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Technikversagen und fehlende Kontakte

Unterricht zu Hause stellt Schulen, Lehrer und Schüler in der Region noch immer vor Probleme

Streikende Technik, zu viele Aufgaben und fehlende soziale Kontakte: Homeschooling bleibt für viele Schüler und Lehrer im nördlichen Landkreis Karlsruhe eine Herausforderung.

Eigenständiges Lernen ist Trumpf: Kinder sollten auch im Homeschooling selbstständig ihre Aufgaben lösen, rät die Lerntherapeutin Birgit Ebbert. Eltern sollten notwendige Starthilfe geben, aber sich dann im Hintergrund halten.
Homeschooling stellt Schüler und Lehrer noch immer vor Herausforderungen. Foto: vejaa/Adobe Stock

Um Punkt 8 Uhr läuten keine Schulglocken – wenn überhaupt schallt ein leises und oft verzerrtes „Guten Morgen“ durch das Mikrofon der Schüler. Die Schüler lernen nach dem ersten Lockdown erneut unter Ausnahmebedingungen, die meisten können von dem Unterricht in der Schule nur träumen. Doch der Unterricht zu Hause ist Fluch und Segen zugleich.

„Wir Lehrer können im Homeschooling nicht wie sonst sehen, wenn jemand nicht mitkommt”, erklärt Uwe Müller, der geschäftsführende Schulleiter der Karlsruher Gymnasien.

Wie das Homeschooling abläuft, ist von Schule zu Schule unterschiedlich und reicht von einfachen Aufgabenpaketen bis hin zu dem vollen Stundenplan als Online-Unterricht. „Jede Unterrichtsstunde wird bei uns gemäß dem regulärem Stundenplan im Rahmen einer verbindlichen Videokonferenz abgebildet”, erklärt Heike Stober, Schulleiterin der Pestalozzi-Gemeinschaftsschule in Graben-Neudorf.

Die Schüler erhalten von den Lehrkräften Arbeitsaufträge, Inputs und Rückmeldungen, sodass ein reger Kontakt zwischen Schülern und Lehrern entstehen soll. Probleme mit dem Server, die es in den meisten Schulen in Baden-Württemberg gab, habe es in Graben-Neudorf nicht gegeben. „Mit der Unterstützung des Elternbeiratsvorsitzenden haben wir einen schuleigenen und datenschutzkonformen Server angemietet und können daher ein zuverlässiges Unterrichtsangebot gewährleisten”, sagt Stober.

Server waren überlastet

Mit mehr Problemen hatte die Lindenschule in Eggenstein-Leopoldshafen zu kämpfen, denn die Server der Grundschule waren schlichtweg überlastet. „Mittlerweile läuft die Technik reibungslos“, erzählt Schulleiter Klaus Ullrich. Eine besondere Herausforderung ist das Homeschooling für die Grundschüler. Sie kamen bisher wenig in Berührung mit dem selbstständigen Lernen und der Technik.

Die Schüler leiden unter dem Fehlen der sozialen Kontakte.
Klaus Ullrich, Schulleiter Lindenschule

„Die Schüler erhalten von uns Aufgaben, Erklär-Videos und Online-Übungen”, erklärt der Schulleiter der Lindenschule. „Einmal pro Woche halten wir Videokonferenzen ab und pflegen den direkten Kontakt zur Schulgemeinde.” Problematisch sieht Ullrich nicht nur die Wissenslücken, die entstehen können, sondern auch die fehlenden Interaktionen in der Klasse. „Die Schüler leiden unter dem Fehlen der sozialen Kontakte.” Das bisherige Fazit ist in der Lindenschule aber sowohl von Lehrer- als auch von Elternseite durchweg positiv.

Anders sieht es bei den weiterführenden Schulen aus, in denen das Homeschooling zur Tortur werden könne. „Viele Lehrer kennen sich mit der Technik nicht richtig aus, sodass Online-Unterricht kaum etwas mit Lernen und Wissensvermittlung zu tun hat”, erklärt Max Baumgartner, Schüler der gymnasialen Oberstufe. Vorteile sieht der 18-Jährige vor allem darin, dass jeder in seinem Tempo arbeiten kann und sich den Tag frei strukturieren darf.

Gleichzeitig gebe es auch viele Möglichkeiten um sich abzulenken. „Von den meisten Lehrern erhalten wir kein Feedback, oder konkrete Hilfe, noch dazu kommen viele Ablenkungsmöglichkeiten über den Tag verteilt, sodass ich das Home Schooling eher als Fluch statt als Segen bezeichnen würde”, sagt der Leopoldshafener.

Schüler beklagt zu viele Aufgaben

Ähnliche Erfahrungen macht Philipp Hacker aus Hochstetten, der ebenfalls ein Karlsruher Gymnasium besucht. „Der Fernlernunterricht ist prinzipiell eine gute Abwechslung, doch das Homeschooling ist geprägt von Server-Ausfällen und Unmengen an Aufgaben”, erklärt Hacker. Er habe den Eindruck, die Lehrer wüssten nicht, was eine angemessene Menge an Aufgaben ist. „Ich bevorzuge definitiv den Unterricht in der Schule”, erklärt der Schüler der zwölften Klasse.

Viele Lehrer kennen sich mit der Technik nicht richtig aus, sodass Online-Unterricht kaum etwas mit Lernen und Wissensvermittlung zu tun hat.
Max Baumgartner, Oberstufen-Schüler

Um fehlendes Wissen aufzuholen steht regelmäßig die „Freischuss”-Regelung zur Debatte, also das freiwillige Wiederholen eines Schuljahres, ohne dass es als Sitzenbleiben gilt. Ralf Scholl, der Landesvorsitzende des Philologenverbands begrüßt diese Debatte, denn „die schwächeren Schüler schaffen es oft nicht mehr, die Lücken zu füllen”.

Der Schulleiter der Lindenschule sieht dies ähnlich. „Eine vernünftige Regelung wäre in meinen Augen die freiwillige Wiederholung nicht auf die Schuljahre anzurechnen und bei der Versetzungsentscheidung etwas großzügiger zu sein”, erklärt Klaus Ullrich. In Gemeinschaftsschulen gibt es die Debatte um Versetzungsordnungen nicht, denn diese gibt es in dieser Schulform erst in der Abschlussklasse. „In den unteren Stufen erfolgen regelmäßig Beurteilungen des individuellen Entwicklungs- und Leistungsstands”, erklärt Heike Stober.

Die „Freischuss”-Regel begrüße sie trotzdem, denn damit wäre „eine schlüssige Erweiterung bestehender Optionen geschaffen”. Auch von Seiten der Schüler wird dieser Vorschlag begrüßt, denn angesichts der starken Wissenslücken sei solch eine Maßnahme essentiell für die weitere Schullaufbahn.

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