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Geothermie

Geothermie in Graben-Neudorf: So soll am heißesten Bohrloch Deutschlands Energie aus der Tiefe kommen

Die Firma Deutsche Erdwärme baut in Graben-Neudorf ein Geothermie-Kraftwerk. Gegner befürchten Erdbeben durch die Bohrungen. BNN-Leser schauten hinter die Kulissen.

Roman Link und die Teilnehmer der Sommertour stehen auf der Baustelle des Geothermie-Kraftwerks.
Ein System mit mehreren ineinander liegenden Rohren soll das Grundwasser vor den Bohrungen im Geothermie-Kraftwerk schützen. Roman Link (links) erklärt den Teilnehmern der Sommertour, wie das funktioniert. Foto: Martin Heintzen

Dass es so heiß werden würde, damit hatten sie nicht gerechnet. 160 Grad, vielleicht auch 170. Aber 200 Grad? „Das war eine positive Überraschung“, sagt Roman Link. Link ist zuständig für kommunale Angelegenheiten bei der Deutschen Erdwärme.

Die Karlsruher Firma baut in Graben-Neudorf ein Geothermie-Kraftwerk. Aus knapp 4.000 Metern Tiefe hat sie im Juni erstmals Thermalwasser aus der Erde gepumpt und dabei Temperaturen von mehr als 200 Grad gemessen.

Graben-Neudorf hat das heißeste Bohrloch Deutschlands

Damit hat Graben-Neudorf offiziell das heißeste Bohrloch Deutschlands. Aber was passiert dort genau? Das will Link den BNN-Lesern bei der Sommertour verraten. An einem Dienstagabend steht er deshalb mit Bauhelm und Warnschutzjacke vor dem Bohrturm auf der Baustelle.

Die Energie der Zukunft: Wenn es nach Roman Link und der Deutschen Erdwärme geht, kommt sie aus der Tiefe. Mithilfe von Wärme aus der Erde ganze Stadtviertel heizen oder Strom produzieren – das ist die Vision der Firma. Aber wie soll das funktionieren?

Geothermie: Bohrungen zapfen Thermalwasser an

In Gesteinsspalten unter der Erdoberfläche befinden sich Reservoirs mit heißem Wasser. Mit Bohrungen von bis zu vier Kilometern Tiefe wird das Wasser angezapft.

Pumpen befördern es in den oberirdischen Bereich des Kraftwerks. Dort durchläuft das Wasser einen Wärmetauscher. Über den Wärmetauscher gelangt die Wärme in Fernwärmeleitungen. So will die Deutsche Erdwärme 10.000 Haushalte mit Wärme versorgen.

Als Nebenprodukt will die Firma Strom ins Netz einspeisen. Um Strom zu produzieren, wird die Wärme des Wassers im Wärmetauscher auf eine andere Flüssigkeit übertragen.

Dafür werden Stoffe verwendet, die einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser haben und deshalb schneller verdampfen, etwa Ammoniak. Der Dampf treibt über eine Turbine einen Stromgenerator an. Mit etwa 60 Grad Celsius verlässt das Wasser dann das Kraftwerk und wird zurück ins Erdreich geleitet. Soweit die Theorie.

Den ersten Praxistest hat die Anlage bereits hinter sich. Im Juni hat die Deutsche Erdwärme das Wasser erstmals aus der Erde gepumpt. Experten untersuchen es seitdem in den grünen, kreisförmigen Becken auf dem Gelände.

Hohe Temperaturen stellen Deutsche Erdwärme vor Herausforderungen

Die gemessenen Temperaturen von 200 Grad sind positive Überraschung und Herausforderung zugleich. „Jetzt müssen wir erst einmal an den Schreibtisch“, sagt Link. Die Experten müssen etwa überprüfen, ob die Ausrüstung der Hitze standhält. In den nächsten Monaten möchten sie die aus der Bohrung gewonnen Daten auswerten. Nächstes Jahr wollen sie ein zweites Mal bohren und das Wasser dabei wieder zurück in die Erde pumpen.

Fernwärmeleitung bis Bretten soll Orte mit Erdwärme versorgen

2025 soll das Kraftwerk in Graben-Neudorf nach Angaben der Deutschen Erdwärme in Betrieb gehen. Über eine Fernwärmeleitung bis Bretten sollen auch umliegende Orte an das Netz angeschlossen werden, etwa Karlsdorf-Neuthard, Teile von Bruchsal und Gondelsheim. Mithilfe eines Wärmetauschers im Keller sollen die Anwohner dann mit Erdwärme heizen können.

Wegen des Untergrunds sei der Oberrheingraben günstig für Geothermie-Projekte, sagt Link. Auch in Dettenheim will die Deutsche Erdwärme bauen, in Karlsruhe-Neureut wird ebenfalls über Bohrungen diskutiert. In Bruchsal betreibt die EnBW ein Geothermie-Kraftwerk.

Tiefe Geothermie ist umstritten. Gegner befürchten Erdbeben durch die Bohrungen. In Waghäusel stimmten die Bürger kürzlich mehrheitlich gegen den Bau eines Geothermie-Kraftwerks.

Geothermie-Gegner fürchten Erdbeben

Im Elsass und in Basel ließen Geothermie-Projekte bereits die Erde wackeln. Auch bei der Sommertour sind einige Leser skeptisch. Kann so etwas auch in Graben-Neudorf passieren? Unwahrscheinlich, sagt Link.

Zum einen sei die Spannung in den Gesteinen des Untergrunds geringer, die erzeugten Gesteinsbrüche prinzipiell kleiner. Zum anderen bohre man am Oberrheingraben in einen porösen Sandstein und nicht in einen dichten Granit.

Messstationen rund um den Bohrplatz sollen Erdbeben erkennen und lokalisieren. Sind bestimmte Schwellenwerte erreicht, soll das Kraftwerk vom Netz gehen. Weitere Messstationen überprüfen das Grundwasser rund um das Kraftwerk. Ein System, bei dem mehrere Rohre ineinander liegen, soll das Grundwasser vor Schäden durch die Bohrungen schützen.

Der Bohrturm ragt nicht mehr lange auf der Baustelle in Graben-Neudorf in die Höhe. Weil er täglich Geld kostet, baut die Deutsche Erdwärme ihn momentan ab. Zur zweiten Bohrung soll aber wieder ein Turm auf dem Gelände stehen.

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