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Im Abseits

Keine Glückwünsche aus dem Karlsruher Norden für Gerhard Schröder

Mal nachgefragt bei Genossinnen und Genossen aus der Region, was sie Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder zu seinem 80. Geburtstag raten und wünschen würden. 

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Frau So-yeon Schröder-Kim sitzen vor der Enthüllung der Lüpertz-Kunstwerke zum Thema „Genesis“ im Publikum in Karlsruhe.
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Frau So-yeon Schröder-Kim sitzen vor der Enthüllung der Lüpertz-Kunstwerke zum Thema „Genesis“ im Publikum in Karlsruhe. Foto: Uwe Anspach/dpa (Archiv)

Gerhard Schröder darf an diesem Sonntag seinen 80. Geburtstag feiern. Die Reihe der Gratulanten – wenigstens die der offiziellen – dürfte sich trotz des runden Geburtstages in Grenzen halten.

Dass der SPD-Politiker, der von 1998 bis 2005 als Kanzler die Geschicke des Landes mitprägte, sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine alles andere als beliebt gemacht hat, müsste hinlänglich bekannt sein. Und was sagen nun Genossinnen und Genossen aus der Region zum „Putin-Freund“? Was würden sie ihm zu seinem 80. Geburtstag raten oder wünschen? Mal nachgefragt.

Etwas Demut sollte er zeigen und seinen Ruhestand genießen.
Thomas Waldraff
SPD Eggenstein-Leopoldshafen

„Etwas Demut sollte er zeigen und seinen Ruhestand genießen“, meint Thomas Waldraff, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Eggenstein-Leopoldshafen.

Ähnlich sieht es Dagmar Elsenbusch, die seit Jahrzehnten für die Sozialdemokraten im Pfinztaler Gemeinderat sitzt: „Genieß deine Rente und halte dich aus der Politik raus.“ Noch eins drauf setzt Beate Hauser, Geschäftsführerin der SPD-Fraktion in Stutensee. Sie legt Schröder den „Austritt aus der SPD“ nahe.

Soweit freilich würde Wolfgang Wehowsky, Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion in Weingarten, nicht gehen wollen. Er zeigt – nach eigenem Bekunden – nach wie vor „Sympathien für den Menschen Gerhard Schröder“.

Politisch bewertet er Schröder aber „wesentlich differenzierter“. Leider, so der vormalige Landtagsabgeordnete (2009 bis 2011 als Nachrücker für Ute Vogt, die in den Bundestag wechselte) weiter, „hat Schröder durch die unveränderte Treue zum Aggressor Putin sein politisches Lebenswerk selbst zerstört“.

Mit dieser Auffassung steht er beileibe nicht allein da. Auf Schröders politisches Vermächtnis angesprochen, hat Christian Eheim, SPD-Bürgermeister von Graben-Neudorf, eine klare Meinung. Für ihn habe es sich Schröder selbst zuzuschreiben, dass man sich in Zukunft mehr an seinen Lobbyismus für den russischen Präsidenten als an seine Kanzlerschaft erinnern werde.

Für Hartz IV mussten wir viel Schelte einstecken.
Dagmar Elsenbusch
SPD Pfinztal

Die Person Schröder jedoch allein auf sein aktuelles Wirken zu reduzieren, wäre sicherlich zu kurz gegriffen. Bei der Frage nach seinem Vermächtnis kommen immer wieder die Agenda 2010 und das damit verbundene Hartz IV ins Gespräch, wobei die Bewertungen der Genossen durchaus unterschiedlich ausfallen.

„Die Agenda 2010 war damals richtig und wirtschaftlich gut. Und das gilt ebenso für Schröders Nein zum Einsatz deutscher Soldaten im Irak-Krieg“, resümiert Beate Hauser.

Auch bei Wehowsky findet die vom Alt-Kanzler mitinitiierte Agenda-Politik bedingte Zustimmung. Betonung auf bedingt. Die Agenda habe schon ihren Teil zu einem dauerhaften Wirtschaftswachstum beigetragen. Aber: „Sie hat zur Entfremdung mit uns SPD-Mitgliedern und zu Wut beziehungsweise Enttäuschung in der Wählerschaft geführt.“ Keine Frage, befindet ebenfalls Elsenbusch, „für Hartz IV mussten wir viel Schelte einstecken“.

Für Waldraff, wenigstens aus seiner Retrospektive, hätte es die Agenda 2010 so nie geben dürfen – „darüber sind sich viele Ökonomen heute einig“.

Rosaroter Blick auf den Ex-Kanzler gestaltet sich schwierig

Politik aus der Ferne zu betrachten ist eine Sache, eine andere den Protagonisten dieser Politik selbst mal zu erleben. Ob dies am Ende tatsächlich was bringt, sei dahingestellt.

Wehowsky, damals noch Landtagsabgeordneter, erlebte Schröder bei einem Vortrag in Stuttgart. Sogar zu einem „kurzen Austausch“ zwischen ihm und dem Kanzler sei es gekommen. Warum auch nicht – Schröder war (und ist) schließlich ein gesprächiger Typ. „Ich habe ihn mal auf einem Parteitag erlebt und war überrascht, wie klein er war (und wahrscheinlich noch ist)“, erinnert sich Elsenbusch. Auf ein „Live-Schröder-Erlebnis“ in Eppelheim im Jahr 1995 kann Hauser zurückblicken.

Und jetzt, zum Abschluss, können alle Befragten die „SPD-Brille“ aufsetzen, um vielleicht doch einen rosaroten Blick auf den Ex-Kanzler zu werfen. „Schwieriges Thema“, sagt Hauser. Gar nicht rosarot fällt der Blick von Waldraff aus: „Der ist unbelehrbar, zu stolz, auf falschem Kurs.“ Aktuell treibe ihn seine Hybris um, urteilt Wehowsky. Elsenbusch winkt ab. Für sie gibt es Aktuelleres.

Und Eheim: „Es ist zutiefst beschämend, wie ein früherer Bundeskanzler sich selbst so demontiert und sein Ansehen derart beschädigt.“ Geburtstags-Glückwünsche hatte übrigens niemand für den Ex-Kanzler parat.

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