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Lesung des Schauspielers

Warum Schauspieler Robert Stadlober in Karlsruhe Tucholsky-Texte interpretiert

Robert Stadlober macht in Karlsruhe eine Reise durch die Zeit. Und singt ein Lied, das er nach dem Angriff auf die Ukraine komponiert hat.

Mann singt und spielt Gitarre
Robert Stadlober nimmt das Publikum im P8 mit auf eine bewegende „Reise durch die Zeit mit Kurt Tucholsky“ Foto: Paul Needham

In der Pandemie, zur Zeit des Stillstands, hat Robert Stadlober die Fluchtgedichte des vor dem NS-Regime in die USA emigrierten Stefan Heym vertont und mit Klara Deutschmann und Daniel Moheit zusammen eingespielt.

„Vom Aufstoßen der Fenster“ heißt das Album, dessen Texte heute noch so aktuell sind wie zu ihrer Entstehungszeit vor fast hundert Jahren. Die Anfrage, ob er nicht auch einige Gedichte von Tucholsky künstlerisch umsetzen wolle, habe er zunächst verneint, so der von Filmen wie „Crazy“, „Sonnenallee“ und „Brechts Dreigroschenfilm“ bekannte Schauspieler. Es gäbe schon zu viel zu diesem Thema.

Schauspieler Robert Stadlober liest in Karlsruhe

Eine erneute Beschäftigung mit dem Schriftsteller stimmten ihn jedoch um. Er habe sich im Laufe seines Lebens immer mal wieder mit Tucholsky befasst, sagt er. In diese weiße Gesamtausgabe hineingeschaut, die in jeder Studi-WG stehe, aber dann plötzlich die durch die Entwicklung der letzten Zeit ganz andere Bedeutung der Texte erkannt.

„Mir wurde klar, dass die Gedanken von Tucholsky noch einen deutlicheren Zeitbezug haben, als die von Stefan Heym. Ich musste in den letzten Monaten zusehen, wie die Texte immer besser in die Gegenwart passen, aber auch wie viel Mut sie machen. Sie sind ein wahrer Goldschatz. Die Melodien kamen dann ganz von selbst von überall her.“

Gelungene Interpretation von Tucholsky

Nach Auftritten in Hamburg und Freiburg stellte er seine gesungenen und gesprochenen Interpretationen der Gedichte und Gedanken Tucholskys am Samstag im gut besuchten Kulturzentrum P8 vor, welches die Veranstaltung in Kooperation mit der Stephanus-Buchhandlung durchführte.

Sein Herz schlägt für Tucholsky, das war zu jedem Moment seiner fesselnden Performance klar und es gelang ihm mühelos, sein bunt gemischtes Publikum – von Musikfans über Aktivistinnen und Aktivisten bis hin zu Literaturliebhaberinnen und Liebhabern aller Altersgruppen - mitzunehmen auf seine „Reise durch die Zeit mit Kurt Tucholsky“.

Von der Zeit eingeholt

„Die Ereignisse der letzten Zeit haben mich überholt“, meinte er, bevor er mit einer federleichten und dennoch dynamischen Vertonung von „Im Käfig“ eines frühen, in der „Weltbühne“ erschienenen Textes, in den Abend startete. Gesprochen dann „Was darf Satire?“

„Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.“ Eine heute noch gültige Aussage, genauso wie diejenigen in „Nach intensiver Zeitungslektüre“. „Was heute Instagram, Facebook, die ganzen sozialen Medien, das waren früher die Zeitungen“, so Stadlober, erzählte vom tollen Steinpilzrisotto, das ihm vom P8 serviert wurde, sang bewegend von der „Nationalen Verteidigung“ und den Kompromissen der SPD, die Tucholsky schon in der „Weltbühne“ gegeiselt hatte. Immer wieder bezog er das Publikum mit ein in seine Gedanken, erzählte von der Auswahl der Texte, von den Dingen, die ihn beschäftigten, machte Gedankensprünge und schaffte so eine freundschaftliche Atmosphäre.

Zuckerbrot und Peitsche in Karlsruhe

An „Zuckerbrot und Peitsche“ schloss sich eine kleine Pause an, nach der das Programm deutlicher, nachdenklicher und düsterer wurde. „Werde ich sterben können“ so einer der Texte, dessen (schwarz-)humorige Seite Stadlober durch seine gesprochene Darbietung hervorhob. Aufrüttelnd in kraftvolle, rockige Indie-Klänge verpackt dann „´S ist Krieg“, bei dem die Musik kongenial Entsetzen und Wut transportierte.

„Dieses Lied habe ich geschrieben, als Russland die Ukraine überfallen hat“, erklärte Stadlober. Das Publikum war ganz im Einklang mit ihm, lauschte gebannt, war begeistert. Eine verschworene Gemeinschaft. Für einige berührende Momente herrschte eine innere Verbundenheit, ein Gleichklang der Seelen. Der Höhepunkt des Abends, nachdem es deutlich leichter weiterging und mit „Das Ideal“ endete. „Jetzt mache ich den Keith Richards“, scherzte Stadlober. „Ich gehe von der Bühne, ihr applaudiert und ich komme wieder.“ Was er dann auch mit einer ersten Zugabe aus einigen seiner vertonten Gedichte von Stefan Heym wahrmachte. Das Publikum war so erfreut, dass es ihn zu einer weiteren Zugabe drängte. „Seid vorsichtig“ lachte er. „Das ist ein Doppelalbum. Ich könnte noch lange weitermachen.“

Das Album zum Tucholsky-Programm wird im Sommer beim Label Staatsakt erscheinen, das Buch dazu in Kürze beim Verbrecherverlag.

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