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Neuer Vorstand stellt Pläne vor

Wie Alistair Hudson das ZKM Karlsruhe zum „Museum 3.0“ machen will

Mit etwas Partizipation ist es für Alistair Hudson nicht getan: Der neue Vorstand des ZKM Karlsruhe kündigt im ersten Gespräch über seine Pläne an, die Kunsteinrichtung noch weitaus stärker als bisher zu öffnen.

PRODUKTION – 10.05.2023, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Alistair Hudson, neuer Leiter von dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), lässt sich in dem ZKM fotografieren. Bei einer Pressekonferenz am Freitag wird Hudson seine Pläne für das ZKM vorstellen. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Als Leiter mit Teamplayer-Haltung hat sich Alistair Hudson, der neue wissenschaftlich-künstlerische Vorstand des ZKM Karlsruhe, bei der ersten Pressekonferenz seiner Amtszeit vorgestellt. Foto: Uli Deck/dpa

Die Zeit des „Wanderers über dem Nebelmeer“ ist vorbei. Zumindest als Sinnbild für die Wirkmacht singulärer Künstlergrößen. Das berühmte Gemälde von Caspar David Friedrich kam sinnbildlich zum Einsatz, als Alistair Hudson seine Pläne als neuer wissenschaftlich-künstlerischer Vorstand des Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) präsentierte. „Der solitäre weiße Mann, der ins Unbekannte vorangeht und die Gesellschaft in die Zukunft führt – diese Vorstellung hat zwei Jahrhunderte lang das Kulturgeschehen geprägt“, kommentierte Hudson das Bild.

Ausgelöst worden sei diese Vorstellung durch die technischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts und die damit einhergehende Entfremdung. Aktuell befinde sich die Gesellschaft erneut in einer rasanten Entwicklung, und es müsse Anspruch von Kultureinrichtungen sein, diese aktiv mitzugestalten.

Es geht nicht um Kultur als Entertainment.
Alistair Hudson, Vorstand ZKM Karlsruhe

„Es geht nicht um Kultur als Entertainment“, sagte Hudson. Vielmehr könne Kultur dazu beitragen, die Welt zu entwickeln, in der man leben wolle. Um dies ganzheitlich zu entwickeln, müssten sich Kultureinrichtungen weitaus stärker für die Allgemeinheit öffnen als bisher. „Auch partizipative Elemente, die es seit den 1990er Jahren gibt und die man als ‘Museum 2.0’ bezeichnen könnte, haben nur das Mitwirken an einer vorgegebenen Agenda ermöglicht“, so Hudson.

Erst geht es um die Arbeitsweise, dann um die Inhalte

Sein Ziel sei ein „Museum 3.0“, das ganzheitlich und kollaborativ arbeite. Daher zielten seine ersten Aktivitäten auch nicht auf künftige Inhalte. Das aktuelle Jahresprogramm des ZKM sei bereits vorbereitet und laufe wie geplant, sagte Hudson. Als Ausblick auf eigene Pläne verriet er, dass er sich mehr Festivals wünsche. Beispielsweise könne man die jährliche Vergabe des Giga-Hertz-Preises zu einem größeren Event für elektronische Musik ausbauen.

Das ZKM hat keinen singulären Autor.
Alistair Hudson, Vorstand ZKM Karlsruhe

Zunächst liege sein Fokus aber auf der künftigen Arbeitsweise des Hauses, erklärte der britische Kurator. „Das ZKM hat keinen singulären Autor, sondern besteht aus vielen Stimmen.“ Hierzu zähle er Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen, etwa in Wissenschaft, Forschung und Technik, aber auch die allgemeine Bevölkerung. Auf Nachfrage nach konkreten Projekten kündigte er einen für August anvisierten Abend der offenen Tür im gesamten Hallenbau an.

Wichtig sei ihm auch die stärkere Zusammenarbeit mit den benachbarten Institutionen: der Hochschule für Gestaltung (HfG), der Städtischen Galerie sowie der Staatlichen Kunsthalle. Diese zeigt während ihrer sanierungsbedingten Schließung viele Glanzlichter ihrer Sammlung im ZKM.

In diesem Kontext wünsche er sich eine permanente Präsenz der ZKM-Sammlung in einer eigenen Dauerausstellung. Mit den Werken aus der Sammlung der Kunsthalle ergäbe dies einen langen Überblick über die Kunstgeschichte.

Ein großes Potenzial für die weitere Kooperation mit den Hallenbau-Nachbarn sieht er darin, dass in allen vier Stellen die Leitungen noch relativ neu besetzt sind. Auch seine Vorstandskollegin im ZKM, die Geschäftsführerin Helga Huskamp, ist erst seit September 2021 im Amt. „Diese Konstellation ist eine gute Gelegenheit, um einige Dinge neu zu denken“, so Hudson.

Mit der HfG beispielsweise spreche man über ein postgraduales Programm, das dortigen Absolventen zum Einsatz im ZKM verhelfen könne. Andererseits gebe es an der HfG bereits Spezialisten für Künstliche Intelligenz, das derzeit wohl relevanteste Thema neuer Entwicklungen. Auch hier könne man Kompetenzen bündeln.

Droht ein Spagat zwischen Vielseitigkeit und Fokussierung?

Vielseitigkeit einerseits und Bündelung andererseits – das scheint ein Spagat zu sein, der nicht zuletzt vom Stiftungsrat des ZKM vorgegeben ist. Die vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Karlsruhe zu gleichen Teilen getragene Einrichtung sei von den aktuellen Krisen nicht ausgenommen, sagte Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup, Vorsitzender des Stiftungsrates.

Als stellvertretender Vorsitzender sagte Kunststaatssekretär Arne Braun, der Stiftungsrat ermutige Hudson „zu einer strategischen Fokussierung“. Zugleich dürfe sich das ZKM „noch stärker als international operierende Institution etablieren“, wobei klar sei, dass „nicht jede gute Idee“ gleich umgesetzt werden könne: „Die finanziellen Mittel sind endlich.“

Alistair Hudson, neuer Leiter von dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), ist sich sicher, dass Museumsmacher künftig mehr mit dem Publikum sprechen müssten als über das Publikum.
Alistair Hudson, neuer Leiter von dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), ist sich sicher, dass Museumsmacher künftig mehr mit dem Publikum sprechen müssten als über das Publikum. Foto: Uli Deck/dpa

Hudson sieht im Auftrag zur Fokussierung keinen Widerspruch zu seiner Wahrnehmung des ZKM als „multidirektionaler Ort der Möglichkeiten“. Inhaltlich gehe es um Fokussierung, aber die Arbeitsweise müsse multidirektional werden. Das bedeute auch, dass Museumsmacher künftig mehr mit dem Publikum sprechen müssten als über das Publikum: „Die Zeit ist vorbei, in der das Museum intern einen Inhalt kreiert und die Besucher nur als Betrachter einlädt.“

Bei der Wahl sprach OB Mentrup von „Traumbesetzung“

Hudsons Fokus auf Öffnung und Partizipation war bereits hervorgehoben worden, als der britische Kurator im Juli 2022 als Nachfolge des langjährigen ZKM-Vorstands Peter Weibel bekannt gegeben worden war. Frank Mentrup hatte Hudson damals als „eine absolute Traumbesetzung“ bezeichnet, aber auch eingeräumt, es sei bei der Suche „nicht leicht gewesen, international bedeutende Persönlichkeiten vom Standort Karlsruhe zu überzeugen“. Damit müsse man sich auseinandersetzen und „bei aller Begeisterung für uns selbst einen realistischen Blick auf Karlsruhe werfen“, so der OB damals.

Das 1989 als Institution gegründete und seit 1997 im Hallenbau ansässige ZKM war bis 1998 von seinem Gründungsdirektor Heinrich Klotz geleitet und ab 1999 von dem österreichischen Medienkünstler und Kurator Peter Weibel geleitet worden. Dessen mehrfach verlängerter Vertrag wäre zum 31. März dieses Jahres ausgelaufen. Kurz davor, am 1. März, verstarb Peter Weibel überraschend wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag.

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