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Diese Kunstwerke sprengen jeden Rahmen

Karlsruher David Domjahn fertigt Unikate mit Hilfe von Sprengstoff

Diese Kunstwerke und Design-Unikate sind ganz schön explosiv, und das nicht nur wegen der oft dahinter liegenden politischen Botschaften. Der Karlsruher Hobbykünstler David Domjahn formt seine Materialien mit Sprengstoff. Nicht jeder darf das – er schon. Warum?

David Domjahn posiert hockend hinter einem seiner Kunstwerke, das aus vier unterschiedlich gespaltenen Stahlträgern besteht.
Explosive Kunst: IT-Spezialist David Domjahn verformt Materialien mit Hilfe von Sprengstoff – die fertigen Kunstwerke transportieren wie hier bei „Die Teilung der Gesellschaft“ häufig auch politisch explosive Botschaften. Foto: Jörg Donecker

Auf dem gelben Hinweisschild mit schwarzer Schrift könnte auch „Ausfahrt freihalten!“ stehen. Bei David Domjahn lautet die Botschaft aber anders: „Freiheit aushalten!“ – und das Schild ist auch nicht an einem Hoftor angebracht, sondern wurde gerahmt und an eine Wand im Haus gehängt. Zuvor wurde es aber noch gesprengt, so dass in der Mitte zwischen den beiden Worten ein faustgroßes Loch klafft, das wie ein Einschussloch aussieht.

Was gesellschaftlicher Sprengstoff auslösen kann

Die Botschaft dahinter? „Es soll bewusst machen, dass wir in einem tollen Staat leben, und dass die Freiheiten, die wir heute haben, hart erkämpft wurden“, sagt der Hobbykünstler. Doch in jüngster Zeit gebe es viele, die dieser Freiheit überdrüssig seien.

Die gesellschaftlichen Entwicklungen rund um Pegida und die AfD in Deutschland und auch den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump machen Domjahn große Sorgen. Noch deutlicher veranschaulicht das seine Plastik „Die Spaltung der Gesellschaft“: Vier Stahlträger stehen hochkant in einer Reihe, von links nach rechts nimmt die Spaltung mehr und mehr zu.

Macht Kunst aus Sprengstoff: David Domjahn formt Obstschalen und Kunstwerke in einem explosiven Fertigungsprozess.
Macht Kunst aus Sprengstoff: David Domjahn formt Obstschalen und Kunstwerke in einem explosiven Fertigungsprozess. Foto: Jörg Donecker

Der Pfeiler ganz links ist unversehrt, ganz rechts geht die Spaltung über etwa ein Drittel der Gesamthöhe. Dieser Pfeiler ist mit einer Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika geschmückt, der Pfeiler mit dem kleinsten Spalt trägt die deutsche Flagge. „Der Mensch als Stütze, als Pfeiler der Gesellschaft tritt immer mehr in den Hintergrund“, sagt Domjahn. Während in den USA die sozialen Risse sehr deutlich sichtbar seien, nähmen viele in Deutschland keine Brüche wahr – sie seien aber bereits vorhanden. „Es ist eine Entwicklung, die mir persönlich Angst macht“, sagt Domjahn.

Der 51-jährige fertigt seine Werke mit einer außergewöhnlichen Methode: Er benutzt echten Sprengstoff, der auch für gewerbliche Sprengungen, etwa beim Abriss von Gebäuden, zum Einsatz kommt. Das darf aber bei weitem nicht jeder: Es braucht eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis, und zusätzlich noch einen „Befähigungsschein“.

Das Ergebnis ist immer ein Unikat.
David Domjahn , Hobbykünstler

„Das ist so in etwa vergleichbar mit einem Führerschein“, erklärt Domjahn. Diesen erhalte man nach einer entsprechenden Ausbildung zum Sprengmeister. Auch den kann nicht jeder einfach so belegen. Domjahn engagiert sich seit mehr als 30 Jahren beim Technischen Hilfswerk (THW). In den 1990er Jahren habe jeder Ortsverband noch eine Fachgruppe Sprengen gehabt, und so kam er 1996 zu Erlaubnis und Befähigungsschein.

„Inzwischen ist das beim THW aber extrem eingeschränkt, in Karlsruhe gibt es da nichts mehr“, sagt Domjahn. Der hauptberufliche IT-Spezialist bietet nebenberuflich auch heute noch als selbstständiger Sprengstofftechniker gewerbliche Sprengungen an. Auch bei Filmaufnahmen für eine Berliner Spezialeffekte-Produktionsfirma in Durlach im Jahr 2018 war er für die Zündung der explosiven Stunt-Szenen verantwortlich. Und er nutzt seine explosiven Kompetenzen privat für seine Kunst, die er auf seiner Internetseite genauer beschreibt und auch gerne ausstellen will, falls es sich ergibt.

Wenige Gramm Sprengstoff erfordern 100 Meter Sicherheitsabstand

Künstler, die mit Sprengstoff arbeiten, sind selten. „Eigentlich gibt es nur zwei“, meint Domjahn. Er nennt die Amerikanerin Evelyn Rosenberg, die mit explosiven Stoffen Strukturen zum Beispiel in Metalloberflächen prägt und den Begriff der „Detonografie“ prägte. Auch der portugiesische Streetart-Künstler Vhils sprengt seine meterhohen Porträts in Hausfassaden.

Für seine Kunstwerke und Designobjekte wie große Feuer- und kleinere Obstschalen fährt David Domjahn etwa einmal im Monat nach Remchingen im Pfinztal, zum Steinbruch des Künstlers Bernd Dennig. „Man muss genügend Abstand zur Bebauung haben, eine große Wiese ginge im Prinzip auch“, erklärt er.

Um aus einer quadratischen Metallplatte eine gewölbte Obstschale zu formen, braucht er nicht viel Sprengstoff – etwa 300 Gramm für Edelstahl, nur einige wenige Gramm für Aluminium. Die Platte wird auf einen weichen Untergrund, etwa lockeren Erdboden, gelegt. Zur Dämpfung der Druckentwicklung kommt eine Schicht Sand zwischen Platte und Sprengstoff.

Gesprengte Ästhetik: In diese Schale aus spiegelndem Edelstahl hat David Domjahn außerdem ein Blatt geprägt – alles mit Hilfe von Sprengstoff.
Gesprengte Ästhetik: In diese Schale aus spiegelndem Edelstahl hat David Domjahn außerdem ein Blatt geprägt – alles mit Hilfe von Sprengstoff. Foto: Jörg Donecker

Ein dünnes Kabel führt vom Sprengkörper zur kleinen Zündmaschine, die mit ihrer Handkurbel ein bisschen wie eine alte Kaffeemühle aussieht. Etwa 100 Meter lang muss das Kabel mindestens sein, so viel Sicherheitsabstand ist nötig. „Das Ergebnis ist immer ein Unikat“, sagt Domjahn.

Das Element der Nicht-Kontrollierbarkeit mache den Reiz aus, doch hat er kein Verständnis für diejenigen, die illegal etwa mit Feuerwerkskörpern experimentieren. „Ich verstehe den jugendlichen Spieltrieb gut“, sagt er, „aber man muss sich den Konsequenzen seines Handelns bewusst sein. Wenn so ein Polen-Böller in der Hand losgeht, kann schon mal die ganze Hand weg sein.“

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