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Stolpersteinaktion

Schüler aus Bretten erinnern an Verbrechen der NS-Diktatur

Brettener gedenken an jedem 9. November der Jüdinnen und Juden, die in der Zeit des NS-Terrors ermordet, verfolgt oder vertrieben wurden.

Alfred Koppels Haus stand einst dort, wo heute der Bronnerbau des MGB steht. Bernice und Jule informieren am Stolperstein direkt vor ihrer Schule über das Schicksal des Kaufmanns.
Alfred Koppels Haus stand einst dort, wo heute der Bronnerbau des MGB steht. Bernice und Jule informieren am Stolperstein direkt vor ihrer Schule über das Schicksal des Kaufmanns. Foto: Florian Ertl

In Zeiten, in denen sich Angriffe auf Synagogen häufen, immer häufiger antisemitische Schmierereien auftauchen und auf Demonstrationen offen antisemitische Parolen skandiert werden, ist eine aktive Erinnerungskultur wichtiger denn je. Mit dieser Überzeugung engagieren sich Schülerinnen und Schüler des Brettener Melanchthon-Gymnasiums (MGB) Jahr für Jahr aus Anlass der sogenannten Stolpersteinaktion.

Vor über 15 Jahren wurden in Bretten die ersten Stolpersteine verlegt

Vor über 15 Jahren wurden in Bretten die ersten Stolpersteine verlegt. Seitdem gedenken Brettener an jedem 9. November dort der Menschen, die auf ihnen verewigt wurden. Am Donnerstagabend gab es eine weitere Aktion dieser Art. Um 18 Uhr versammelten sich gut 40 Schülerinnen und Schüler des MGB am Stolperstein vor der Weißhofer Galerie.

Von hier aus schwärmten sie zu den mehr als 35 Erinnerungssteinen im gesamten Gebiet der Brettener Kernstadt aus. Einige Tage zuvor hatten geschichtsinteressierte MGB-Schüler die Stolpersteine bereits gepflegt und vom Schmutz der letzten zwölf Monate befreit. Nun entzündeten sie an den Steinen Kerzen, legten weiße Rosen nieder und informierten Passanten über die Schicksale der Menschen, denen sie gedenken.

Bürgermeister Michael Nöltner (CDU) sprach vor der Weißhofer Galerie zu den Jugendlichen. „Wir schreiben das Jahr 2023 und in Deutschland haben Jüdinnen und Juden wieder Angst, auf die Straße zu gehen“, sagte Nöltner. Immer mehr Mitbürger in der deutschen, eigentlich freiheitlich geprägten Gesellschaft fürchteten sich vor Anfeindungen, wenn sie beispielsweise eine Kippa tragen, um ihren Glauben offen zu leben.

Israel-Fahnen werden von den Masten gerissen und zerfetzt.
Michael Nöltner
Bürgermeister

„Israel-Fahnen werden von den Masten gerissen und zerfetzt oder angezündet. Das ist auch hier in Bretten geschehen. Auf den Straßen solidarisieren sich Menschen mit Terror und Gewalt gegen das Judentum“, fasste Nöltner die Ereignisse der vergangenen Wochen zusammen. Vieles von dem, was er beschreibe, erinnere ihn an die Zeit des Nationalsozialismus nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933, erklärte der Bürgermeister.

„Heute, 90 Jahre später, ist es unsere Pflicht, dass sich das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte nicht wiederholt. Darum stehen wir jetzt hier!“, so Nöltner weiter, der das MGB für seine Erinnerungskultur und die Bemühungen für die Stolpersteine lobte. Für seine Worte erhielt der CDU-Politiker viel Beifall von Schülern, Lehrern und Passanten.

Die Stolpersteine werden in Europa durch den Künstler Gunter Demnig seit 1992 verlegt. Mit diesen kleinen Gedenktafeln soll an die Menschen erinnert werden, die in der NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Geschichtskurse finanzierten Steine

In Bretten wurden die Steine unter anderem durch die Geschichtskurse des MGB finanziert, die Geld mit Kuchenverkäufen und das Werben für Patenschaften für die Steine gesammelt hatten. Unter anderem durch dieses Engagement und zahlreichen Privatspenden konnten alle zu verlegenden Stolpersteine ohne Mittel der Stadt bezahlt werden. „Die Leistung der Schülerinnen und Schüler und ihrer Lehrer ist deshalb nicht hoch genug einzuschätzen“, sagte Heidemarie Leins, die sich seit Jahrzehnten für das Thema engagiert.

„Es wäre schön, wenn wir das Gedenken am 9. November künftig etwas größer begehen würden. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Start im Melanchthonhaus mit anschließender Wache an den Stolpersteinen noch passender wäre“, meinte Leins.

In den vergangenen Jahren hatte mancher Schüler an einzelnen Steinen noch alleine gestanden. „Heute haben wir darauf geachtet, dass niemand alleine unterwegs ist und es sind auch mehr Lehrkräfte mit dabei“, berichtete Susanne Christ, stellvertretende Schulleiterin des Melanchthon-Gymnasiums. Störungen der Stolpersteinaktion blieben jedoch aus.

„Ich bin das erste Mal dabei und es ist schon etwas Besonderes. Hier zu stehen und konkret über diese verfolgten Menschen zu sprechen, macht die damaligen Verbrechen nochmal realer“, sagte die 17-jährige Bernice. Die ehemalige stellvertretende Schülersprecherin des MGB belegt den Geschichtsgrundkurs und informierte am Donnerstag über das Schicksal des Juden Alfred Koppel.

Der Kaufmann starb 1941 im Alter von 43 Jahren im KZ Buchenwald. Zuvor hatte man ihn als „Rasseschänder Juden“ angeprangert, weil er zwei Kinder mit seinem christlichen Dienstmädchen Elisabeth gezeugt hatte. „Die Geschichte ist so unfassbar traurig. Diese beiden Menschen liebten sich und wurden für ihre Liebe bestraft“, erzählte Schülerin Jule, ebenfalls 17 Jahre alt.

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