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Coronavirus

Spargelbauern und Erntehelfer aus Rumänien stehen in Corona-Krise unter Druck

Die Einreise ausländischer Saisonarbeiter steht in der Kritik – nicht erst seit dem Tod eines Erntehelfers in Bad Krozingen. Landwirte sind dennoch erleichtert. Und die Erntehelfer? Die fürchten sich vor dem Coronavirus.

Reihenweise Arbeit: Ohne Helfer aus Osteuropa wäre die Ernte auf den Feldern nicht zu stemmen. Allerdings stellen sich in Sachen Hygieneregeln und Infektionsschutz viele Fragen.
Reihenweise Arbeit: Ohne Helfer aus Osteuropa wäre die Ernte auf den Feldern nicht zu stemmen. Allerdings stellen sich in Sachen Hygieneregeln und Infektionsschutz viele Fragen. Foto: Hora

Die Einreise ausländischer Saisonarbeiter steht in der Kritik – nicht erst seit dem Tod eines Erntehelfers in Bad Krozingen. Landwirte wie Markus Leicht aus Eggenstein-Leopoldshafen sind dennoch erleichtert, auf die ausländischen Erntehelfer zurückgreifen zu können. Die fürchten sich derweil vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus in Deutschland, auch um die Gesundheitssysteme in der Heimat nicht zu überlasten.

Markus Leicht sagt, er sei froh, den April gut hinter sich gebracht zu haben. Aber es stehe noch viel auf dem Spiel, betont der Spargelbauer, der mit seinem Betrieb in Eggenstein-Leopoldshafen im vergangenen Jahr 250 Tonnen Spargel produziert hat. So viele werden es in diesen Corona-Monaten nicht werden.

Normalerweise arbeiten auf Leichts Feldern auf dem Höhepunkt der Spargel- und Erdbeerernte rund 300 Saisonarbeiter, rund 180 davon aus Osteuropa. Doch in diesem Jahr ist so vieles anders. Aktuell beschäftigt Leicht rund 90 Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, vorwiegend aus Rumänien. Ohne diese wäre die Ernte nicht zu stemmen gewesen.

Frisch geernteter Spargel liegt in Transportkisten auf einem Feld
Frisch geernteter Spargel liegt in Transportkisten auf einem Feld. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild

Deswegen war Leicht wie alle seine Kollegen froh, als die Bundesregierung doch noch beschloss, im April und im Mai je 40.000 Erntehelfer nach Deutschland einfliegen zu lassen. Am 9. April landeten die ersten Maschinen. Doch die Lage ist kompliziert und die Bauern stehen nicht nur wegen des Bangens um ihre Ernte unter Druck. Der Fokus der Öffentlichkeit liegt nicht mehr nur auf der Erleichterung der Bauern über die Hilfe aus Osteuropa.

Am 11. April starb auf einem Hof in Bad Krozingen ein rumänischer Erntehelfer, der mit dem Coronavirus infiziert war, vier weitere waren infiziert. Diese wurden isoliert, im Betrieb wurde weiter gearbeitet. Ob das Virus die Ursache für den Tod des Mannes war, ist nicht geklärt.

Landratsamt Rastatt: keine Corona-Fälle bei Erntehelfern

Laut „Spiegel“ war der Mann schon im März eingereist. Seit dem 9. April sind bislang knapp über 30.000 Saisonarbeiter aus Osteuropa, vorwiegend aus Rumänien, eingeflogen worden. Rund 6.000 davon über den Baden-Airpark. Dort prüfen vier Mitarbeiter des Roten Kreuzes und ein Arzt vom Gesundheitsamt Rastatt die Ankommenden durch Fiebermessen und per Augenschein auf Symptome einer Corona-Infizierung.

Bislang sei kein einziger Erntehelfer wieder nach Hause geschickt worden, berichtet Stefan Biehl, Sozialdezernent vom Landratsamt in Rastatt. Auch sei ihm kein weiterer Corona-Fall außer dem in Bad Krozingen bekannt.

Das bestätigt auch Simon Schumacher, Vorsitzender des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE). Bundesweit Schlagzeilen machte auch der Fall eines Spargelbauern, der in Niedersachsen die Erntehelfer unter Verstoß des Abstandsgebotes auf das Feld transportierte und mehr Personen in einem Container unterbrachte als erlaubt.

Auch wenn er sich ausdrücklich von dem Fall in Niedersachsen distanziere – es könne nicht alles rund laufen, sagt Schumacher.

VSSE mit Sitz in Bruchsal informiert über Infektionsschutz

Es sei absolut ungerecht, diese Einzelfälle nun pauschal allen Betrieben zu unterstellen, die „sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die Vorgaben zu erfüllen“. An diesem Donnerstag informiert der VSSE seine Mitglieder noch einmal in einer Informationsveranstaltung im Internet zum Thema: „Corona-Infektionsschutz für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft– wie setzen Sie die Vorgaben in die Praxis um?“

In dieser Saison mussten die Bauern auch die Flüge der Arbeiter bezahlen, die sich in den Jahren zuvor in Bussen oder mit dem Auto auf eigene Kosten auf die Reise machten. Rund 225 Euro im Schnitt hat Markus Leicht pro Person gezahlt. Er versichert, die Vorgaben zu erfüllen.

Nach der Ankunft und 14-tägiger Quarantäne wechselten die Helfer nicht mehr die Arbeitsgruppe, beim Transport auf die Felder werden die Sicherheitsabstände eingehalten, er kaufe für die Helfer ein und stelle eine Waschmaschine zur Verfügung.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Doch trotz all dieser Maßnahmen hat Leicht Angst, dass sich das Virus auf seinem Hof ausbreite und die Ernte gefährde. Wenn er höre, dass selbst Bundesligaprofis positiv getestet worden seien, dann mache ihm das Angst.

Die Frage der Dunkelziffer auch bei den Helfern belastet ihn. Zwei Prüfungen gab es zuletzt in seinem Betrieb, erzählt Leicht, eine vom Gesundheits- und eine vom Gewerbeaufsichtsamt. Er melde jedes Jahr seine Arbeiter beim Einwohnermeldeamt an, sagt er. Andere Betriebe sind da nicht so gründlich.

Aufschrei in Rumänien nach Landung erster Erntehelfer am Baden-Airpark

Als die ersten Maschinen mit Saisonarbeitern auf dem Baden-Airpark landeten, machten im rumänischen Fernsehen Bilder vom Abflughafen in Cluj die Runde, wo 1.800 Erntehelfer in Bussen angekarrt wurden und ohne auf Sicherheitsabstände zu achten, die Flieger betraten. Das hat in Deutschland zu einem Aufschrei geführt, aber auch in Rumänien.

Dort begann der Lockdown aus Angst vor einer Überlastung des schwachen Gesundheitssystems schon früher als in Deutschland. Bis 14. Mai gilt ein Notstandsgesetz. Die Restriktionen sind härter als in Deutschland, erzählt Nicoleta Badulescu von Minor. Die Politikwissenschaftlerin arbeitet seit zwei Jahren für die für die von der Gleichbehandlungsstelle-EU Arbeitnehmer geförderte Projekt Migrationsberatung 4.0.

Badulescu durchforstet die sozialen Netzwerke nach Fragen und Hilferufen von rumänischen Arbeitsmigranten. In der Corona-Zeit hat sie bislang 270 Fragen gefunden und teilweise beantwortet, das sind im Vergleich zur gleichen Jahreszeit in den vergangenen Jahren rund 4,5 Mal so viele.

Die drei häufigsten Nachfragen der landwirtschaftlichen Branche betreffend sind Lohnabzug, Kündigung und Unterbringungsbedingungen. Es gebe Fälle, in denen die Bauern nicht den vorgeschriebenen Mindestlohn zahlten. Sie habe aktuell auch Videos im Netz gesehen, wo mehr Menschen in Containern untergebracht seien als erlaubt. Auch arbeiteten die Erntehelfer oft mehr als zehn Stunden, manche schreiben, sie müssten eine Stunde darauf warten, um mit dem Duschen an der Reihe zu sein.

Coronavirus in Deutschland ist großes Thema in Rumänien

Seit dem Tod des rumänischen Arbeiters in Bad Krozingen ist das Thema auch in Rumänien in den Schlagzeilen. Von Rumänien aus gesehen, ist Deutschland Corona-Hochrisikogebiet. Es herrscht die Angst, dass die Arbeiter das Virus bei ihrer Rückkehr mit in die Heimat bringen. Wie in Deutschland wird in Rumänien diskutiert, ob die Bauern überhaupt Osteuropäer zu Hungerlöhnen holen müssen.

Aber viele Arbeiter aus ländlichen Gebieten in Rumänen brauchen das Geld, um ihre Familien zu ernähren. Aus Furcht, sich anzustecken, sind einige diesmal nicht gekommen. Markus Leicht weiß: „Viele fürchten sich vor dem Virus – aber viele haben auch Flugangst.“

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