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Betroffene sind erbost

Kein Corona-Bonus: Karlsruher Sanitäter verärgert über Minister Spahn

Sie kämpfen auch in der Corona-Krise an vorderster Front und doch gehen sie wohl leer aus: Während die Bundesregierung eine Sonderprämie für Pflegekräfte beschlossen hat, schauen Beschäftigte des Rettungsdienstes in die Röhre.

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An vorderster Front: Auch in der Corona-Krise sind die Beschäftigten des Rettungsdienstes rund um die Uhr im Einsatz. Im Gegensatz zu Pflegekräften sollen sie dennoch keine Bonuszahlungen vom Bund erhalten. Foto: Nicolas Armer/dpa

„Eine bodenlose Frechheit“, findet ein Rettungsassistent aus dem Kreis Karlsruhe, der anonym bleiben möchte. Der 59-Jährige ist seit 30 Jahren im Einsatz – und von der Politik enttäuscht. „Man lässt uns ins offene Messer laufen“, sagt er.

Spahn: Derzeit keine Sonderleistungen für den Rettungsdienst

Hintergrund: Ende April hatte die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, einen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschickt – mit der Bitte, auch die Beschäftigten des Rettungsdienstes bei den Corona-Bonuszahlungen zu berücksichtigen.

Gleichwohl habe ich den Eindruck, dass sich das Einsatzaufkommen des Rettungsdienstes teilweise sogar verringert haben dürfte.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Am 15. Juni ging schließlich Spahns Antwort beim DRK-Präsidium ein. Darin erklärt der Minister, dass er zum derzeitigen Zeitpunkt nicht beabsichtige, sich für Sonderleistungen einzusetzen. Zwar hätten die Beschäftigten des Rettungsdienstes „ihren Teil dazu beigetragen, dass es uns in Deutschland bisher gut gelungen ist, die Auswirkungen der Pandemie zu begrenzen“. „Gleichwohl habe ich den Eindruck, dass sich das Einsatzaufkommen des Rettungsdienstes im Verlauf der Covid-19-Pandemie teilweise sogar verringert haben dürfte“, heißt es in dem Schreiben, das in einschlägigen Internetforen kursiert.

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Bei Beschäftigten des Rettungsdienstes in der Kritik: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Foto: Thomas Warnack/dpa

In diesem Punkt habe Spahn nicht ganz unrecht, räumt der Rettungsassistent ein. Während der Corona-Hochphase seien die Einsätze stark eingebrochen, da viele Leute nicht wegen „Lappalien“ wie Schnupfen oder leichten Rückenschmerzen den Notruf gewählt hätten. Der Aufwand sei dadurch aber nicht geringer geworden – ganz im Gegenteil, wie ein weiterer Kollege berichtet.

Für die Einsätze haben wir rund zweieinhalb Stunden zusätzlich benötigt.
Notfallsanitäter aus Karlsruhe

„Für die Einsätze haben wir rund zweieinhalb Stunden zusätzlich benötigt“, sagt der 40-jährige Notfallsanitäter aus Karlsruhe. Denn sobald der Verdacht einer Covid-19-Infektion im Raum stand, habe man noch sorgsamer sein und sich an einen strengen Pandemieplan halten müssen. „Nach jedem Fall, bei dem ein Corona-Verdacht bestand, hieß es: Duschen und Umziehen. Manche Kollegen mussten das in zwölf Stunden viermal machen.“

Große psychische Belastung vor allem für Risikogruppe

Hinzu komme die psychische Belastung: Meist hätten die Rettungskräfte vorher nicht gewusst, ob ein Patient infiziert ist oder nur eine Erkältung hat. Eine große Gefahr, vor allem für Beschäftigte, die wie der 59-Jährige zur Risikogruppe gehören. Er hat mehrere Vorerkrankungen, leidet zum Beispiel an Diabetes. „Klar habe ich Angst, mich zu infizieren. Aber das interessiert niemanden“, klagt er. Nur Bayern ist bisher vorgeprescht und hat einen Bonus an alle bezahlt, die in Krankenhäusern, Rettungsdienst oder Pflegeeinrichtungen direkt mit Patienten arbeiten.

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Widerstand auch auf Facebook: Betroffene vermissen Wertschätzung

Noch mehr als das fehlende Geld vermissen die Betroffenen im Südwesten aber die Wertschätzung für ihren Beruf, der ohnehin schon zu schlecht bezahlt sei. Dass Pflegekräfte etwas bekommen, sei richtig. In ihren Augen sollten aber alle Berufe im Gesundheitswesen berücksichtigt werden – oder keiner. Auch in diversen Facebook-Gruppen regt sich Widerstand gegen das Schreiben des Bundesgesundheitsministers. „Danke Herr Spahn, für nichts“, schreibt etwa ein Nutzer in der Gruppe „Rettungsdienst Baden-Württemberg“. Einige Kommentare zeigen dagegen Verständnis für Spahns Absage.

Herr Spahn soll sich mal eine Woche zu uns ins Auto setzen.
Rettungsassistent aus Karlsruhe

Während sich das Bundesgesundheitsministerium auf BNN-Anfrage nicht zu dem Briefwechsel äußern wollte, teilte die DRK-Pressestelle mit: „Wir schätzen das Engagement des Bundesgesundheitsministers für den Bevölkerungsschutz in Deutschland sehr, auch wenn wir in Detailfragen wie der Prämie für den Rettungsdienst manchmal unterschiedliche Positionen haben.“ Der Rettungsassistent aus Karlsruhe will sich damit nicht zufrieden geben. „Herr Spahn soll sich mal eine Woche zu uns ins Auto setzen“, sagt er. „Dann sieht er mal, was wir leisten.“

Anmerkung: Die im Beitrag zitierten Rettungskräfte wollen anonym bleiben. Sie sind unserer Redaktion jedoch bekannt.

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