderten die Menschen im Sommer 2019 und bis in den September hinein daran, sterbenden Bäumen gefährlich nah zu kommen. Eine Waldstadt ohne Wald – das war die beklemmende Vision.

2.500 der 4.000 im ganzen Stadtgebiet gefällten Bäume standen in der Waldstadt. Trotz der vielen abgesägten Stümpfe gibt es dort aber in diesem Sommer auch weiter grüne Wipfel. „Vielleicht eine kleine Atempause“, sagt Mentrup. Jetzt zur Jahresmitte liegt die Zahl der seit Neujahr gefällten Bäume bei 1.100 – also etwa bei der Hälfte des Negativrekords von 2019.

Besseres Bewässerungssystem

„Unser Ziel ist, den Baumbestand zu erhalten, im Wald und in der Stadt“, sagt Umweltdezernentin Lisbach. Das Gießmanagement sei technisch verbessert und für Jungbäume von drei auf fünf Jahre verlängert. Und für manche Stadtbäume, auch an der neu gestalteten Kriegsstraße, werde ein unterirdisches Bewässerungssystem installiert.

Wir vermissen unseren wöchentlichen Wald-Tag.
Isabel Nikodemus-Holler, Erzieherin

Die 75 Kinder in St. Albert spielen weiter im Schatten großer Bäume. Ihr wöchentlicher Wald-Tag allerdings ist seit einem Jahr passé. Der gemeinsame Streifzug gilt als zu riskant. Ihre Erzieherin Isabel Nikodemus-Holler sagt: „Das fehlt uns.“

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