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Gemeinde feiern Erntedankfest

Essen soll nicht zu Ramsch verkommen: Welche Bedeutung hat Erntedank im Landkreis Karlsruhe?

Das Erntedankfest soll den Menschen ins Gedächtnis rufen, dass Essen keine Selbstverständlichkeit ohne den Einsatz harter Arbeit ist. Landwirte im Landkreis Karlsruhe klagen: „Unser Hände Arbeit wird billig verhökert.“

Pfarrer Jochen Stähle freut sich über jede einzelne Spende für den kirchlichen Erntedankaltar.
Pfarrer Jochen Stähle freut sich über jede einzelne Spende für den kirchlichen Erntedankaltar. Was haltbar ist, wird an die Tafel in Blankenloch gespendet. Foto: Holger Keller

Eine Feier zum Erntedankfest? Landwirt Achim Roth aus Dettenheim grübelt, dann schmunzelt er. „So einen richtigen Grund, den Anlass zu feiern, haben wir Landwirte eigentlich nicht“, erklärt er.

Roth und vielen seiner Kollegen bereitet ein Preiskampf Kopfzerbrechen, der für einige aus der Agrarbranche schon das Aus bedeutet hat. „Wir konkurrieren mit dem Weltmarkt, zu Weltmarktpreisen“, sagt Roth.

Ob die produzierte Nahrung überhaupt noch geschätzt werde, da ist sich Roth gar nicht mehr so sicher. „Einige der Landwirte, die ich kenne, haben den Glauben daran verloren“, berichtet Roth, der seinen Betrieb 2002 von seinem Großvater übernommen hatte.

Lebensmittel werden verramscht, weil niemand deren Wert anerkennt.
Achim Roth, Landwirt aus Dettenheim

„Es würde einigen Menschen auch einmal guttun, wenn wir Landwirte einfach nicht mehr liefern würden – sagen zumindest Landwirte, die ich kenne“, berichtet Roth. Der Frust sitzt tief bei den Landwirten. Die Kritik komme aus vielen Ecken, der Gegenwind ist groß, obwohl Nahrung günstig ist: „Lebensmittel werden verramscht, weil niemand mehr deren Wert anerkennt“, meint Roth.

Nach Erntedank muss Landwirt aus Dettingen mit ständiger Unsicherheit kalkulieren

Er will am Erntedankfest „zurückblicken auf das Jahr, es rekapitulieren. Und nach vorne blicken“. Mais und Zuckerrüben muss Roth heuer noch von den Feldern holen. „Anfang des Jahres steht dann die Aussaat des Wintergetreides an“, erklärt er.

In der modernen Agrarwirtschaft muss Roth vorausplanen – an den Terminmärkten kann er jetzt schon die Ernte für 2022 verkaufen. Damit muss er aber auch eine festgelegte Menge vom Feld holen. Ob das klappt, ist jetzt nicht abzusehen. Das Klima sei lange nicht mehr so zuverlässig wie noch vor Jahren. Klimatische Schwankungen werfen die Absatzziele über den Haufen – eine beständige Unsicherheit, mit der Roth auch nach Erntedank noch weiter kalkulieren muss.

Wir leben nicht mehr in der Welt von vor 200 Jahren.
Jochen Stähle, Pfarrer in Weingarten

Auch Pfarrer Jochen Stähle in Weingarten ist sich bewusst, dass das Erntedankfest im 21. Jahrhundert etwas Anderes ist als nur Lobpreis für die Früchte des Ackers. Er sagt: „Wir leben nicht mehr in der Welt von vor 200 Jahren.“

Erntedankfest in Weingarten: Haltbare Lebensmittel werden an die Tafel gespendet

Wie es üblich ist, wird Stähle am Sonntag zusammen mit seiner Gemeinde das Erntedankfest zelebrieren. Auch der Altar wird wieder geschmückt sein, mit Lebensmitteln und Blumendekoration, wie es üblich ist – inklusive Spenden der Menschen aus Weingarten.

Was die gefüllte Tafel ziert, ist anders als noch vor 100 Jahren – es spiegelt die Entwicklung der Essgewohnheiten wider. „Es gibt nicht mehr viele Weingartener, die ihre eigene Parzelle beackern und selbst gezogenes Gemüse als Spende vorbei bringen“, so Stähle. Äpfel, Karotten, Bohnen oder Kartoffeln seien noch gebracht worden, als die Menschen ihre Gärten bewirtschafteten.

Es ist nicht ganz unpraktisch, wenn nun auch Konserven oder andere Trockenwaren wie Nudeln gespendet werden, betont der Pfarrer. „Wir bringen die haltbaren Lebensmittel in den Tafelladen in Stutensee-Blankenloch“, sagt er. Dort soll die Nahrung den Menschen zugute kommen, die sie wirklich brauchen.

Das Bewusstsein für den Wert der Nahrungsmittel komme vielen abhanden, betont Stähle. „Die meisten Menschen sind doch gar nicht mehr in die Prozesse eingebunden, die in der Lebensmittelproduktion ablaufen“, so der Pfarrer. Und auch deren Probleme seien vielen Menschen so nicht bewusst.

Das Verständnis für die Nahrungsversorgung fehlt vielen Menschen

„Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, mir sind einige der Thematiken bekannt“, erklärt er. Der Preisdruck oder die Probleme durch klimatische Veränderungen machten den Landwirten zu schaffen – das ist Stähle bewusst. Nahrung auf dem Teller sei keine Selbstverständlichkeit, so der Gottesmann. Nicht hier im Land und schon gar nicht in anderen Teilen der Erde. „Aus dieser Selbstverständlichkeit muss man ausbrechen“, sagt er.

Termin

In Weingarten wird an diesem Sonntag Pfarrer Stähle mit der evangelischen Gemeinde einen Erntedankgottesdienst abhalten. Beginn ist um 10 Uhr auf dem Hof der Familie Balduf, Am Sallenbusch 5.

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