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Angespannte Sicherheitslage

Weihnachtsmärkte in Karlsruhe und der Region werden extra bewacht

Veranstalter und Polizei sind nach eigener Einschätzung gut vorbereitet. Dagegen mahnt ein Sicherheitsexperte wegen der jüngsten Gewaltproteste in Deutschland besseren Schutz an.

Polizisten gehen über den Weihnachtsmarkt in Karlsruhe.
Abschreckung und Kontrolle: Auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Karlsruher Marktplatz und auf den anderen Märkten in der Region, die in den kommenden Wochen öffnen, wird es mehr Polizeipatrouillen in Uniform und Zivil geben. Foto: Uli Deck/dpa/Archivfoto

„Eine sehr komplexe Situation“: So beschrieb die Gewerkschaft der Polizei die teils heftigen Proteste in den deutschen Städten seit dem Angriff der Hamas auf Israel. Etwa 3.300 Straftaten mit Nahost-Bezug, darunter mehrere hundert Gewalttaten, hat das Bundeskriminalamt (BKA) bislang registriert. Die Behörde erwartet eine wachsende pro-palästinensische Protestwelle und warnt in einer Analyse vor einer erhöhten Gefährdung in Deutschland durch die Hamas und andere militante islamistische Organisationen.

Das bedeutet: neue Sorgen für Sicherheitskräfte und Veranstalter der vielen Weihnachtsmärkte, die bald öffnen werden. Die Terrorgefahr für die Massenveranstaltungen in der besinnlichen Zeit wird seit dem Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 ohnehin ernst genommen. Dieses Jahr ist die Sicherheitslage besonders angespannt, weswegen die Polizeipräsenz auf den Märkten in der Region nach Informationen unserer Redaktion merklich verstärkt werden soll.

Bundeskriminalamt rechnet mit Gewalt

Wie wird die Gefahr konkret eingeschätzt? Mit welchen Sicherheitsmaßnahmen müssen die Besucher der Weihnachtsmärkte in Karlsruhe, Baden-Baden, Pforzheim und anderen Städten rechnen? Erfordert die neue Bedrohungslage andere Schutzkonzepte? Wir haben dazu die Festplaner, das Innenministerium, die Polizeipräsidien und einen unabhängigen Experten befragt. Hier die wichtigsten Antworten.

Wie groß ist also jetzt die Gefahr für die Weihnachtsmärkte?
Niemand redet gerne darüber, die Umfrage unserer Redaktion zeigt aber, dass es Sorgen gibt. Bundestagsabgeordnete aus unserer Region nennen die Sicherheitslage „sehr angespannt“. Das Innenministerium von Baden-Württemberg hat nach eigenen Angaben keine Hinweise über eine konkrete Gefährdung für Weihnachtsmärkte, dennoch würden sie „in einen besonderen Fokus“ genommen werden. Die Polizei in Offenburg spricht von einer „hohen, aber abstrakten Gefährdung“. Ähnlich äußern sich andere Polizeipräsidien sowie die meisten der befragten Stadtverwaltungen.
Wie reagiert die Polizei auf diese hohe Gefährdung?
Es werden mehr Beamte in Uniform und Zivil auf die Weihnachtsmärkte geschickt. Das trifft beispielsweise auf den Christkindelsmarkt in Baden-Baden und den Weihnachtsmarkt in Karlsruhe zu, wo die Bereitschaftspolizei aus Bruchsal unterstützend eingesetzt werden soll. Darüber hinaus schicken die Städte Mitarbeiter des Ordnungsdienstes auf die Märkte und lassen sie nachts von privaten Sicherheitsdiensten bewachen - so geplant auf dem Sternlesmarkt in Ettlingen und dem Rastatter Weihnachtsmarkt.
Ist das alles?
Schwer zu sagen, denn die Marktplaner und Ordnungshüter zeigen sich zugeknöpft, wenn es um Details von Sicherheitskonzepten geht. So ist die Anzahl des Personals in den Streifen geheim. Auch die „Schadensszenarien“ werden unter Verschluss gehalten - verständlich, man will ja nicht die Kriminellen und Terroristen vorab informieren. Viele Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sollen für die Marktbesucher unsichtbar sein. Die Verantwortlichen zeigen sich durchweg als sicher, dass alle Risiken berücksichtigt seien und ihre Pläne „höchstmöglichen Schutz“ böten.
Und was sagen dazu unabhängige Experten?
Sie sind weniger optimistisch und mahnen größere Bemühungen an. „Aus der abstrakten Gefährdungslage kann relativ schnell eine konkrete werden. Wir benötigen deshalb ein höheres Schutzniveau“, sagte unserer Redaktion Hans-Walter Borries vom Deutschen Expertenrat Besuchersicherheit (DEB). Der Fachmann, der das Institut für Wirtschafts- und Sicherheitsstudien in Witten leitet, nennt die Haltung der Behörden im Bezug auf Weihnachtsveranstaltungen als allzu „gutgläubig“ und kritisiert, dass das Gefahrenbewusstsein in der Corona-Zeit deutlich zurückgegangen sei. 
Welche Gefahren für die Märkte sieht der Sicherheitsfachmann?
Borries warnt vor möglichen Angriffen mit LKW (wie 2016 in Berlin), Schusswaffen (wie 2018 in Straßburg) oder Messerattacken. Vorstellbar seien zudem Sprengstoffanschläge, unter anderem mit Drohnen aus der Luft: Der Experte erinnert an solche Attacken im Ukraine-Krieg. „Wir brauchen ein neues, interdisziplinär erarbeitetes Sicherheitskonzept, das wir jetzt auf die Schnelle bis zur Öffnung der Weihnachtsmärkte nicht hinkriegen“, sagt er.
Was wäre notwendig?
Das DEB-Vorstandsmitglied rät dazu, Poller und Betonblöcke rund um die Märkte aufzustellen, mit schweren Lastkraftwagen die Zufahrtsstraßen zu verengen und generell Hindernisse zu schaffen, die einen Zickzackkurs erzwingen und verhindern, dass Attentäter mit Wucht in die Menge hineinfahren könnten. Borries hält zudem die Videoüberwachung für sinnvoll und fordert die Organisationen dazu auf, innerhalb der Märkte Sicherheitszonen zu schaffen, in denen die Menschen im Ernstfall Schutz suchen könnten.
Warum gibt es keine Videoüberwachung auf den Weihnachtsmärkten in der Region?
Die Städte halten sie nicht für notwendig, zudem seien die rechtlichen Hürden hoch. Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen sei nur dann möglich, „wenn sich die Kriminalitätsbelastung auf dem Platz von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich abhebt“, informiert die Stadt Ettlingen. Ähnlich begründen den Verzicht auch Pforzheim und Baden-Baden. In München wird der diesjährige Christkindlmarkt auf dem Marienplatz mit 18 Videokameras überwacht, um bei Bedarf schnell „notwendige Maßnahmen“ zu veranlassen.
Was ist mit Barrieren gegen Anschläge mit LKW?
Einige der Weihnachtsmärkte in der Region sind nach Angaben der Organisatoren mit „Anti-Terror-Pollern“, Absperrschranken, metallischen Barrieren (Event-Defender) und mobilen Sicherungen geschützt. In Karlsruhe stehen beispielsweise elf bewegliche Poller am südlichen Zugang zum Marktplatz sowie an der Zufahrt vom Marktplatz zum Schlossplatz.
Könnten Weihnachtsmärkte aus Sicherheitsgründen gänzlich abgesagt werden?
Darüber wird im Internet teils mit Verweis auf „vertrauenswürdige Quellen“ im Bundestag spekuliert. Auf Anfrage unserer Redaktion konnte jedoch keiner der Karlsruher Bundestagsabgeordneten bestätigen, dass im Parlament darüber gesprochen wurde. Grundsätzlich seien jedoch Absagen oder kurzfristige Schließungen von Märkten möglich, sagen die Städte. „Gründe dafür können konkrete und unmittelbar drohende Gefahren sein“, heißt es etwa in Rastatt.
Der Weihnachtsmarkt in Straßburg ist auch bei Besuchern aus der Region beliebt - wie ist die Lage dort?
Der Straßburger Weihnachtsmarkt wird angesichts der in Frankreich verhängten höchsten Terrorwarnstufe besonders geschützt. Mehr als 1.000 Polizisten und Drohnen sind dort im Einsatz. Für Geschäftsleute und Händler wird ein neues SMS-Warnsystem eingeführt. Aus Sicherheitsgründen wird es in Straßburg keine große Eröffnungsfeier geben. 
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