Skip to main content

Flut von angeblichen Fakten

Schüler in Stutensee sehen die Kriege unterschiedlich

Wie behandeln Schulen in der Region die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten im Unterricht? Ein Lehrer nimmt Stellung.

Eingang Thomas-Mann-Gymnasium Stutensee
Im Thomas-Mann-Gymnasium Stutensee werden im Unterricht auch aktuelle weltpolitische Themen angesprochen, die viele Schüler beschäftigen. Foto: Klaus Müller

Wie in der Schule damit umgehen, wenn die täglichen Nachrichten Angst machen können? Wenn die Rede von Krieg, von Konflikten, von Tod und Leid ist? In welcher Form werden solche Nachrichten wie vom Krieg in der Ukraine, vom Krieg der Hamas gegen Israel im Unterricht behandelt? Angedacht war eigentlich von dieser Redaktion respektive vom Autor dieses Artikels an einer Unterrichtsstunde als Beobachter, Chronist und als Fragesteller teilzunehmen. Daraus wurde leider nichts.

Im Grunde ins Leere liefen Anfragen an das Pfinztaler Ludwig-Marum-Gymnasium, darunter auch eine Anfrage, ob sich ein Fachlehrer zu der Thematik äußern könnte. „Für Ihr Anliegen konnte ich niemanden gewinnen“, teilte die Leiterin des Gymnasiums, Elke Engelmann, mit. Dies könne sie absolut nachvollziehen, „ist dieses Thema doch sehr konfliktbeladen und schwierig“.

Bewertung hängt von den konsumierten Medien ab

Eine weitere Anfrage richtete sich an das Thomas-Mann-Gymnasium in Stutensee. Auch hier war eine Teilnahme am Unterricht nicht möglich. Schulleiter Christian Beck überließ es am Ende der Fachschaft Geschichte, ob sich jemand zu dem sicherlich nicht einfachen Thema äußern wollte. Genau dies tat dann Martin Klinger, Fachschaftsleiter Geschichte am Gymnasium. Außer Frage steht für ihn, dabei beruft er sich auf den Lehrplan, dass aktuelle (politische) Ereignisse in den Unterricht einfließen sollten. „Das würde sich ab Klasse neun anbieten“, meint der Geschichtslehrer.

Unstrittig sollte es sein, dass zwei gravierende Ereignisse – der Ukraine-Krieg und der Krieg der Hamas gegen Israel – längst Thema an und in Schulen sind. Die Wertung beim Ukraine-Krieg sei bei den meisten Schülern von Anfang an klar gewesen, sagt Klinger. Anders sehe es bei der Situation im Nahen Osten aus. „Das Thema ist komplexer.“ Die Bewertung der Schüler hänge oft davon ab, welche Medien sie konsumieren. „Und ja, viele Schüler nehmen mehr und mehr eine kritische Haltung gegenüber Israel ein“, so Klinger.

Man muss als Lehrer Spannungen aushalten.
Martin Klinger
Fachschaftsleiter Geschichte am Thomas-Mann-Gymnasium

„Wichtig ist es im Unterricht, Begriffe zu klären, sich an Fakten zu halten. Und nicht gleich zu bewerten“, meint der Pädagoge. Und eines habe sich auch gezeigt: „Je tiefer man mit den Schülern in die Materie geht, desto schwieriger wird es.“ Gerade bei so komplexen Themen und bei einer Flut von angeblichen Fakten, von Bildern und Meinungen in den sozialen Medien, müsse man als Lehrer immer wieder versuchen, auf die Sachebene zu kommen. „Und man muss als Lehrer Spannungen aushalten.“ Bildungspolitische Vorgaben gibt es natürlich auch. Mit die wichtigste hierbei ist aus Klingers Sicht: „Politikunterricht darf nicht demokratiefeindlich sein.“ Und es gebe eine weitere Vorgabe: ein klares Indoktrinationsverbot.

Staatliches Schulamt weist auf Neutralitätsgebot hin

Nun lassen sich ja Nachrichten von Zerstörung und Sterben nicht – wie bei Filmen – mit einer Mindestaltersfreigabe versehen. Grundschüler bekommen das Weltgeschehen genauso mit. „In der Grundschule wird situativ, aber nicht proaktiv auf Krieg und aktuelle Themen eingegangen“, erläutert auf Nachfrage dieser Redaktion Rüdiger Stein, der Leiter des Staatlichen Schulamts Karlsruhe. In einer „altersgerechten Weise und das bei Bedarf“ ließen sich ab Klasse fünf solche Themenbereiche behandeln. Ausdrücklich weist Stein in diesem Zusammenhang auf das Neutralitätsgebot des Lehrers hin. Gleichwohl müsste auf „Ungereimtheiten und Vorurteile“ eingegangen werden. Und nicht minder wichtig, so der Schulamtsleiter weiter: „Ängste und Fragen sollen im Unterricht wertschätzend aufgegriffen werden.“

Um Konfliktsituationen erst gar nicht an Schulen aufkommen zu lassen – insbesondere an Schulen mit Schülern, die einen muslimischen Hintergrund haben – ist laut Stein ein „hohes pädagogisches Augenmaß notwendig“. Die Frage, ob es bereits zu „angespannten Situationen“ an Schulen in seinem Schulamtsbezirk gekommen sei, verneint Stein: „Bisher noch nicht.“

Bedarf jedenfalls, im Unterricht über gegenwärtige Konfliktsituationen, über ihre (Hinter-)Gründe und über mögliche Auswirkungen zu sprechen, ist vorhanden. „Auch wenn entsprechende Anstöße mitunter vom Lehrer kommen müssten“, sagt Geschichtslehrer Klinger vom Thomas-Mann-Gymnasium.

nach oben Zurück zum Seitenanfang