Skip to main content

Badischer Dschungel

Artenschützer pflanzen wilden Wein in Eggenstein-Leopoldshafen und Linkenheim-Hochstetten

Das Artenschutzprogramm Baden-Württemberg fördert die Rückkehr der nach der Rheinbegradigung weitgehend ausgestorbenen typischen Kletterpflanze der Auenwälder.

Pflanzung einer Jungpflanze durch Mitarbeitende des Landschaftspflegetrupps des Naturschutzreferats
Mitarbeitende des Landschaftspflegetrupps des Naturschutzreferats pflanzen eine Jungpflanze an einem Stützbaum. Foto: Marion Niederl/Regierungspräsidium Karlsruhe

Bevor nach Plänen von Johann Gottfried Tulla zwischen 1817 und 1876 die Rheinbegradigung erfolgte, war die wilde Weinrebe in den Auenwäldern stark verbreitet. Nachdem die Überflutungen ausgeblieben waren, verschwand auch die Kletterpflanze, die Wuchshöhen von bis zu 20 Meter erreichen kann.

Im März hat der Landschaftspflegetrupp des Naturschutzreferats im Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe für das Artenschutzprogramm Baden-Württemberg in den Auwäldern rund um Eggenstein-Leopoldshafen und Linkenheim-Hochstetten über 140 wilde Weinreben gepflanzt.

Für den Winter 2026/27 ist die Pflanzung von weiteren 150 wilden Weinreben in den Auwäldern der beiden Hardt-Gemeinden geplant.

Der mittlere Oberrhein ist die nördliche Verbreitungsgrenze der wilden Weinrebe

„Die wilde Weinrebe ist bei uns an ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze und besiedelte ursprünglich die Rheinauenwälder zwischen Basel und Darmstadt“, erläutert Biologin Marion Niederl, die als Werksvertragsnehmerin des Regierungspräsidiums das Projekt begleitete.

Die wilde Weinrebe ist auf regelmäßige Überflutungen angewiesen, um sich gegen konkurrierende Arten durchsetzen zu können, insbesondere bei der Naturverjüngung. Durch die Regulierung von Tulla wurde der Rhein in ein starres Flussbett gezwungen und durch Hochwasserschutzdämme von seinen historischen Überflutungsflächen abgeschnitten.

Gleichzeitig konnten die Auenwälder viel effektiver forstwirtschaftlich genutzt werden. Die Bäume mitsamt der wilden Weinrebe wurden regelmäßig gefällt.

Durch den Bau mehrerer Staustufen von der Schweiz bis Iffezheim, südlich von Rastatt, wurden die Auenwälder derart verändert, dass diese dort heute für die Wilde Weinrebe ungeeignet sind.

Anders ist die Situation nördlich von Karlsruhe: Das Forstrevier um Eggenstein-Leopoldshafen und Linkenheim-Hochstetten bietet sehr gute Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Wiederansiedlung. Die Pflanzung wurde in Kooperation mit den Gemeinden sowie Revierförster Friedhelm Booms vorgenommen.

Die jungen Reben wurden an insgesamt 14 verschiedenen Baumarten gepflanzt

„Es gibt noch regelmäßig vom Hochwasser überflutete Auwaldflächen mit einer großen Vielfalt an standorttypischen Baumarten. Dank dieser können wir an 14 verschiedenen Stützgehölzarten pflanzen, darunter beispielsweise auch Schwarzpappel, Wildapfel und Wildbirne“, sagt Marion Niederl.

Ein breites Spektrum an Stützbaumarten sei wichtig, da aktuell nicht sicher ist, welche Baumart im Zuge des Klimawandels zukunftsfähig ist und sich an die Veränderungen anpassen kann, erläutern Niederl und Peter Vogel, für das Artenschutzprogramm Pflanzen zuständiger Referent im RP Karlsruhe. Oder auch, welche neuen Schädlinge und Baumkrankheiten die Auwälder in Zukunft bedrohen.

Alte Reben, die auf dieses ursprüngliche Vorkommen zurückgehen, existieren heute nur noch zwischen Hördt und Mannheim, mit insgesamt rund 100 Exemplaren. In allen anderen Gebieten ist die Wilde Weinrebe ausgestorben, wurde aber im Bereich zwischen Rastatt und Mannheim wieder angesiedelt. 

Die wilde Weinrebe kann vermutlich über hundert Jahre alt werden, aber benötigt gleichzeitig viele Jahre bis Jahrzehnte, um in die Baumkrone emporzuklettern und zu blühen. Wird sie abgehackt, ist sie weg, insbesondere, wenn gleichzeitig die Bedingungen für ein Aufwachsen ihrer Sämlinge nicht gegeben sind.

Nicht forstlich genutzte Hartholzauenwälder gibt es bei uns kaum.
Marion Niederl
Biologin

Letzteres ist bei einem Großteil der forstlich genutzten Hartholzauenwälder der Fall. „Nicht forstlich genutzte Hartholzauenwälder gibt es bei uns kaum“, so Marion Niederl.

Die Jungpflanzen wurden direkt an den Stammfuß von Bäumen gepflanzt und eine Schutzmanschette und eine Rankhilfe angebracht. Bis zu 20 Meter klettern die Triebe in die Höhe, schlingen ineinander und prägen so das typische Bild der Auwälder: den badischen Dschungel.

Nur etwa 100 Exemplare zwischen Hördt und Mannheim haben überlebt

Etwa bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war der Bestand auf weniger als 100 Pflanzen zurückgegangen und die Art drohte auszusterben. Um das zu verhindern, begann man bereits in den 1960er Jahren mit Wiederansiedlungsmaßnahmen, so dass der Gesamtbestand in den Rheinauen zwischen Rastatt und Mannheim inzwischen wieder auf etwa 400 Pflanzen angewachsen ist.

Das größte Vorkommen befindet sich derzeit im Naturschutzgebiet „Ketscher Rheininsel“.

Die Jungpflanzen haben keine lange Reise hinter sich: Sie stammen aus der Erhaltungskultur im Botanischen Garten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und wurden von natürlichen Vorkommen der wilden Weinrebe über Stecklingsvermehrung nachgezogen.

Sand-Silberscharte und Arnika sollen wieder heimisch werden in Baden-Württemberg

Mit dem Artenschutzprogramm Baden-Württemberg wurden in den vergangenen Jahren auf verschiedensten Standorten und in Regionen zahlreiche Arten angesiedelt.

Auch für die Zukunft ist dies geplant, etwa für die Sand-Silberscharte auf Sanddünen im Raum Mannheim oder für die Arnika auf Bergwiesen im Nordschwarzwald, erklärte Referent Peter Vogel.

nach oben Zurück zum Seitenanfang